# taz.de -- Humanitäre Hilfe in Afghanistan: Streit um deutsches Krankenhaus
       
       > Ein bewährtes Projekt in Afghanistan erhält künftig keine Bundesmittel
       > mehr. Anscheinend sollen auch humanitäre Projekte an die Afghanen
       > übergeben werden.
       
 (IMG) Bild: Karla Schefter (Mitte) vor dem Krankenhaus Chak in der afghanischen Provinz Wardak.
       
       KABUL taz | Südlich von Kabul wird je nach Provinz mehr oder weniger Krieg
       geführt. Die Bundeswehr ist hier nicht vertreten. Vereinzelt gibt es aber
       noch deutsche Hilfsprojekte. Eines - das Krankenhaus in Chak in der Provinz
       Wardak - leitet Karla Schefter. Vor 22 Jahren, als die Sowjets vom
       Hindukusch abzogen, baute die heute 69-Jährige das Hospital auf. Es
       fungiert als regionales Impfzentrum und hat pro Monat mehr als 8.000
       Patienten, Tendenz steigend, sagt die Wahldortmunderin. Eigentlich ein
       Grund zur Zufriedenheit.
       
       Jetzt aber gibt es ausgerechnet Streit mit der Bundesregierung. Diese lehnt
       die Fortführung ihrer Hilfe für das Hospital ab, mit der zuletzt
       Medikamente und Material bezahlt wurden. Das Krankenhaus hat dagegen
       Mehrkosten wegen der steigenden Patientenzahl. Bundestagsabgeordnete
       verweisen in einem Brief an das Auswärtige Amt auf Versorgungsengpässe. Das
       Ausbleiben der Förderung werde "das Aufrechterhalten der Arbeit im
       Krankenhaus erheblich erschweren". Den Großteil seiner Mittel bezieht das
       Hospital unverändert aus privaten Spenden.
       
       Das Krankenhaus Chak-e-Wardak, drei Autostunden südwestlich von Kabul, ist
       das einzige in dem Einzugsgebiet, so groß wie ein kleines Bundesland. Weil
       es in der umkämpften Provinz an medizinischer Versorgung fehlt, nehmen
       Familien für eine Entbindung oder eine Operation manchmal mehrtägige
       Fußmärsche oder Ritte auf dem Esel in Kauf. "Das Krankenhaus ist die
       einzige Anlaufstelle insbesondere für Frauen und Kinder in der Region",
       sagt Mahmood Khoram vom UN-Flüchtlingshilfswerk in Kabul. Aus Sicherheits-
       und Kostengründen könnten die meisten Patienten nicht zur Behandlung nach
       Kabul reisen.
       
       ## Anerkennung über politische Grenzen hinweg
       
       Schefter brachte das Hospital nach dem Abzug der Roten Armee 1989 durch
       vier Regimewechsel. Im In- und Ausland genießt es über politische Grenzen
       hinweg Anerkennung. Doch die Bundesregierung will humanitäre Projekte
       ähnlich wie den Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte zunehmend in
       afghanische Verantwortung übergeben. "Der Schwerpunkt des Engagements liegt
       im Norden des Landes", sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Dort ist
       auch die Bundeswehr aktiv. Teilförderungen in anderen Regionen entfallen
       immer öfter.
       
       Schefter, für ihr Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet,
       kann den Appell des Auswärtigen Amtes zu mehr "Hilfe zur Selbsthilfe" nicht
       nachvollziehen: "So etwas ist vom grünen Tisch aus entschieden." In Chak
       gebe es nicht nur vorsorgende Gesundheitserziehung für Patienten, sondern
       auch Fortbildungen für medizinisches Personal und Hebammen. Alle 70
       Mitarbeiter seien Afghanen. Eine Übergabe des Hospitals in afghanische
       Hände hält sie zum jetzigen Zeitpunkt für nicht verantwortbar: Es sei ein
       Trugschluss, zu glauben, dass dies funktioniere. "Im Gegenteil: Es würde
       höchstwahrscheinlich zu Betrug führen, weil die verantwortlichen
       afghanischen Ministerien korrupt sind."
       
       Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Graf, die das Krankenhaus zu
       Talibanzeiten besucht hat, hält die Notwendigkeit der Übergabe für
       vorgeschoben. Das Krankenhaus sei jetzt in kompetenten Händen, was nach
       einer baldigen Übergabe wegen zu erwartender Korruption nicht gewährleistet
       sei. "Es könnten dann Dinge passieren, die dem Krankenhaus Schaden
       zufügen."
       
       Der Streit, bei dem das Auswärtige Amt auch haushaltsrechtliche Gründe
       nennt, geht um 50.000 Euro. Gemessen an vielen millionenschweren
       Hilfsprojekten ein sehr geringer Betrag. Das Geld könnte laut Schefter ein
       18-köpfiges Ärzteteam ein Jahr lang finanzieren.
       
       6 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Gerner
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Angriff auf Bundeswehr in Afghanistan: Soldaten haben geschossen
       
       Bei der Demonstration gegen die Bundeswehr in Afghanistan, bei der 12
       Zivilisten getötet worden sind, haben die deutschen Soldaten geschossen. Um
       sich selbst zu verteidigen, sagen sie.
       
 (DIR) Beziehung zwischen al-Qaida und Taliban: Keine Bin-Laden-Fans
       
       Die Beziehungen zwischen al-Qaida und den Taliban werden überbewertet.
       Deshalb könnte der Tod bin Ladens politischen Spielraum öffnen – wenn die
       USA mitspielen.
       
 (DIR) Regierung in Afghanistan: Hochzeit mit Scharia
       
       Kurze Kleider, tiefe Ausschnitte sollen bei Hochzeiten in Afghanistan bald
       passé sein. Auch teure Feiern mit gemischten Gesellschaften will die
       Regierung verhindern.
       
 (DIR) Anschlag in Afghanistan: Acht Nato-Soldaten getötet
       
       Die Nato verzeichnet in Afghanistan weitere Verluste. Verteidigungsminister
       Thomas de Maizière warnt davor, die Lage im Land könne sich deutlich
       verschärfen.
       
 (DIR) Gewalt in Afghanistan: UN-Mitarbeiter ermordet
       
       Bei dem gewaltsamen Protest gegen eine Koran-Verbrennung in den USA sterben
       in Masar-i-Sharif bis zu zehn UN-Mitarbeiter und mehrere Demonstranten.