# taz.de -- Entscheidungen des Ärztetags: Mediziner für Embryonen-Gentests
       
       > Auf dem Ärztetag in Kiel stimmt eine Mehrheit der Mediziner dafür, die
       > Präimplantationsdiagnostik (PID) begrenzt zuzulassen. Auch bei der
       > Organspende gibt es einen Positionswechsel.
       
 (IMG) Bild: Labor des Zentrums für Reproduktionsmedizin in der Universitätsfrauenklinik in Leipzig.
       
       KIEL dapd | Gentests an Embryonen und eine erleichterte Organspende: Die
       Ärzteschaft hat in zentralen ethischen Fragen ihre Position korrigiert. So
       sprach sich am Mittwoch eine klare Mehrheit beim Deutschen Ärztetag in Kiel
       für eine begrenzte Zulassung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik
       (PID) aus, die die Mediziner 2002 noch abgelehnt hatten. Zudem wollen die
       Ärzte die Regeln zur Organentnahme bei Toten lockern, um Schwerkranken zu
       helfen. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe sprach von wichtigen
       Beschlüssen.
       
       Bei der Präimplantationsdiagnostik sei die Debatte länger und kontroverser
       ausgefallen als erwartet, sagte Hoppe. "Die Abstimmung war dann aber sehr
       klar." 204 Delegierte des Ärztetags stimmten für eine begrenzte Zulassung
       der PID, mit der Erbkrankheiten bei Embryonen aus künstlicher Befruchtung
       festgestellt werden können. 33 Delegierte stimmten dagegen und sechs
       enthielten sich.
       
       ## "PID in engen Grenzen"
       
       Im Beschluss heißt es: "Die ethische Abwägung spricht für eine Zulassung
       der PID in engen Grenzen und unter kontrollierten Voraussetzungen." Sie
       soll Paaren mit Risiken für bestimmte Krankheiten gewährt werden. Tests auf
       das Geschlecht eines Babys oder zur Begrenzung des Risikos bei älteren
       Eltern soll es nicht geben.
       
       In der Debatte hatten die PID-Gegner unter den rund 250 Delegierten
       kritisiert, dass mit solchen Tests kranke Embryonen ausgesondert und ihnen
       das Lebensrecht abgesprochen werde. Die Befürworter hielten dem entgegen,
       während der Schwangerschaft seien solche Tests bereits zulässig und es wäre
       widersprüchlich, sie bei befruchteten Eizellen in frühem Stadium von
       wenigen Zellen zu verbieten.
       
       Das letzte Wort hat demnächst der Bundestag, dem drei Gesetzentwürfe zur
       PID vorliegen - von der begrenzten Zulassung bis zum kompletten Verbot.
       Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Juli 2010, mit
       der die PID faktisch zugelassen wurde. Nun soll ein neuer gesetzlicher
       Rahmen geschaffen werden.
       
       ## "Modifizierte Widerspruchsregelung"
       
       Auch beim Transplantationsrecht wird im Bundestag eine Änderung erwogen -
       und der Ärztetag gab dafür eine Empfehlung ab: Toten sollen Organe
       entnommen werden dürfen, sofern nicht sie selbst zu Lebzeiten oder ihre
       Verwandten nach dem Tod widersprechen. Hoppe sagte, damit werde auch in
       Deutschland eine "modifizierte Widerspruchsregelung" zumindest diskutiert.
       
       Der Beschluss spricht vom "Modell einer Selbstbestimmungslösung mit
       Information und Erklärungspflicht". Demnach soll die Beratung über
       Organspende intensiviert werden. Möglichst jeder Volljährige soll sich
       erklären, ob er spenden will oder nicht. "Wird dieses Recht nicht zu
       Lebzeiten wahrgenommen und liegt somit keine Erklärung vor, können dem
       Verstorbenen unter Ermittlung des mutmaßlichen Willens durch Einbeziehung
       der Angehörigen Organe und/oder Gewebe entnommen werden", heißt es weiter.
       Derzeit gilt: Organe werden nur entnommen, wenn man zu Lebzeiten die
       Bereitschaft dafür zu erkennen gibt.
       
       Die Ärzte begründen die Änderung mit dem langen Warten von rund 12.000
       Schwerkranken auf Spenderorgane. Jeden Tag stürben drei von ihnen, weil
       ihnen nicht geholfen werden könne. "Wir wollen das Leid der Wartelisten
       stoppen", sagte Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer
       Westfalen-Lippe.
       
       Für Mittwochnachmittag hat sich der Ärztetag Beschlüsse zur Versorgung und
       Begleitung todkranker Menschen vorgenommen. Zur Debatte steht dabei auch
       eine Klarstellung im Standesrecht, wonach es Ärzten verboten bleibt,
       Sterbenskranken bei der Selbsttötung zu helfen. Umfragen hatten ergeben,
       dass knapp ein Drittel der Mediziner eine solche Möglichkeit befürworten
       würde. Hoppe hatte eine Lockerung der Regeln angedeutet, was unter den
       Medizinern für Diskussionen gesorgt hatte.
       
       1 Jun 2011
       
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