# taz.de -- Vorwürfe gegen Strauss-Kahn: Spekulationen über Sex-Falle
       
       > Während Strauss-Kahn in Haft bleibt, debattiert Frankreich die
       > angeblichen Übergriffe des IWF-Chefs. Auch seine konservativen Gegner
       > bestehen auf der Unschuldsvermutung.
       
 (IMG) Bild: "Das brutale Ende" – die französischen Medien überschlagen sich im Fall Strauss-Kahn.
       
       PARIS taz | Das Bild von IWF-Generaldirektor Dominique Strauss-Kahn, der
       mit übermüdetem Gesicht und ungekämmt mit Handschellen auf dem Rücken
       gefesselt von zwei Polizeibeamten in ein Gerichtsgebäude von New York
       geführt wird, hat Frankreich schockiert.
       
       Den derart wegen angeblichen Sexualdelikten abgeführten Mann hatte bisher
       die Hälfte der Wähler laut Umfragen vertrauensvoll als den nächsten
       Staatspräsidenten ihrer Republik betrachtet. Nicht nur für den von ihm
       bisher erfolgreich geführten Internationalen Währungsfonds, auch für die
       französische Politik sind die Folgen unabsehbar. Wie Le Monde sprachen
       gestern viele Zeitungen von einem "Erdbeben".
       
       Strauss-Kahns politische Freunde erwachten gestern wie in einem Albtraum.
       Der Sozialist Manuel Valls gestand gestern am Fernsehen, er habe Tränen in
       den Augen gehabt, als er diese Bilder seines Freundes DSK gesehen habe. Er
       mahnt zu Vorsicht, da man bisher nur eine Version kenne, nämlich die der
       Anklage. Zutiefst betroffen reagierte auch die sozialistische Parteichefin
       Martine Aubry, die Besonnenheit und vor allem zu Vorsicht vor
       Vorverurteilungen aufrief.
       
       ## Bloß keinen falschen Eindruck hinterlassen
       
       Ihr Parteikollege, der Bürgermeister Gérard Collomb, meinte: "Diese
       Anschuldigungen, die DSK zurückweist, erscheinen mir so irreal, dass ich
       zuerst mehr darüber wissen will. Wie jedermann hat er ein Recht auf die
       Unschuldsvermutung." Dieser Punkt ist der kleinste gemeinsame Nenner in
       allen Stellungnahmen von links und rechts. Der Staatspräsident Nicolas
       Sarkozy hat persönlich seine Minister angewiesen, in der gegenwärtigen Lage
       extrem vorsichtig und diskret zu bleiben.
       
       Es soll ja nicht der Eindruck entstehen, dass er oder die konservative
       Rechte von dieser Affäre des linken Spitzenpolitikers, der als Sarkozys
       gefährlichster Gegner bei den Präsidentschaftswahlen galt, irgendwie
       profitieren wolle.
       
       Dennoch sind sich die meisten, ungeachtet ihrer politischen Sympathien,
       einig, dass Strauss-Kahn voraussichtlich zumindest für diese Wahlen von
       2012, wenn nicht sogar definitiv politisch erledigt sei. Die Führung der
       Sozialistischen Partei (PS) organisiert morgen eine Krisensitzung. Der
       Parteisprecher Benoît Hamon, der zunächst stammelte, diese Situation raube
       ihm die Worte, kündigte später an, der Zeitplan für die Nominierung des
       sozialistischen Kandidaten der Präsidentschaftswahlen bleibe unverändert:
       Bis zum 13. Juli müssten die Bewerbungen eingereicht sein und die Wahlen
       fänden am 9. und 16. Oktober statt.
       
       Damit steht so gut wie fest, dass DSK, gegen den ein Prozess
       voraussichtlich erst in vier bis sechs Monaten organisiert wird, auch in
       der Hoffnung auf einen Freispruch und eine Rehabilitierung für die Wahlen
       passen muss.
       
       ## "Ja, ich liebe die Frauen. Et alors?"
       
       Einer seiner Vertrauten, Jean-Christophe Cambadélis, sagte, er sei "kein
       Anhänger von Verschwörungstheorien", aber er wolle doch darauf hinweisen,
       man habe DSK "einen Atomkrieg angedroht, sobald er die ersten Schritte als
       Präsidentschaftskandidat mache". Strauss-Kahn selber hatte bei einem
       Treffen mit Journalisten der Zeitung Libération Ende April geahnt, dass man
       ihn auf drei Angriffsflächen attackieren werde: weil er Jude und weil seine
       Frau sehr reich sei und wegen Frauengeschichten. "Ja, ich liebe die Frauen.
       Et alors? Seit Jahren droht man, Fotos von Riesenorgien zu publizieren, wo
       sind sie?"
       
       Er habe auch erwähnt, wie er am Rande einer internationalen Konferenz
       Sarkozy in einer Toilette getroffen und ihn aufgefordert habe, ihn
       gefälligst nicht wegen seines Privatlebens zu beschmutzen. Höchst
       erstaunlich tönt es heute, dass sich DSK danach vor diesen Journalisten
       sogar ein mögliches Komplott gegen ihn ausmalte: "Eine Frau, die für
       500.000 oder eine Million Euro eine Geschichte erfindet und sagt, ich hätte
       sie in einer Parkgarage vergewaltigt."
       
       Gewisse Psychiater stellen in französischen Medien dagegen die mögliche
       Diagnose, dass es sich um den pathologischen Fall eines Kranken handle, der
       - wissend, dass er sich nicht kontrollieren könne - praktisch einen
       politischen Selbstmord begangen habe. Seit der Verhaftung zirkulieren die
       wildesten Spekulationen. Auch die frühere konservative Familienministerin
       Christine Boutin argwöhnt: "Ich glaube, dass man ihm eine Falle gestellt
       hat, und er ist darauf reingefallen." Das bleibt zu beweisen.
       
       16 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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