# taz.de -- Das Akw Greifswald und die DDR-Oberliga: Fußballverein mit Atomlogo
       
       > Fußball verstrahlt: Wie das Atomkraftwerk Greifswald fast einmal in die
       > DDR-Oberliga aufgestiegen wäre. Selbst nach Tschernobyl sorgten sich die
       > KKW-Spieler nicht.
       
 (IMG) Bild: KKW-Stadionmagazin, natürlich mit dem Atomlogo.
       
       Angeblich hat das japanische Atomunglück ein erstes Opfer in Deutschland
       gefordert. Der Song "Verstrahlt" des Deutschrappers Marteria wird von den
       Radiosendern nicht mehr gespielt, berichtete der Berliner Kurier. 
       
       Was in der Enthüllungsstory des Boulevardblatts nicht erwähnt wurde, ist
       eine spezielle Verkettung von Atommaterie und Marteria in dessen
       Vergangenheit. Als er noch Marten Laciny hieß und keinen Künstlernamen
       trug, reifte er bei Hansa Rostock zum U17-Nationalspieler. Hansa spielte
       damals in der ersten Bundesliga, dank seiner guten Nachwuchsarbeit. Etliche
       Spieler, auch Marterias Idole Jens Dowe und Hilmar Weilandt kamen von einem
       Nachbarklub, der bereits in der DDR Rostocks Talentezulieferer war: KKW
       Greifswald. Ja, genau: Kern! Kraft! Werk!
       
       KKW Greifswald dürfte der einzige deutsche Fußballverein mit Atomlogo im
       Vereinswappen gewesen sein. Oho, werden jetzt einige Sportsfreunde in der
       Antiatombewegung sagen, typisch DDR. Und Recht haben sie. Im von
       Nuklearignoranz verseuchten Osten interessierte der Vereinsname keine Sau.
       Wenn einer imagemäßig schwer kontaminiert war, dann BFC Dynamo.
       
       In der DDR benannten sich Fußballklubs ja nicht nur nach
       Volkswirtschaftsbranchen, zum Beispiel Stahl Eisenhüttenstadt oder Chemie
       Leipzig, sondern auch nach ihren Trägerbetrieben. Das Ergebnis hieß dann
       eben BSG Eierproduktion Rothemühl oder BSG Kernkraftwerk Greifswald. Die
       KKW-Kicker gingen im Atomwerk tatsächlich diversen Jobs nach, hauptsächlich
       jedoch dem Fußballspielen.
       
       ## Rein sportlich gab es für sie nicht viel zu jubeln
       
       Im Prinzip handelte es sich um Halbprofis, die zu den Heimspielen in der
       zweithöchsten DDR-Spielklasse bis zu 3.000 Zuschauer anzogen. Rein
       sportlich gab es für sie nicht viel zu jubeln. Das Motto von KKW Greifswald
       lautete eher: Erfolge, nein danke! Von 1968 bis 1990 hielt sich der Verein
       meist unauffällig in der Staffel A der fünfteiligen DDR-Liga auf, wo sie
       von gegnerischen Fans äußerst selten mal hämisch als die "Strahlenden"
       begrüßt wurden.
       
       Manchmal hätten die KKW-Fans sogar so zurückgrüßen können (was sie nicht
       taten), denn gelegentlich gab es auch Freundschaftsspiele gegen Teams aus
       den KKW-Standorten in der Sowjetunion oder CSSR. Ulrich Feske, damals
       Übungsleiter einer KKW-Jugendmannschaft, weiß zu berichten, dass es bei den
       Besuchen in Partnerbetrieben sogar Werksführungen gab. Dass sich die
       KKW-Spieler selbst nach Tschernobyl nicht sorgten, im Werk könnte mal was
       passieren, bestätigt Wolfgang Moschke, der 1987 Trainer in Greifswald
       wurde. "Bedenken wegen möglicher Gefahren durchs KKW hat niemand geäußert."
       
       Für Mannschaft und Fans war was ganz anderes wichtig: Der
       fußballbegeisterte KKW-Direktor hatte mit Trainer Moschke einen
       Dreijahresplan entwickelt: Greifwald sollte bis 1990 den Aufstieg in die
       Oberliga schaffen. Die Wende kam dazwischen. Etliche KKW-Spieler wanderten
       in den Westen ab.
       
       ## Nach der Wende wanderten viele KKW-Spieler in den Westen ab
       
       Der größte Störfall für den Verein trat jedoch ein, als die großzügige
       Förderung durch das Kernkraftwerk endete und das Aus des Betriebs bald ganz
       feststand. Die BSG KKW Greifwald ging im wieder neu gegründeten
       Greifswalder SC auf, der wiederum seit 2003 insolvent ist. Auf seiner
       verwaisten Homepage findet man noch einige Fanartikel, darunter einen Schal
       "KKW Greifswald. Die Hölle der Liga-Staffel A".
       
       Beim FC Erzgebirge Aue - früher Wismut Aue - wird das DDR-Atomfußballerbe
       dagegen aktiv hochgehalten. Dort gibts noch einen Fanklub Radioaktiv. Aues
       Trainer Rico Schmitt spielte übrigens früher auch beim KKW Greifswald.
       
       8 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gunnar Leue
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Schanzenheld Helmut Recknagel: Gefeiert und bespitzelt
       
       Der DDR-Skispringer Helmut Recknagel wird in die "Hall of Fame" des
       deutschen Sports aufgenommen. Nach seiner Karriere arbeitete er als
       Fleischhygiene-Inspektor.
       
 (DIR) Kongress 25 Jahre Tschernobyl: Verdrängt, vertuscht, verharmlost
       
       Die internationalen Atomorganisationen verharmlosen und leugnen bis heute
       die Folgen der Katastrophe von Tschernobyl. Nicht mehr als 50 Tote sollen
       es nach deren Zahlen sein.