# taz.de -- MDR-Intendant Udo Reiter: Er war so hoch auf der Leiter
       
       > Vier Tage vor seinem Anstalts-Jubiläum: Intendant Udo Reiter verlässt
       > nach 20 Jahren den MDR - kurz vorm Prozessauftakt im Kika-Skandal.
       
 (IMG) Bild: Wann Reiter genau abtritt, ist noch offen.
       
       In der vergangenen Woche wurde die Jubelfeier zum 20. Sendergeburtstag
       abgesagt, jetzt wirft auch der Chef hin: MDR-Intendant Udo Reiter, so die
       offizielle Lesart, mag nicht mehr.
       
       Dass ein Intendant vier Tage vor seinem Anstalts-Jubiläum abtritt - der
       Staatsvertrag über den MDR wurde am 30. Mai 1991 unterzeichnet - ist
       ARD-weit einzigartig. Sein Vertrag läuft zwar noch bis 2015 - "doch nach
       gründlichem Nachdenken komme ich gleichwohl zu dem Ergebnis, dass ich von
       der Möglichkeit eines vorzeitigen Ausscheidens Gebrauch machen sollte. Ich
       wurde im März dieses Jahres 67 Jahre alt und lebe seit 45 Jahren im
       Rollstuhl. Das hat einige gesundheitliche Spruren hinterlassen", schrieb
       Reiter zur Begründung am Donnerstagnachmittag an die Mitglieder der
       Anstaltsgremien.
       
       Zwei Jahrzehnte an der Senderspitze - Reiter ist Gründungsintendant für die
       Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eingeführten MDR - seien "davon
       abgesehen ja auch genug". Der Rückzug falle ihm umso leichter, "als die
       großen Probleme der letzten Monate inzwischen weitgehend geklärt sind".
       
       Beziehungsweise: geklärt werden. Mehr als 8 Millionen Euro hat der
       Herstellungsleiter Marco K. beim Kinderkanal von ARD und ZDF über Jahre
       durch Scheinrechnungen abgezweigt und sich darüber hinaus noch schmieren
       lassen. Am 6. Juni beginnt in Saal 1405 des Erfurter Landgerichts der
       Prozess.
       
       Was an weiteren Details in den Verhandlungen ans Licht kommt, was die immer
       noch auf Hochtouren arbeitende interne Revision von MDR und ZDF seit ihrem
       ersten Zwischenbericht vom März noch herausbekommen hat, ist bislang zwar
       unbekannt. Aber ein Hauptverantwortlicher steht schon fest: der MDR, der
       federführend für den Kika zuständig ist und seine Kontrollpflichten
       dramatisch vernachlässigt hat.
       
       ## Übung im Aussitzen von Skandalen
       
       Das hatte Reiter auch schon vor Wochen eingeräumt, aber alles andere als
       den Anschein von Amtsmüdigkeit erweckt. Zumal mit MDR-Verwaltungsdirektor
       Holger Tanhäuser umgehend ein Bauernopfer in die Wüste geschickt worden
       war. Und Reiter im Aussitzen von Skandalen und Skandälchen gewisse Übung
       hat - von fragwürdigen Währungsspekulationen mit Gebührengeldern in den
       Anfangsjahren bis zum korrupten MDR-Sportchef Wilfried Mohren.
       
       Das Wording der offiziellen Erklärung habe niemanden überrascht, sagt denn
       auch ein Insider - "wohl aber, dass es überhaupt dazu gekommen ist".
       Seitdem wird in Erfurt, Leipzig und Dresden darüber spekuliert, was im
       Prozess bevorsteht. Noch vor drei Wochen hatte ein gut gelaunter Udo Reiter
       zum Abschluss des "Medientreffpunkt Mitteldeutschland" zum Thema "20 Jahre
       MDR - reif für die Zukunft" parliert. Und erzählt, wie er quasi vom Fleck
       weg bei seinem damaligen Arbeitgeber, dem BR, als Intendant für die noch
       aufzubauende neue ARD-Anstalt engagiert wurde. Alles schien unter
       Kontrolle, der Kika-Skandal war die gesamten drei Tage des
       "Medientreffpunkt" offiziell kein Thema.
       
       Wann Reiter genau abtritt, ist noch offen - den Termin wolle er "gerne von
       der Bestellung eines Nachfolgers abhängig machen", schrieb er an die
       Gremien. Offen bleibt auch, was Reiters Rückzug jetzt für die anderen vom
       Kika-Skandal betroffenen Senderfürsten bedeutet: Der ehemalige
       Kika-Programmgeschäftsführer Frank Beckmann, nominell direkter Vorgesetzter
       des umtriebigen Herstellungsleiters Mario K., ist heute Programmdirektor
       beim NDR-Fernsehen - und dem Noch-Intendanten wohl nicht mehr allzuherzlich
       verbunden. Schließlich hatte Reiter unverhohlen im Spiegel erklärt,
       Beckmann habe sich "gerade noch rechtzeitig" zum NDR geflüchtet, dabei sei
       der Löwenanteil der Summen zu Beckmanns Amtszeit abgezweigt worden.
       
       Darin sehen manche allerdings ein Ablenkungsmanöver: denn de facto war
       Marco K. die Nummer eins beim Kika, und der sein Programmgeschäftsführer
       Beckmann ein besserer Erfüllungsgehilfe wider Wissen. Marco K., berichten
       ehemalige Kika-Mitarbeiter, hatte einen mächtigen Beschützer an der
       MDR-Spitze, der bislang in Zusammenhang mit dem Kika-Skandal kaum erwähnt
       wurde: Fernsehdirektor Wolfgang Vietze, der K. schon seit den
       Übergangszeiten des ehemaligen DDR-Fernsehens ab 1989/1990 kennt. Vietze
       habe K. stets den Rücken gestärkt und jegliche Zweifel im Keim erstickt.
       
       "Niemand hat etwas gegen K. unternommen, weil er die direkte Standleitung
       zum Fernsehdirektor hatte", sagt ein Ex-Kika-Mann. Bislang kam Vietze mit
       einer "Ermahnung" davon - und zurückzutreten braucht er auch nicht mehr:
       Vietze geht zum 1. November in den Ruhestand.
       
       27 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
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