# taz.de -- TAZ-SERIE HAMSTERTOUREN MIT DEM RAD (5): "Pilzzucht ist komplex"
       
       > Berliner suchen Natur - Brandenburg hat davon reichlich. Die taz fährt
       > mit dem Rad zu den besten Plätzen. Teil 5: Der Pilzhof von Herrn Schulz.
       
 (IMG) Bild: Herr Schulz mit seinen Pilzen
       
       Der gepflasterte Hof von Dr. Roland Schulz in Krummensee wirkt einladend
       und gemütlich. Im denkmalgeschützten Kuhstall aus Feldsteinen lässt der
       Mikrobiologe Pilze wachsen. Gegenüber befindet sich sein Hofladen. Jeden
       Samstag gibt es Pilzpfanne und Bier vom Fass, was besonders bei Radfahrern
       beliebt ist. 
       
       "Von allen Pilzen bevorzuge ich den Austernseitling. Wir züchten den auf
       Holz, nicht auf Stroh. Das macht ihn fest, würzig, fast scharf. Danach
       kommt für mich der Kräuterseitling. Der schmeckt fast wie Putenfleisch, da
       denkt man gar nicht, dass das ein Pilz ist. Bei der Kundschaft steht der
       Shii-take an erster Stelle. Die meisten essen Pilze, weil es schmeckt oder
       schick ist.
       
       Aber an das Kulinarische habe ich nicht zuerst gedacht, als ich mit der
       Pilzzucht gestartet bin. Ich habe ursprünglich einmal
       Lebensmitteltechnologie studiert und dann in verschiedenen
       mikrobiologischen Labors und Instituten gearbeitet. Aber dann wollte ich
       selber was aufziehen, eine eigene Firma haben. Mein Ziel war, etwas zu
       machen, das noch keiner macht, nämlich Pilze züchten für Heilzwecke. Der
       medizinische Nutzen von Pilzen ist noch viel zu wenig bekannt.
       
       Der Shii-take etwa enthält viel Vitamin D. Das kommt sonst fast nur im
       Tierreich vor. Wer älter ist oder Vegetarier, hat meist einen
       Vitamin-D-Mangel. Ich meine, es ist doch eine tolle Sache, wenn man seinen
       Vitamin-D-Bedarf auf diese Weise decken kann. Oder nehmen Sie den Ling Zhi,
       ein Pilz, der das Immunsystem stärkt und das Krebsrisiko senken kann. In
       der chinesischen Volksmedizin heißt er auch "Pflanze der Unsterblichkeit".
       Den züchten wir gar nicht als Speisepilz, sondern nur zu pharmazeutischen
       Zwecken. Etwa die Hälfte meiner Produktion verarbeite ich weiter zu
       sogenannten Nahrungsergänzungsmitteln, das sind die Wirkstoffe konzentriert
       in Kapseln.
       
       So eine Pilzzucht ist eine komplexe Angelegenheit. Ich brauche dazu ein
       mikrobiologisches Labor. Darin bin ich so etwas wie der Heiratsvermittler.
       Ich muss männliche und weibliche Sporen zusammenbringen. Wenn ein Myzel
       nicht den genetischen Satz von männlich und weiblich vereint hat, ist es
       zwar vermehrungsfähig und kann munter wachsen, aber es bildet keine
       Fruchtkörper aus, das heißt, ich könnte nie etwas ernten.
       
       Das Myzel trage ich dann auf ein Substrat auf. Bei mir sind das
       Buchenholzspäne, die noch eine Getreide- und Nährwertkomponente haben.
       Pilze brauchen immer ein optimales Milieu, auch bei den
       Wachstumsbedingungen. Ich habe abgeschlossene Kammern, das sind
       klimatisierte, beleuchtete Räume. Je nach Pilzsorte ist es wärmer oder
       kälter, das Licht wird im Rhythmus an- und ausgeknipst, das erhöht die
       Wachstumsgeschwindigkeit enorm. Bei Austernpilzen dauert es ungefähr zwei
       Monate, bis ich Pilze ernten kann. Bei Shii-take sind es drei bis vier
       Monate. Dann haben wir noch Sorten, da dauert es bis zu sechs Monaten.
       
       Wenn wir ernten, ist das Holz komplett verbraucht. Pilze haben ja Enzyme,
       die Holz zersetzen. Diese Enzyme kann man aus dem abgeernteten Substrat
       gewinnen und anderswo einsetzen. In der Lebensmittel- oder
       Abwassertechnologie etwa. Zurzeit bin ich bei einem nationalen
       Forschungsprojekt dabei, da werden solche Enzyme Biogasanlagen beigesetzt
       und bewirken dort eine bis zu zehnprozentige Erhöhung der
       Methangasproduktion. Es gibt so viele Möglichkeiten, und viele Dinge sind
       noch völlig ununtersucht. Wenn Sie mich fragen: Pilze werden viel zu wenig
       gewürdigt."
       
       19 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kerstin Schweizer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Crowdfunding
       
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