# taz.de -- Vor dem Champions-League-Finale: "Boah! Das ist mein Torwart!"
       
       > Víctor Valdés steht seit acht Jahren im Tor des FC Barcelona. Er hat
       > viele Gegner besiegt - und seine Angst. Am Samstag spielt er im Finale
       > der Champions League.
       
 (IMG) Bild: Sein Vorbild ist Oliver Kahn: Victor Valdés.
       
       Pep Guardiola jubelte scheinbar in die falsche Richtung. Im gegnerischen
       Strafraum feierten die Fußballer des FC Barcelona das entscheidende Tor
       gegen Real Madrid im Champions-League-Halbfinale, doch Barças Trainer
       Guardiola zeigte begeistert zum anderen Tor. Dort stand, einsam wie immer,
       wenn die eigene Elf ein Tor begeht, sein Torhüter Víctor Valdés. 100.000
       Fans hatten ein hinreißendes Tor von Flügelstürmer Pedro erlebt. Guardiola
       schrieb es seinem Torwart gut.
       
       Unter Druck hatte Valdés den Ball aus seinem Strafraum heraus, über Reals
       Xabi Alonso hinweg zu einem 20 Meter entfernten Mitspieler gespielt. Der
       Torwart hatte mit einem Traumpass den Spielzug gestartet, den Pedro vor dem
       anderen Tor vollendete. Schlagartig verstand jeder, warum es heißt, Torwart
       bei Barça sei ein spezieller Job.
       
       In der Elf des schwingenden Angriffsfußballs "gibt es Tage, da spiele ich
       mehr mit dem Fuß als mit der Hand", sagt Valdés. Nach Barças Offensivplan
       muss er weiter vor dem Tor als fast alle anderen Torhüter stehen, um mit
       gewagten Pässen das Pressing des Gegners zu durchbrechen sowie Konterbälle
       in den Rücken seiner Abwehr abzufangen. So weit vor dem Tor stehe ein
       Torwart oft "am Rande des Abgrunds", sagt er vor seinem dritten
       Champions-League-Finale in sechs Jahren mit dem FC Barcelona, am Samstag in
       Wembley gegen Manchester United.
       
       Seit acht Jahren ist Valdés Barças Nummer eins. Er nimmt auf einem Sofa in
       Barças Sportstadt Platz, und was irgendwann auffällt, ist der kleine Finger
       der linken Hand. Valdés kann ihn nicht mehr strecken und kaum noch beugen.
       Er hätte ihn schienen müssen, nachdem Sehnen und Kapseln gerissen waren. Er
       stabilisierte ihn aber nur mit Tapeverband. Ein Fußballprofi kennt keine
       Pause, so verkrüppelte der Finger. Torhüter arbeiten mit den Händen, aber
       sie brauchen nicht alle zehn Finger. Der Daumen sowie Zeige- und
       Mittelfinger sorgen für den Griff.
       
       ## Balljunge hinter Kahns Tor
       
       Valdés scheint erfreut über das Interview mit einem deutschen Reporter.
       Endlich kann er einmal seine Bewunderung für die deutsche Torwartschule
       mitteilen. Er war 14, als Bayern München 1996 im Uefa-Cup in Barcelona
       spielte. Er stand als Balljunge hinter Oliver Kahns Tor. "Ich sah seine
       Paraden, und es durchfuhr mich: 'Boah! Das ist mein Torwart!' Fortan war
       Kahn mein Idol." Er ignorierte, dass dem klassischen deutschen Torhüter wie
       Kahn genau jene Fähigkeiten fehlten, die es in Barças Tor braucht, etwa das
       vorausschauende Spiel. Wer ein Vorbild anbetet, lässt sich nicht von
       rationalen Argumenten stören. Und gerade in jungen Jahren half es Valdés,
       sich an Torwarthelden festzuhalten, damit er nicht am Torwartsein zerbrach.
       
       "Am Samstag ist wieder ein Spiel - der Gedanke war der Horror." Die Angst
       des Torwarts vor einem Fehler würgte ihn. Äußerlich wurde er der eiskalte
       Mann in schwarzer Lederjacke, die Haare galeerenkurz. So versuchte er, die
       Angst zu verstecken. Als er mit 28 in einem TV-Interview zum ersten Mal
       darüber reden wollte, benötigten sie drei Tage für das Interview. Er musste
       erst wieder lernen, sich zu öffnen.
       
       In einem Interview für die Robert-Enke-Biografie gelang das ganz gut.
       Valdés und der spätere deutsche Nationaltorwart stritten 2002 um Barças
       Nummer eins. Valdés fand, "Robert war besser als ich." Enke glaubte, "der
       Víctor kennt keine Selbstzweifel." So gut täuschten sie sich mit ihrer
       coolen Fassade gegenseitig. In Wahrheit durchlebte Enke damals seine erste
       klinische Depression. Wie oft dachte er sich, warum kann ich nicht so
       stoisch kühl wie Víctor sein. Von den Depressionen 2009 in den Tod
       getrieben, erfuhr er nie mehr, dass dieser Valdés wegen seiner Torwartangst
       eine Psychotherapie hinter sich hatte.
       
       "Mein Leben war so voller Druck, dass ich keine Ruhe fand", sagt Valdés.
       Die Therapie mit 18 half ihm, als Torwart weiter zu funktionieren. Befreit
       von der allgegenwärtigen Anspannung hat ihn erst das Älterwerden, die
       Geburt seines Sohnes Dylan, das Selbstvertrauen der Fußballerfolge. Heute,
       mit 29, versteckt er sich nicht mehr ständig in Lederjacken. Nur seine
       kleinen Marotten wird er nicht mehr los. So glaubt Víctor Valdés, er müsse
       auch morgen in Wembley auf jeden Fall das grüne oder schwarze, auf keinen
       Fall aber das graue Torwarttrikot tragen, wolle Barça gewinnen.
       
       27 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronald Reng
       
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