# taz.de -- Jens Böhrnsen über die Bürgerschaftswahl: "Es gibt eine Perspektive für Bremen"
       
       > Dass Opposition und Debatten im Bremer Wahlkampf so schwach bleiben,
       > wertet der Bürgermeister als Ausdruck einer erfolgreichen rot-grünen
       > Legislatur: Die habe dem Stadtstaat schließlich einen Ausweg aus der
       > Notlage eröffnet.
       
 (IMG) Bild: Jens Böhrnsen: "Unsichtbar wird das Sparen nicht sein."
       
       taz: Herr Böhrnsen, machen Sie sich Sorgen um die Opposition? 
       
       Jens Böhrnsen: Müsste ich das?
       
       Na, der Wahlkampf ist zumindest sehr streitfrei… 
       
       Augenscheinlich bietet die Koalition keine großen Angriffsflächen, sondern
       macht Politik, die breite Zustimmung in der Stadt findet. Von daher ist es
       fast verständlich, dass der Opposition die Wahlkampfthemen fehlen.
       
       Aber ohne polarisierende Debatte sinkt die Wahlbeteiligung. Stört Sie das
       nicht? 
       
       Ich gehe davon aus, dass eine Politik, die in den letzten vier Jahren
       überzeugt hat, Menschen auch bewegt, zur Wahl zu gehen. Außerdem setze ich
       darauf, dass unser neues Wahlrecht auch Leute anspricht.
       
       Das gilt doch als so kompliziert! 
       
       Das ist eine Mär. Es wird jedem gelingen, fünf Kreuze zu machen. Viele
       machen ohne Probleme Woche für Woche sogar sechs Kreuze auf dem
       Lottoschein. Unsere Aufgabe bis zur Wahl ist es, den Verdacht, das
       Wahlrecht sei kompliziert, zu zerstreuen - und den Leuten nahe zu bringen,
       dass es eine Chance ist.
       
       Und die fehlende Polarisierung wäre kein Ausdruck der Resignation vorm
       Schuldenberg? 
       
       Das wäre ja nur ein Thema. Aber gerade bei Landtagswahlen polarisiert doch
       oft die Schulpolitik. In Bremen haben wir da von der CDU bislang nur den
       Knüller vernommen, wieder Samstags-Unterricht zu erteilen. Mehr nicht.
       
       Doch, den Vorschlag eines bundesweiten Zentralabiturs…! 
       
       Ach ja. Auch so ein Aufregerthema. Und so bremenspezifisch! Nein, dass
       Bildungspolitik in diesem Wahlkampf keine Rolle spielt, zeigt, dass wir
       hier eine erfolgreiche Schulreform hinbekommen haben. Und was das andere
       Thema angeht…
       
       …die Finanzen? 
       
       Ja. Da haben wir uns, also rot und grün, Karoline Linnert und ich, in gutem
       Zusammenwirken mit Bund und Ländern auf einen Weg verständigt. Der besteht
       aus der Eigenanstrengung, das Finanzierungsdefizit zu verringern, aus dem
       Einsatz für einen gerechteren Finanzausgleich...
       
       …und aus 300 Millionen Euro jährlichen Konsolidierungshilfen: Manche sagen,
       da hätte Bremen zu wenig gefordert. 
       
       Ja, das wird gesagt. Aber in der Föderalismus-Kommission saßen tatsächlich
       nicht nur Leute, die meinten, Bremen müsse nur seine Forderungen beziffern,
       damit sie uns das Geld überweisen dürfen. Man sollte nicht vergessen: Wir
       bekommen nicht zum ersten Mal Hilfe. Und es war alles andere als
       selbstverständlich, dass Bremen von Bund und Ländern weiter unterstützt
       wird. Das waren schwere Verhandlungen. Und wenn man aus denen mit neun mal
       300 Millionen, also insgesamt 2,7 Milliarden herauskommt, und damit an der
       Spitze der Konsolidierungs-Länder steht, dann ist das ein Erfolg.
       
       Der auch Neid weckt? 
       
       Ich sage lieber: Das wird außerhalb von Bremen überall als Erfolg Bremens
       angesehen.
       
       Aber wenn das Land in Karlsruhe mehr erstritten hätte…? 
       
       Ich weiß, es gibt im Wahlkampf Traumtänzer, die sagen: Geht zum
       Bundesverfassungsgericht, holt euch da 4,5 Milliarden ab - und gebt das
       Geld schon mal im Voraus aus. Das erinnert mich sehr an Zeiten, wo wir auf
       einen Kanzlerbrief gesetzt hatten…
       
       … ein vermeintliches Versprechen weiterer Beihilfen. 
       
       Der Kanzlerbrief ist zu einem werthaltigen Papier gemacht worden, ohne es
       zu sein.
       
       Sie kannten den damals als Chef der SPD-Fraktion nicht? 
       
       Natürlich kannte ich den Kanzlerbrief. Aber es war ein CDU-Finanzsenator,
       der ihn mit einem Wert von 500 Millionen Euro als Einnahmeposition in den
       Haushalt eingetragen hat.
       
       Sie waren zum Schluss sogar Bürgermeister des Kanzlerbrief-Senats! 
       
       Als ich ins Amt des Bürgermeisters kam, war die Kanzlerbrief-Frage längst
       erledigt, die Sanierungshilfe ausgelaufen, und Bremen finanzpolitisch ohne
       Ausweg. Heute können wir sagen: Es gibt eine Perspektive für Bremen. Und
       die ist real - nichts, was am Ende nicht eingelöst würde. Die Perspektive
       steht im Grundgesetz. Da steht ein konkreter Anspruch für Bremen. So etwas
       gab es noch nie. Das darf man nicht gering schätzen.
       
       Die Perspektive hat aber heikle Bedingungen… 
       
       Es gibt die klare Erwartung an uns, das Geld nicht einfach auszugeben,
       sondern es zur Reduzierung unseres Finanzierungsdefizits zu verwenden.
       
       Was in der Stadt Sorgen bereitet: Wenn Sie ein Sparen versprechen, das die
       BürgerInnen nicht merken, und gleichzeitig den Wegfall von 950 Stellen
       ankündigen, fragt sich jeder: Wie soll denn das gehen? 
       
       Wir wollen eine Politik mit sozialen Schwerpunkten. Das bedeutet, in
       manchen Feldern weniger, in anderen mehr auszugeben, etwa beim Schutz
       unserer Kinder: Fürs Kindeswohl haben wir 2006 insgesamt 70 Millionen
       ausgegeben, jetzt sind es 140 Millionen. Das ist kein zusätzliches Geld.
       Das haben wir regelrecht zusammengekratzt.
       
       Ja, aber wie? 
       
       Dort, wo unmittelbar die BürgerInnen mit ihren berechtigten Erwartungen an
       staatliche Leistungen berührt sind, muss man diese aufrechterhalten.
       Stattdessen haben wir uns in den senatorischen Behörden Sparquoten von fünf
       Prozent auferlegt: Wir müssen die innere Organisation des Staates so
       verändern, dass sie kostengünstiger funktioniert.
       
       Aber die Schlaglöcher auf den Straßen spürt man doch? 
       
       Unsichtbar wird das Sparen nicht sein. Unsere Sparanstrengungen dürfen aber
       nicht soziale Strukturen der Städte, nicht die Entwicklungschancen von
       Kindern und Jugendlichen tangieren. Ich kann doch denen nicht sagen: Im
       Moment haben wir für eure Chancen kein Geld, aber tröstet euch, bei der
       nächsten Generation siehts wieder besser aus. Das geht nicht.
       
       13 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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