# taz.de -- Sozialgipfel in Berlin: Rezepte für die kränkelnde Stadt
       
       > Beim 3. Berliner Sozialgipfel führt das Podium Wahlkampf über Fragen von
       > Arbeit und sozialer Gerechtigkeit. Die Fronten sind vor allem beim Thema
       > ÖBS klar.
       
 (IMG) Bild: Auf dem Arbeitsmarkt geht einiges drunter und drüber.
       
       Der Zeitpunkt war perfekt: Erst am Dienstag hatte Bundesarbeitsministerin
       Ursula von der Leyen (CDU) einen "kerngesunden Arbeitsmarkt" präsentiert -
       kerngesund, nur nicht in Berlin. Während fast überall die Erwerbslosenzahl
       sinkt und im Süden Deutschlands schon von Vollbeschäftigung die Rede ist,
       verharrt die Hauptstadt mit 13,6 Prozent auf dem unrühmlichen Spitzenplatz.
       Vor diesem Hintergrund trafen sich am Mittwoch VertreterInnen von
       Sozialverbänden und Initiativen mit LandespolitikerInnen zum 3. Berliner
       Sozialgipfel. Im Ver.di-Haus an der Schillingbrücke geriet vor rund 200
       BesucherInnen die Frage nach Rezepten gegen Armut und Arbeitslosigkeit zum
       Wahlkampftestlauf.
       
       Es ist nicht nur die Arbeitslosenstatistik, die Berlins Sozialverbände
       beunruhigt. Bedenklich sei vor allem die Spaltung des Arbeitsmarkts, die
       sich "nirgendwo so krass wie in Berlin" vollziehe, sagte Lothar Bochat vom
       Vorstand des VdK-Landesverbands. Die Arbeitswelt zerfalle immer mehr in
       Vollzeit- und Teilzeitjobber, Leiharbeiter, gering Qualifizierte,
       Midijobber, Minijobber und - ganz unten in der Verdiensthierarchie - die
       "Aufstocker", die zusätzlich zum Verdienst Hartz IV beziehen, um über die
       Runden zu kommen.
       
       129.000 Berliner - 13,8 Prozent der Erwerbstätigen - seien Aufstocker, so
       Bochat, 35.000 von ihnen arbeiteten sogar in Vollzeit, ohne dass das Geld
       zum Leben reiche. Schuld sei die seit der Agenda 2010 fortdauernde
       Förderung des Niedriglohnbereichs. Für seinen Lösungsvorschlag erntet der
       VdK-Mann breite Zustimmung: Ein branchenübergreifender Mindestlohn von
       mindestens 8,50 Euro könne gerade in Berlin die Spirale aus hohen Ausgaben
       für Transferleistungen und sinkenden Steuereinnahmen durchbrechen.
       
       Das sieht Volker Thiel, der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion
       im Abgeordnetenhaus, ganz anders: Er bezeichnet Aufstocker lieber als
       "Bezieher ergänzender Leistungen" und das System dahinter als besonders
       sozial. Ein Mindestlohn produziere nur soziale Verwerfungen und vernichte
       Arbeitsplätze, die eben nicht produktiv genug für 8,50 Euro Stundenlohn
       seien. Vor allem aber konterkariere er die Tarifautonomie.
       
       Das andere Ende des politischen Spektrums markierte auf dem Podium Elke
       Breitenbach. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken erinnerte an
       eine Kernforderung ihrer Partei: "Wir wollen einen branchenübergreifenden
       Mindestlohn, und wir wollen ihn schon sehr lange." 8,50 Euro seien nur ein
       Anfang, zeitnah müssten es 10 Euro werden. Angesichts der schwachen
       Position der Gewerkschaften stärke dieses "Netz nach unten" sogar die
       Tarifautonomie. Ihre Kollegin von der SPD, Burgunde Grosse, versprach, in
       der nächsten Legislaturperiode, sofern es denn auch ihre wird, einen
       Mindestlohn von 8,50 Euro "anzugehen". Und Thomas Birk von den Grünen
       sagte, man wolle über "mehr als 7,50 Euro" für alle Branchen reden.
       
       Rot-Rot und Grün auf der einen, Schwarz-Gelb auf der anderen Seite - diese
       sozialpolitische Front wird gerade beim Thema "öffentlich geförderter
       Beschäftigungssektor" deutlich. Zwar stritten sich die regierenden Parteien
       noch im April darüber, ob die Schaffung von Vollzeitjobs zum Mindestlohn
       für wenige tausend Langzeitarbeitslose nicht ein viel zu teures
       Prestigeprojekt der Linken sei. Auf dem Sozialgipfelpodium zeigte man sich
       aber in trauter Einheit und versprach, die ÖBS-Aktivitäten mit finanzieller
       Unterstützung des Bundes fortzuführen.
       
       Das gefiel der Mehrheit im Saal. FDP-Vertreter Thiel ruderte tapfer dagegen
       an: Die ÖBS-Mittel seien fehlinvestiert und nützten nur wenigen
       Privilegierten unter den Arbeitslosen. Den Sprung in den ersten
       Arbeitsmarkt schaffe trotzdem keiner. Der sozialpolitische Sprecher der
       CDU-Fraktion, Gregor Hoffmann, stimmte in diese Kritik ein: Für 2,5 Prozent
       der Arbeitslosen gebe das Land jährlich 36 Millionen Euro aus, rechnete er
       vor.
       
       Hoffmann machte gegen Ende noch einen aus seiner Sicht naheliegenden
       Vorschlag zur Senkung der Arbeitslosenzahlen: einfach den Regierenden
       Bürgermeister austauschen. "In anderen Bundesländern holen die
       Ministerpräsidenten potenzielle Investoren vom Flughafen ab - da entstehen
       Arbeitsplätze."
       
       3 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manuela Heim
       
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