# taz.de -- Schulstress für Knirpse: Ehrenrunde in der Vorschule
       
       > Kita-Leitungen berichten von Kindern, die schon mit vier Jahren in die
       > Vorschule kommen. In manchen Fällen bleiben sie dort sitzen. Schulbehörde
       > zählt das nicht nach.
       
 (IMG) Bild: Vorschule kann Spaß machen - aber einmal reicht.
       
       Hamburgs Vorschulen verzeichnen in diesem Jahr mit über 8.000 Kindern einen
       Anmelderekord. Kita-Leitungen sind besorgt, weil darunter immer häufiger
       auch Vierjährige seien. Normalerweise kommen Kinder mit fünf Jahren in die
       Vorschule und mit sechs Jahren in die 1. Klasse. Oder sie bleiben bis zur
       Einschulung in der Kita. Doch es gibt auch die Möglichkeit, sogenannte
       "Kann-Kinder" in die Vorschule aufzunehmen. Sie können als Vierjährige
       aufgenommen werden, sofern sie bis zum 1. Januar des Folgejahres ihren
       fünften Geburtstag haben.
       
       "Der Druck auf die Eltern, ihre Kinder in die Vorschule zu geben, ist
       groß", berichtet Angela Jänke, Leiterin der Türkisch-Deutschen Kita in
       Altona-Nord. Vorschularbeit gibt es auch in der Kita und in Jänkes Haus
       auch umfassende Sprachförderung. "Aber es reicht, einen ausländischen Namen
       zu haben, dann wird von den Schulen viel unternommen", berichtet die
       Pädagogin.
       
       Spätestens mit viereinhalb Jahren werden alle Kinder in einer Schule auf
       ihre Sprachfähigkeit getestet. Eltern, die kaum Deutsch können, würden dort
       angehalten, einen Vertrag zu unterschreiben, dass sie ihr Kind zum August
       in die Vorschule geben. Jänke: "Erlaubt, den Vertrag erst mal mit nach
       Hause zu nehmen, wird den Eltern nicht." Neuerdings gebe es sogar
       Hausbesuche von Lehrern. In einem Fall sei sogar mit der Polizei gedroht
       worden.
       
       Auch der taz liegt das Einladungsschreiben einer Wandsbeker Grundschule vor
       - an Eltern eines Kindes, das erst Ende November fünf wird. Es könne
       "vorzeitig" in die Vorschulklasse, weil "noch eine geringe Anzahl von
       Plätzen zu Verfügung" stehe. Die Eltern werden aufgefordert, sich "auf
       jeden Fall" zu melden.
       
       In der Türkisch-Deutschen Kita kommen im August zehn von 40 Kindern in die
       Vorschule. "Vier oder fünf von ihnen sind dann noch vier", berichtet Jänke.
       Das Problem sei, dass die Kinder nicht automatisch nach einem Jahr als
       schulreif gelten und in die erste Klasse kommen. "Ein Rektor sagte im
       Gespräch: Ist doch nicht so schlimm. Machen sie eben zwei Jahre Vorschule",
       berichtet Jänke. Sie habe das zunächst für einen schlechten Scherz
       gehalten.
       
       Doch auch andere Kita-Leitungen berichten von dem Phänomen. Es tue ihr weh,
       wenn sie höre, ein Kind müsse die Vorschule zwei Mal machen, sagt Annegret
       Beeken, Leiterin der Kita "Kindervilla" im Altonaer August-Lütgens-Park.
       "Wenn alle anderen eingeschult werden, nur man selber nicht, das geht den
       Kindern an die Ehre."
       
       Sie kenne etwa ein halbes Dutzend Fälle von Kindern, die in der Vorschule
       sitzenblieben. Einmal habe es sogar nacheinander zwei Brüder getroffen, die
       noch vier waren, als sie die Kita verließen. Die Eltern seien beeindruckt
       von dem, was die Schule sagt. Manche guckten dabei auch auf die Kosten. Die
       Vorschule war für Kann-Kinder gratis, während in der Kita noch Gebühren
       anfielen. Dies ändert sich erst zum August.
       
       Dass Kinder die Vorschule zwei Jahre besuchen "kann und soll nicht sein",
       sagt Schulsenator Ties Rabe (SPD). Eine Rückstellung dürfe es "nur in sehr
       begründeten Ausnahmefällen geben". Doch darüber, wie viele Kinder noch mit
       vier in die Vorschule kommen und wie viele diese wiederholen, führt die
       Behörde nicht Buch. "Das wird nicht zentral erfasst", sagt Rabes Sprecher
       Peter Albrecht.
       
       Der Alternative Wohlfahrtsverband Soal ist besorgt über die Entwicklung.
       "Den Eltern wird auch gesagt, dass sie eher einen Schulplatz kriegen, wenn
       ihr Kind in die Vorschule geht", berichtet Geschäftsführerin Sabine
       Kümmerle. Sie spricht von einer aktiven Abwerbung von Kita-Kindern, die zu
       einer "Abschaffung des letzten Kita-Jahres durch die Hintertür" führe.
       
       Hamburgs Vorschulpolitik blende aus, dass es auch in Kitas eine
       "hervorragende Bildungsarbeit" gebe. Durch diese "klare Zentrierung auf das
       System Schule" werde die pädagogische Arbeit und die Existenz der Kitas
       gefährdet.
       
       25 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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