# taz.de -- US-Regierung korrigiert Aussage: Bin Laden war unbewaffnet
       
       > Die US-Regierung revidiert die Aussage über den Einsatz gegen Osama bin
       > Laden. Der al-Qaida-Chef war demnach unbewaffnet. Ob ein Foto des Toten
       > veröffentlicht wird, ist weiter strittig.
       
 (IMG) Bild: Für die Amerikaner hat "Gerechtigkeit gesiegt". Zeitungsseiten hängen am Bauzaun von Ground Zero in New York.
       
       WASHINGTON afp/dpa | Das Weiße Haus hat seine Darstellung von der Tötung
       des al-Qaida-Chefs Osama bin Laden teilweise revidiert. Bin Laden sei
       während der dramatischen Kommandoaktion in seinem pakistanischen Versteck
       nicht bewaffnet gewesen, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama,
       Jay Carney, am Dienstag. Derweil wurden Forderungen nach einer
       Veröffentlichung von Fotos des toten Bin Ladens laut, um
       Verschwörungstheorien entgegenzuwirken.
       
       "Er war nicht bewaffnet", sagte Carney. Allerdings seien andere Männer in
       dem Anwesen bewaffnet gewesen und hätten Widerstand geleistet. Bin Laden
       sei bei einem "unberechenbaren Schusswechsel" ums Leben gekommen. Carney
       bekräftigte, das Ziel des Einsatzes sei die Festnahme und nicht die Tötung
       Bin Ladens gewesen. Wegen des "großen Widerstandes" sei der al-Qaida-Chef
       aber erschossen worden.
       
       Das Weiße Haus ruderte auch bei der angeblichen Tötung einer Ehefrau Bin
       Ladens zurück. Anders als zunächst mitgeteilt sei die Frau mit einem Schuss
       ins Bein verletzt worden, sagte Carney. Die Frau habe sich in demselben
       Zimmer befunden wie Bin Laden und sei auf die US-Soldaten zugestürmt. Damit
       rückte Washington auch von der Version von Anti-Terror-Berater John Brennan
       ab, wonach die Frau als menschlicher Schutzschild missbraucht und so
       getötet worden sei.
       
       Ein US-Sonderkommando hatte den Gründer und Chef des Terrornetzwerks
       [1][al-Qaida in der Nacht zum Montag in seinem Anwesen in Abbottabad nahe
       der pakistanischen Hauptstadt Islamabad erschossen]. Auf dem Gelände lebten
       laut Carney neben Bin Laden und einigen seiner Angehörigen noch zwei
       Familien; eine im ersten Geschoss des Hauptgebäudes, die andere in einem
       weiteren Haus.
       
       ## Debatte um Foto-Veröffentlichung
       
       Bei der Kommandoaktion wurden nach Angaben des Weißen Hauses neben Bin
       Laden vier weitere Menschen getötet. Zwei Kuriere des Terrornetzwerks und
       eine Frau seien im ersten Stock des Hauptgebäudes getötet worden, während
       der Terrorchef und seine Angehörigen sich im zweiten und im dritten Stock
       aufgehalten hätten, sagte Carney. Bei dem fünften Getöteten handele es sich
       vermutlich um einen Sohn Bin Ladens.
       
       Das Weiße Haus hat noch nicht entschieden, ob Fotos von der Leiche Bin
       Ladens veröffentlicht werden sollen. Regierungssprecher Carney sagte, die
       Bilder seien zweifellos "grausig". Vor diesem Hintergrund werde geprüft, ob
       es nötig sei, sie zu veröffentlichen. Bin Laden soll zweimal in den Kopf
       getroffen worden sein, einmal direkt über dem linken Auge. Wie es in
       Medienberichten hieß, "explodierte sein Kopf".
       
       Zahlreiche US-Politiker debattierten darüber, ob ein Foto veröffentlicht
       werden sollte, um Verschwörungstheorien, wonach der al-Qaida-Chef gar nicht
       getötet worden sei, ein Ende zu setzen. CIA-Chef Leon Panetta sagte: "Ich
       denke, wir sollten dem Rest der Welt zeigen, dass wir in der Lage waren,
       ihn zu kriegen und zu töten." Die Entscheidung über eine Veröffentlichung
       liege aber beim Weißen Haus.
       
       Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, bezeichnete die
       Debatte über eine Veröffentlichung von Fotos als "makaber". Der
       republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Patrick Meehan, dagegen
       sagte, er hoffe, es könne "eine Art Foto" veröffentlicht werden, "das keine
       Fragen dazu, was geschehen ist, offen lässt".
       
