# taz.de -- Jugendliche Mehrfachtäter: Strafoffensive mit Ladehemmung
> Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) arbeitet am
> Gesetzentwurf zum Warnschussarrest. Experten halten diese Maßnahme für
> sinnlos.
(IMG) Bild: Der Warnschussarrest könnte die "eklatante Platznot" in den Gefängnissen noch verschärfen, wie hier im California State Prison in L.A.
FREIBURG taz | Die Bundesregierung will einen Warnschussarrest für
jugendliche Straftäter einführen. Dies ist aber keine Reaktion auf den Fall
eines Berliner Gymnasiasten, der am Wochenende im U-Bahnhof Friedrichstraße
aus Streitlust einen 29-jährigen Passanten fast totgetreten hat. Vielmehr
wurde das Vorhaben schon im schwarz-gelben Koalitionsvertrag 2009
vereinbart. Die Union macht jetzt jedoch Druck auf eine schnelle Umsetzung.
Schon bisher kann gegen jugendliche Straftäter Arrest verhängt werden. Es
gibt Wochenendarrest, Kurzzeitarrest bis zu vier Tagen und Dauerarrest bis
zu vier Wochen. Bei einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe ist der
Arrest jedoch nicht möglich. Der Jugendlich kann in einem solchen Fall -
mit Auflagen - nach Hause gehen. "Manche verurteilte Jugendliche verlassen
dann den Gerichtssaal und sagen ihren Freunden, sie hätten keine Strafe
bekommen", kritisiert der FDP-Rechtspolitiker Jörg van Essen.
Diesem falschen Gefühl soll der Warnschussarrest entgegenwirken, der
künftig neben einer Bewährungsstrafe verhängt werden kann. Der Arrest solle
als "gelbe Karte" dienen, damit Jugendliche eine Bewährungsstrafe nicht als
"Freispruch zweiter Klasse" empfinden, so eine Sprecherin von
Justizminister Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). In Deutschland
werden pro Jahr rund 18.000 Jugendstrafen verhängt, davon werden zwei
Drittel zur Bewährung ausgesetzt.
## Warnschuss verstärke Platznot in Gefängnissen
Der Warnschussarrest kann also nicht gleich nach der Tat verhängt werden,
sondern erst nach dem Strafurteil, also oft Wochen oder Monate danach.
Schon heute müssen Jugendliche oft Monate warten, bis überhaupt eine
Arrestzelle für sie frei ist. Der Deutsche Richterbund lehnt deshalb die
zusätzliche Einführung eines Warnschussarrestes ab, weil er die "eklatante
Platznot" noch verstärke. Mehrere Länder wie Berlin und Hessen haben
allerdings die Zahl der Jugendarrest-Plätze in den letzten Jahren deutlich
erhöht.
Auch in seiner Wirkung ist der Warnschussarrest umstritten. Die Deutsche
Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (DVJJ) lehnt ihn
ab. "Der behauptete Abschreckungseffekt lässt sich nicht belegen", sagte
DVJJ-Geschäftsführerin Nadine Bals zur taz. Zudem gefährde ein Arrest eher
die Entwicklung von Jugendlichen. Nach einem Jugendarrest würden 70 Prozent
der Verurteilten rückfällig, bei einer Bewährungsstrafe nur 60 Prozent.
Auch Kriminologen warnen davor, dass Jugendliche im Arrest vor allem andere
kriminelle Jugendliche kennenlernen.
Im Fall des Angriffs in der Berliner U-Bahn-Station will die
Staatsanwaltschaft die Anklage gegen den Gymnasiasten in zwei bis drei
Wochen fertiggestellt haben. Er soll voraussichtlich wegen versuchten
Totschlags angeklagt werden. Die Familie des Opfers, das inzwischen aus dem
Krankenhaus entlassen werden konnte, fordert eine Anklage wegen versuchten
Mordes "aus niederen Beweggründen".
27 Apr 2011
## AUTOREN
(DIR) Christian Rath
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