# taz.de -- Der Ostermarschierer: Protest mit ganz langem Atem
       
       > Seit Jahren ist Klaus Lemmnitz beim Berliner Ostermarsch dabei. Dass es
       > diesmal auch um Widerstand gegen Atomkraft geht, freut den
       > Grüne-Liga-Mitgründer besonders.
       
 (IMG) Bild: Wo Berliner Ostermarsch drauf steht, ist Klaus Lemmnitz dabei.
       
       Als die Grüne Liga Berlin im vergangenen August eine Ausstellung zu ihrem
       20. Jubiläum in der Kulturbrauerei eröffnete, streifte Klaus Lemmnitz
       interessiert zwischen den Plakatwänden umher. Irgendwann stutzte er. Und
       bemerkte, dass etwas fehlte: "Der Frieden, eines der zentralen
       Gründungsthemen."
       
       1989 aus der Ökologie- und Friedensbewegung der DDR heraus gegründet, hat
       sich die Grüne Liga heute vor allem dem Naturschutz verschrieben, dem
       Einsatz für erneuerbare Energien und dem Kampf gegen die Atomkraft. Am
       heutigen Samstag kehrt sie zu ihren Anfängen zurück, mit dem Ostermarsch,
       der diesmal den Pazifismus mit dem Anti-Atom-Widerstand verbindet. "Für
       eine Zukunft ohne Atomwaffen und Atomkraftwerke", lautet das Motto. "Genau
       richtig", findet das Klaus Lemmnitz. "Könnte von mir sein."
       
       Denn mit dem diesjährigen Ostermarsch kehrt auch Klaus Lemmnitz, einer der
       stetesten Mitmarschierer, zu seinen Wurzeln zurück. In den 80er Jahren ist
       der damalige Ostberliner Produktionsplaner - Kombinat
       Automatisierungsanlagenbau -Grüne-Liga-Mitgründer und Friedensaktivist. Und
       SED-Mitglied. Vater Alfred ist Minister für Volksbildung, der Sohn ein
       "kritischer Sozialist", wie sich der 64-Jährige heute beschreibt. Es habe
       eine Reihe offener Fragen gegeben, auf die er keine Antworten gewusst habe.
       
       Frieden und Umweltschutz aber bieten sichere Gewissheiten. Das "Nie wieder
       Faschismus" der Eltern - als Kommunisten waren sie unter der NS-Diktatur in
       den KZs Ravensbrück und Brandenburg inhaftiert - prägt auch Lemmnitz. Der
       Prenzlberger trifft sich mit Oppositionellen in der Bartholomäuskirche in
       Friedrichshain, besucht das dort untergebrachte Anti-Kriegs-Museum. Für den
       Naturschutz begeistert er sich schon als Schüler bei den "Jungen
       Naturforschern und Technikern", Lehrstationen für Naturwissenschaftliches.
       Jahr später landet er bei den Wegbereitern der Grünen Liga um Matthias
       Platzeck, heute Brandenburger Ministerpräsident. Lemmnitz schreibt an der
       Satzung für das basisorientierte Ökonetzwerk mit. "Was gibt es Zentraleres
       als den Erhalt von Leben und Natur?", fragt er. Es ist das klassische Credo
       der Umweltbewegung, dem der zweifache Vater folgt: den Kindern eine bessere
       Welt zu hinterlassen.
       
       Es klingt nach einem naheliegenden Mobilisierungskniff, wenn am heutigen
       Samstag die zuletzt brachliegende Friedensbewegung mit Slogans des
       boomenden Anti-Atom-Protests zum Ostermarsch ruft. Tatsächlich aber trafen
       sich die Vertreter beider Bewegungen bereits im Dezember, um 25 Jahre nach
       Tschernobyl einen gemeinsamen Marsch zu planen. Es ist in Berlin ohnehin
       kaum zu trennen zwischen beiden Lagern - die Aktivisten sind oft dieselben.
       Demo-Mitorganisator Uwe Hiksch von den Naturfreunden spricht daher auch
       lieber von einer "Rückkehr des Ostermarschs zu seinen Wurzeln". Dorthin, wo
       in den fünfziger Jahren die Friedensbewegung mit Protesten gegen die
       atomare Bewaffnung der Bundesrepublik begann.
       
       Heute sitzt Klaus Lemmnitz in seinem Büro im ersten Stock eines sanierten
       Backsteinbaus am Senefelderplatz, einer früheren Brauerei. Tischler,
       Drucker und Architekten haben sich hier seit 2003 mit der Genossenschaft
       Saarbrücker Straße niedergelassen. Lemmnitz ist ihr Vorsitzender. 240
       Arbeitsplätze habe man geschaffen, erzählt er stolz. Kein einziges Gewerbe
       sei bisher pleitegegangen. "Das muss uns erst mal einer nachmachen."
       
       Man könnte sich Lemmnitz mit seinem Vollbart und dem runden Bauch als einen
       gemütlichen Mann vorstellen. Doch wenn er redet, purzeln die Sätze, hoppelt
       seine Fußspitze auf dem Boden. In zwanzig Vereinen ist Lemmnitz Mitglied.
       Bei der Volkssolidarität, der Mietergemeinschaft, der Berliner
       Friedensglockengesellschaft. Für die PDS saß er Anfang der Neunziger sechs
       Jahre im Bezirksparlament. Im Verein "Pro Kiez Bötzower Viertel" stellt er
       den Vorsitzenden. Für jede Vereinsversammlung bleibt da keine Zeit. Er sei
       mehr ein "Aktionsorientierter", räumt Lemmnitz ein.
       
       Auch den diesjährigen Ostermarsch hat Lemmnitz nicht mitorganisiert. "Aber
       ich werde wie all die Jahre da sein und noch zwei mitbringen." 2003
       demonstrierten in Berlin noch Hunderttausende gegen den Irakkrieg. Zum
       Ostermarsch im letzten Jahr kamen nur mehr gut tausend. Lemmnitz bringt das
       nicht aus der Ruhe. "Ich will nicht aufhören, Zeichen zu setzen, bevor das
       Problem gelöst ist."
       
       Und die politische Aktualität spreche ja für einen Aufschwung der
       Friedensbewegung, hofft Lemmnitz. Der Endloskrieg in Afghanistan, die
       westlichen Bombardements in Libyen. Lemmnitz hält von beidem nichts:
       "Kriege haben noch nie Probleme gelöst."
       
       Dass die Pazifisten nun mit den Anti-Atom-Aktivisten einen Deal fürs
       Osterwochenende geschmiedet haben, findet Lemmnitz nur folgerichtig. Am
       Samstag wollen die Anti-Atom-Aktivisten beim Ostermarsch mitlaufen. Am
       Montag soll es dann gemeinsam zu Anti-AKW-Protesten ans Zwischenlager
       Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern gehen. Der Anti-Atom-Widerstand habe ja
       schon gezeigt, dass Protest Wirkung zeitigt, freut sich Lemmnitz: "Sieben
       abgeschaltete AKWs, Anti-Atom-Proteste selbst in Frankreich und Japan, das
       ist doch ein Riesenerfolg."
       
       Lemmnitz selbst wird es am Montag wohl nicht nach Lubmin schaffen:
       "Familiäre Verpflichtungen." Beim Ostermarsch aber wird man ihn auf der
       Straße antreffen. Mit seiner Frau und dem Banner der
       Friedensglockengesellschaft, so wie auf vielen Ostermärschen zuvor. Und
       diesmal auch mit der Anti-Atom-Sonne am Revers.
       
       22 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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