# taz.de -- Kommentar Proteste in Spanien: Endlich Luft
       
       > Dank der Proteste der Jugend wird in Spanien wieder über Politik geredet.
       > Verbote von Demonstrationen werden da gar nichts nützen.
       
       Es ist, als wäre eine tonnenschwere Steinplatte von Spanien genommen
       worden. Noch vor einer Woche sprach niemand über Politik, nicht einmal die
       Politiker. Die beiden großen Parteien machten sich im Wahlkampf absurde
       Vorwürfe und redeten über alles, nur nicht über das, was die Menschen
       bewegt: die hohe Arbeitslosigkeit, den Abbau des Sozialstaates bei
       gleichzeitiger Unterstützung der Banken.
       
       Der sozialistische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero ging in
       seinem Zynismus so weit, all diejenigen als "üble Lügner" zu beschimpfen,
       die ihm Sozialkürzungen vorwarfen. Siegesgewiss gab sich die konservative
       Opposition. Die Kommunal- und Regionalwahlen am kommenden Sonntag seien der
       Anfang einer Wende. Wohin, darüber schweigt sich Spaniens Rechte aus. Dass
       es nicht besser wird, weiß jeder. Die Spanier schienen sich damit
       abgefunden zu haben.
       
       Das suggerierten zumindest die glücklichen Wähler beider Seiten, die im
       Fernsehen gezeigt wurden. Jetzt schauen die Menschen auf ganz andere
       Bilder. Dank der Bewegung der "Empörten", wie sich die Jugendlichen nennen,
       die in den meisten großen Städten Plätze besetzt haben, wird wieder über
       Politik geredet, aber nicht über Politiker. Die sind in den Umfragewerten
       am Tiefpunkt ihrer Glaubwürdigkeit angelangt.
       
       Wer glaubt, die Versammelten mit einem Verbot und der Androhung eines
       Polizeieinsatzes einschüchtern zu können, irrt. Nach der Räumung von ein
       paar hundert Protestierenden in Madrid Montagnacht kamen 10.000. Nach dem
       ersten Verbot durch die regionale Wahlkommission 15.000, in Erwartung des
       Spruchs der nationalen Wahlkommission 20.000. Die breite Unzufriedenheit
       über die Art der Krisenbewältigung, die Korruption und das Wahlsystem hat
       ein Ventil gefunden. Ohne tiefgreifende Veränderungen wird Spaniens
       politisches System weiter in Misskredit geraten.
       
       20 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Proteste in Spanien: Viva la APO!
       
       Spanien erlebt den Beginn einer massiven außerparlamentarischen Opposition
       gegen ein in Misskredit geratenes System. Und die Gefahr einer europaweiten
       Ansteckung ist groß.
       
 (DIR) Proteste in Spanien: Der stumme Schrei eines Landes
       
       "Echte Demokratie jetzt!": Den Versammlungsverboten zum Trotz sind in
       Spaniens Städten erneut zehntausende Menschen zusammengekommen.
       
 (DIR) Protestbewegung in Spanien: "Sie kriegen uns nicht weg"
       
       Die Wahlkommission hat alle Kundgebungen an diesem Wochenende verboten.
       Trotzdem wachsen in Madrid und vielen anderen Städten die Protestcamps
       weiter an.
       
 (DIR) Jugendproteste in Spanien: #yeswecamp!
       
       Die Proteste in Spanien haben, wie in Tunesien und Ägypten, im Netz
       begonnen. Die Wut über die Korruption fand ihr Ventil über Twitter,
       Facebook und Youtube.
       
 (DIR) Demonstrationen in Spanien: Protestcamps in fast jeder Stadt
       
       Trotz des Verbots der Wahlaufsicht gehen wieder zehntausende Spanier gegen
       die Regierung auf die Straße. Medien lancieren Verschwörungstheorien.