# taz.de -- Kommentar Syrien: Keine Zukunft für Assad
       
       > Die Brutalität des syrischen Regimes gegenüber dem Volk ist erschreckend.
       > Es ist Barbarei, einen Sitzstreik mit scharfer Munition niederzuschießen.
       > Assads Ende ist besiegelt.
       
       Erschreckend und verstörend zugleich ist die Brutalität, mit der das
       syrische Regime gegen sein eigenes Volk vorgeht. Völlig friedliche Menschen
       bei einem Sitzstreik mit scharfer Munition niederzuschießen - wie jetzt
       wieder in Homs - ist blanke Barbarei. Dieses Regime ist ein Hohn auf jede
       Zivilität. Es hat jede Legitimität verwirkt.
       
       Wie anders seine Gegner. Welch ein Mut gehört dazu, auf die Straße zu gehen
       und Freiheit und Menschenwürde zu fordern, wenn es das eigene Leben kosten
       kann. Welch eine moralische Größe zeigt sich darin, den Mordgesellen dieser
       Diktatorenclique unbewaffnet und friedlich die bloße Stirn zu bieten.
       
       Das Regime verkennt schlicht die Tiefe dieses Volksaufstandes. Der brutale
       und gnadenlose Einsatz der Shabbiha-Milizen hatte nicht die Konsequenz,
       dass die Menschen eingeschüchtert und verängstigt die Straßen geräumt
       hätten. Im Gegenteil. Der Protest hat sich verbreitert.
       
       Nach ägyptischem Vorbild haben die Menschen in Homs den zentralen
       "Uhrenplatz" besetzt und in "Tahrirplatz" umbenannt. Wir gehen erst, wenn
       das Regime geht, lautet jetzt ihr Slogan. Präsident Baschar al-Assad hat
       die Zeit für Reformen verpasst. Die jetzige Aufhebung der Notstandsgesetze
       und die Zulassung von Demonstrationen ist ein taktischer Schachzug, der zu
       spät kommt. Eine wirkliche Reform des Systems von Korruption und
       Klientelismus zeigt sich damit noch nicht.
       
       Unter einem rein machtpolitischen Kalkül scheint der Ruf nach einem Ende
       der Assad-Herrschaft derzeit ohne jede Aussicht auf Erfolg zu sein. Aber
       die Dynamik, die dieser friedliche Aufstand in diesen wenigen Wochen
       gewonnen hat, ist zu einer echten Bedrohung für den Assad-Clan und seine
       Handlanger geworden. Vieles spricht dafür, dass dieser revolutionäre,
       dieser emanzipatorische Prozess nicht einfach erstickt oder abgewürgt
       werden kann. Die Vorbilder der arabischen Revolution haben sich tief ins
       syrische Gedächtnis gegraben.
       
       Ganz gewiss wird dieses Regime in seiner mörderischen Agonie noch viele
       Menschenleben fordern. Auch ist nicht auszuschließen, dass die Diktatur
       vorübergehend die Oberhand behält. Aber abzuwenden ist ihr Sturz nicht
       mehr. Vielleicht werden sich viele demnächst die Augen reiben und
       verwundert feststellen, dass Baschar al-Assad in Damaskus eher vom Sockel
       gestoßen wurde als der monströse Oberst in Tripolis.
       
       19 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Baltissen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Aufstand in Syrien: Assad hebt Notstand auf
       
       Die angekündigte Aufhebung des Notstandes ist vollzogen. Oppositionelle
       sind skeptisch, dass sich damit etwas ändern werde. In Homs beziehen
       Sicherheitskräfte Stellung.
       
 (DIR) Opposition in Syrien: Lange Geschichte des Dissens
       
       Immer wieder wurde das Regime der Baath-Partei von Protesten
       herausgefordert. Höhepunkt war der Aufstand in Hama 1982. Damals starben
       20.000 Menschen.
       
 (DIR) Aufstand in Syrien: Der Tahrir-Platz in Homs
       
       Die Regierung hob das Notstandsgesetz auf – eine zentrale Forderung der
       Demonstranten. Das heißt nicht, dass das Regime nun weniger hart vorgeht.
       
 (DIR) Proteste in Syrien: USA unterstützten Opposition
       
       Die USA sollen laut Wikileaks-Depeschen die syrische Opposition finanziell
       unterstützt haben. Sicherheitskräfte schossen am Sonntag erneut auf
       Demonstranten, 14 Menschen starben.
       
 (DIR) Anhaltende Proteste in Syrien: Assad kann sein Volk nicht beruhigen
       
       Der Präsident kündigt die Aufhebung des Notstands und Reformen an, um die
       "innere Front" zu stärken. Dennoch gehen Tausende in mehreren Städten auf
       die Straße.