       Wer Osama bin Laden an der Spitze von al-Qaida nachfolgt, ist noch unklar.
       Der neue Anführer der Terrorgruppe werde aber der neue Staatsfeind Nummer
       eins der USA sein, sagte CIA-Chef Panetta dem Fernsehsender CBS. Zu Bin
       Ladens bisherigem Stellvertreter Aiman el Sawahiri, der als möglicher neuer
       Anführer der al-Qaida gilt, sagte er: "Er rückt in unserer Liste (der
       Staatsfeinde) sehr schnell nach oben." Die noch ungeklärte Nachfolge gebe
       den USA nun aber noch Zeit, das Terrornetzwerk "im Durcheinander und in der
       Debatte" um seine neue Führung weiter anzugreifen.
       
       ## "Wir haben ihn!"
       
       Unterdessen werden immer mehr Details der Kommandoaktion mit dem Decknamen
       "Geronimo" bekannt. Obama verfolgte sie voller Anspannung per
       Satellitenübertragung live im "Situation Room" des Weißen Hauses. Dann die
       Erlösung: "Wir haben ihn", rief der US-Präsident aus.
       
       Nun hoffen die USA auf neue Erkenntnisse über die Pläne von Bin Ladens
       Terrornetzwerk. Denn beim Sturm auf sein Anwesen stellten Soldaten einen
       Computer und mehrere Festplatten sicher. Damit sei ihnen ein wahrer Schatz
       an Informationen in die Hände gefallen, der nun ausgewertet werde,
       berichtete das US-Onlinemedium Politico.
       
       Nach einem Bericht des Wall Street Journal war sich der US-Geheimdienst CIA
       bis zuletzt keinesfalls sicher, dass Bin Laden tatsächlich in Abbottabad
       lebte. Einige Analysten hätten die Wahrscheinlichkeit mit 60 Prozent
       angegeben, andere mit 80 Prozent. CIA-Chef Panetta habe die Ungewissheit zu
       schaffen gemacht. Dann sei er aber davon ausgegangen, dass die
       US-Öffentlichkeit selbst bei einer 50-prozentigen Chance hinter der Aktion
       stehen würde.
       
       Obama will am Donnerstag Ground Zero in New York besuchen. Dort, wo am 11.
       September 2001 Al-Kaida-Terroristen zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme
       des World Trade Center steuerten, will er sich mit Angehörigen der Opfer
       treffen.
       
       4 May 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /1/politik/amerika/artikel/1/jubel-in-washington/
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Osama bin Laden: Wege zum Ruhm
       
       Wenn Regierungen das Völkerrecht so offen missachten wie die USA, gefährdet
       das die Regeln der internationalen Gemeinschaft. Da wären dreiste Lügen
       besser.
       
 (DIR) Gespannte Lage in Pakistan: Tod bin Ladens schürt Angst vor Rache
       
       Bislang kämpfen etwa zehn Prozent der Taliban gegen Pakistan. Das könnte
       sich jetzt, nach Osama bin Ladens Tod, gravierend ändern.
       
 (DIR) Verschwörungstheorien in US-Blogs: Bin Laden ganz lebendig
       
       Auf die Nachricht über bin Ladens Tod folgt der Neidreflex der US-Rechten -
       sie gönnen Obama den Triumph nicht. Verschwörungstheorien sind populär.
       
 (DIR) Osama bin Ladens Heimat: Vom Fluch befreit
       
       In bin Ladens ursprünglichem Heimatland Saudi-Arabien herrscht
       Erleichterung über seinen Tod. Al-Qaida ist dort kaum existent – im Jemen
       dafür umso mehr.
       
 (DIR) Tötung Osama bin Ladens und Völkerrecht: Der Tod ist immer eingeplant
       
       Deckt das Vökerrecht die Tötung bin Ladens? Die USA verstießen oft gegen
       Rechtsnormen. Barack Obama sollte alle Fakten offenlegen.
       
 (DIR) Kommentar Zweifel an bin Ladens Tod: Das Bild des toten Feindes
       
       Die Informationspolitik der USA nach dem Tod bin Ladens ist undurchsichtig.
       Dass sie seine Leiche nicht zeigen, macht es Skeptikern an seinem Tod
       einfach.
       
 (DIR) Tötung Osama bin Ladens: Was die Pakistaner wussten
       
       In den USA wachsen die Zweifel an der Verlässlichkeit des ungeliebten
       Partners. Unklar bleibt auch, ob pakistanische Stellen über die Operation
       informiert wurden.