# taz.de -- Sondersitzung wegen Vorwürfen: Streit in der Linkspartei eskaliert
> Weil sich Genossen angreifen, beruft der Vorstand der Linkspartei eine
> Sondersitzung ein. Die Zukunft der Partei sei ungewiss, meint ein
> Bundestagsabgeordneter.
(IMG) Bild: Soll zurücktreten: Bundesschatzmeister Raju Sharma.
BERLIN taz | Jetzt scheinen alle Dämme gebrochen. Der interne Streit bei
der Linkspartei eskaliert seit dem Wochenende. Nach heftigen gegenseitigen
Vorwürfen zwischen Parteiführung, radikalem Flügel und ostdeutschen
Reformern sowie öffentlichen Rücktrittsforderungen an Bundesschatzmeister
Raju Sharma haben Parteichefin Gesine Lötzsch und Bundesgeschäftsführerin
Caren Lay für den Mittwochvormittag zu einer Sondersitzung des
geschäftsführenden Parteivorstands eingeladen. "Wir wollen die Lage
deeskalieren", sagte Lay der taz. Sie erwarte, dass alle Beteiligten einen
Gang zurückschalten.
Nach dem miserablen Abschneiden der Partei bei den Landtagswahlen in
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Ende März und angesichts sinkender
Umfragewerte gibt es eine neue Führungsdebatte um die Parteichefs Lötzsch
und Klaus Ernst. Besonders kritisiert wurde die mangelnde Selbstkritik der
beiden, die das schlechte Wahlergebnis allein auf die Reaktorkatastrophe in
Fukushima zurückführten. Als Fraktionschef Gregor Gysi vorvergangenen Woche
erklärte, Ex-Parteichef Oskar Lafontaine stünde für eine Rückkehr in die
Parteiführung in einer "Notsituation" bereit, flammte der Flügelstreit
erneut auf.
Auf die teils öffentlich ausgetragene Kritik der pragmatisch orientierten
Genossen reagierte am Wochenende Parteichef Ernst in Hamburg. Erstmals seit
der Wahlschlappe trat er dort wieder öffentlich auf und griff seine Gegner
scharf an. Die Personaldebatte "kotzt unsere Mitglieder an", sagte er. Es
gebe einen harten Kern von Mandatsträgern, "die sich zu keiner Zeit mit der
im Mai 2010 gewählten Führungsspitze abfinden wollten", sagte Ernst.
Bundesschatzmeister Raju Sharma ließ sich daraufhin in der Süddeutschen
Zeitung zu dem Satz hinreißen, Ernst "soll sich konkret äußern oder die
Klappe halten" – und bekam die Quittung. Parteivize Sarah Wagenknecht und
Bundesgeschäftsführer Werner Dreibus fordern jetzt öffentlich seinen
Rücktritt. Sharma selbst wollte sich am Dienstag dazu nicht äußern. Man
werde die Sitzung am Mittwoch abwarten, hieß es aus seinem Büro.
"Da hat sich eine Dynamik entwickelt, die vielleicht nicht mehr steuerbar
ist", fürchtet ein Bundestagsabgeordneter des pragmatischen Flügels. Die
Äußerungen von Ernst und die Rücktrittsforderungen an Sharma seien "das
Aufkündigen jeglicher Zusammenarbeit mit den Realos". Es sei völlig unklar,
wie es mit der Partei jetzt weitergehen soll.
19 Apr 2011
## AUTOREN
(DIR) Paul Wrusch
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