# taz.de -- Onlineterror-Prozess: V-Mann spionierte in Dschihadszene
       
       > In München stehen sieben Männer und eine Frau vor Gericht. Sie sollen
       > Propaganda für al-Qaida verbreitet haben - ein Ex-Mitstreiter spionierte
       > für den Verfassungsschutz.
       
 (IMG) Bild: Angeklagt wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland: Renee S. (vorn v.l.), Daniel P. und Tarek H.
       
       MÜNCHEN/BERLIN taz | Es ist das bisher größte Verfahren gegen mutmaßliche
       Online-Terrorhelfer in Deutschland. Sieben Männer und eine Frau im Alter
       von 18 bis 30 Jahren stehen seit Dienstag in München vor Gericht.
       
       Sie sollen die inzwischen abgeschaltete "deutsche Sektion" des mit al-Qaida
       sympathisierenden Propagandanetzwerks "Globale Islamische Medien-Front"
       (GIMF) betrieben und dazu Videos produziert, übersetzt und verbreitet sowie
       Texte geschrieben haben. Manche der ins Netz gestellten Videos zeigten laut
       Anklage Gräueltaten wie das Köpfen von Geiseln.
       
       Obwohl die Anklageschrift 462 Seiten lang ist, sah es zu Beginn so aus, als
       könnte es ein kurzes Verfahren werden. Der Vorsitzende Richter des 6.
       Strafsenats am Oberlandesgericht München, Manfred Götzl, ging die
       Hauptverhandlung zügig an. Doch schon am zweiten Tag, am Mittwoch, knallte
       es: Rechtsanwalt Mutlu Günal, der einen der jüngsten Angeklagten vertritt,
       thematisierte die mögliche Verstrickung eines V-Manns des Bundesamts für
       Verfassungsschutz.
       
       ## Aus Anführer wird V-Mann
       
       Es geht um den aus Serbien stammenden Irfan P. Er war ursprünglich der
       neunte Beschuldigte im Ermittlungsverfahren gegen die GIMF und galt als
       Anführer der "deutschen Sektion", seit deren Begründer Mohamed M. im
       September 2007 in Österreich verhaftet worden war.
       
       Doch das Verfahren gegen Irfan P. wurde schon vor Prozessbeginn
       eingestellt. Warum? Anwalt Günal hat einen Verdacht: Weil der heute
       22-Jährige als V-Mann in der GIMF aktiv gewesen sein könnte, die Taten der
       Gruppe also gewissermaßen amtlich begleitet hätte. Dem ist nicht so,
       versichert der Verfassungsschutz.
       
       Bestritten wird der Kontakt zwischen Amt und Islamist jedoch nicht - er
       soll aber erst nach dessen GIMF-Aktivitäten zustande gekommen sein, wie
       auch die Bundesanwaltschaft beteuert. Demnach wäre der Mann ein
       Seitenwechsler, aus welchem Grund auch immer.
       
       Das Gericht zeigte sich von dieser Wendung überrascht. Nach dem Willen der
       Verteidiger sollen nun der Präsident des Verfassungsschutzes und der
       V-Mann-Führer als Zeugen gehört werden. Und auch der Senat hat durchblicken
       lassen, dass er diese Frage aufklären will.
       
       Was den Medien bisher entgangen war: Vor drei Wochen hatte Irfan P. bereits
       einen Auftritt als Zeuge in einem Prozess in Berlin. Irfan P. erschien
       dort, um im Verfahren gegen den 21-jährigen mutmaßlichen Terrorhelfer
       Alican T. auszusagen, den er tatsächlich für den Staat ausspähte. Anfang
       2010 wohnte er sogar einen Monat lang bei T.
       
       ## Deckname "Musab, der Terrorist"
       
       ## 
       
       Im Prozess in Berlin berichtete Irfan P. auch über [1][Kämpfer der
       "Deutschen Taliban Mudschahidin"] im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet,
       die er bei seinen Berlinbesuchen getroffen habe. Einmal hätten sie in einer
       Gruppe auch Bilder von der Leiche eines Berliners im Internet angeschaut,
       der als Kämpfer in Wasiristan getötet wurde. Die Islamisten hätten "sich
       gefreut, weil er es geschafft hat, zum Märtyrer zu werden", so Irfan P.
       
       Auf Nachfragen der Verteidigung kam im Berliner Prozess auch Irfan P.s
       eigene Vergangenheit zur Sprache. So räumte er ein, in Szeneforen als "Abu
       Musab al-Irhabi" unterwegs gewesen zu sein - "al-Irhabi" bedeutet "der
       Terrorist". Nach einigem Zögern gab Irfan P. auch zu, 2007 dem
       Fernsehsender RTL ein Interview gegeben zu haben, in dem er vermummt über
       die GIMF geredet haben soll. Das überraschte sogar die Vertreter der
       Bundesanwaltschaft, die das zum ersten Mal hörten, nach einer Prozesspause
       aber bestätigten, dass es das Interview gab.
       
       Dass Irfan P. für den Verfassungsschutz arbeitete, wusste die
       Bundesanwaltschaft spätestens im September 2010, wie aus einem Schreiben
       des Verfassungsschutzes an die Karlsruher Anklagebehörde hervorgeht. Dort
       heißt es auch, dass P.s Einsatz in der Berliner Dschihadistenszene strikt
       darauf begrenzt gewesen sein soll, passiv Informationen zu sammeln. Wann
       genau er aber anfing, für den Staat zu spionieren, blieb auch im Berliner
       Prozess offen.
       
       Holger Schmidt ist ARD-Terrorismusexperte und mit taz-Redakteur Wolf
       Schmidt weder verwandt noch verschwägert. Er blogt unter:
       [2][www.swr.de/blog/terrorismus]
       
       14 Apr 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /1/politik/deutschland/artikel/1/bafoeg-im-terrorlager-1/
 (DIR) [2] http://swr.de/blog/terrorismus
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) H. Schmidt
 (DIR) W. Schmidt
       
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