# taz.de -- Nach Anschlag in Nigeria: Geschafft: Polizei wird kleinlaut
       
       > Nach dem Selbstmordanschlag auf die nationale Polizeizentrale herrscht
       > Angst vor einer Terrorkampagne. Die islamistische Gruppe "Boko Haram" hat
       > sich bekannt.
       
 (IMG) Bild: Löschen nach dem Anschlag in Abuja.
       
       ABUJA taz | Nigerianische Polizisten schweigen gewöhnlich nicht. Meistens
       sind sie laut, fordernd und zurechtweisend. In ihren schwarzen Uniformen
       wollen sie Angst einflößen und auch gerne mal kassieren. Doch jetzt sind
       sie verstummt. Denn sie sind ausgerechnet dort getroffen worden, wo sie es
       wohl nie erwartet hätten - auf dem Parkplatz der nationalen Polizeizentrale
       in der Hauptstadt Abuja, an dessen Einweihung vor zwei Jahren eine große
       Gedenktafel erinnert, sprengte sich am Donnerstagnachmittag ein
       Selbstmordattentäter in die Luft. Acht Menschen sollen, so bisherige
       Schätzungen, ums Leben gekommen sein. Dutzende werden noch behandelt. 77
       Autos sind in Flammen aufgegangen.
       
       Am Ort des Unglücks betrachtet Chinedu Sylva am Abend seinen schwarzen
       Geländewagen. Er hat Glück gehabt: Nur die Scheiben sind zersprungen, weil
       das Auto weit weg stand. "Wir haben den Knall gehört und saßen im Büro",
       sagt er und deutet auf das schneeweiße Louis-Edet-House, wie das
       Polizeihauptquartier offiziell heißt. Schlechter erging es einem seiner
       Kollegen, der fassungslos die Trümmer seines Toyotas anschaut. "Anfang
       vergangenen Jahres habe ich mir das Auto gekauft. Damals kam ich gerade aus
       dem Sudan zurück, von der Friedenstruppe", erzählt er. Das Geld, das er da
       verdiente, investierte er in sein Auto. "Und jetzt muss ich jemanden
       anbetteln, mich abends mit nach Hause zu nehmen."
       
       Auf Spekulationen über Urheber und Folgen lassen sich die beiden Polizisten
       nicht ein. "Gott wird es richten", sagt Chinedu Sylva. Gott - Allah - ist
       wohl auch das Motiv der Attentäter gewesen. Am Freitagmorgen bkannte sich
       die islamistische Sekte Boko Haram, deren Name übersetzt etwa "Westliche
       Bildung ist Sünde" bedeutet, zu den Anschlägen.
       
       ## Sekte unberechenbarer denn je
       
       Niemand wundert sich darüber. Die Gruppe mit Sitz in Maiduguri, der
       Hauptstadt des Bundesstaates Borno im Nordosten Nigerias, gilt seit Monaten
       als größtes Sicherheitsrisiko in Nigeria, hat den Ölrebellen im Nigerdelta
       längst den Rang abgelaufen und legt seit den Wahlen im April mit voller
       Wucht los. Kurz nach der Explosion in Abuja ging eine weitere Bombe in die
       Luft, in der Nähe einer Kirche in der Kleinstadt Damboa, rund 90 Kilometer
       von Maiduguri entfernt. Vier Kinder starben. Ein Bekennerschreiben gibt es
       noch nicht, doch vieles deutet auf Boko Haram hin.
       
       Anders als bislang üblich hatten die radikalen Islamisten bereits in der
       vergangenen Woche eine katholische Kirche als Ziel auserkoren, es gab fünf
       Opfer. Die Sekte gilt als unberechenbarer denn je. "Wir müssen Boko Haram
       ernst nehmen", fordert Journalist Ahmed Salkida, der die Islamisten schon
       seit Jahren beobachtet. Doch weder er noch die niedergeschlagenen
       Polizisten in Abuja können einschätzen, wann und wo die nächste Bombe in
       die Luft gehen könnte. "Wenn wir das wüssten, dann wäre uns wohler", sagt
       ein Polizist, der dazu abgestellt worden ist, ab sofort alle Besucher zu
       untersuchen und jede Tasche, jedes Auto akribisch zu kontrollieren.
       
       Boko Haram lässt sich nur schwer einschätzen, auch unter Muslimen. Im Mai
       schlug sie ein Friedensangebot des neuen Provinzgouverneurs von Borno,
       Kashim Shettima, aus. Er hatte die Islamisten an einen runden Tisch
       einladen und mit ihnen ein Amnestieprogramm besprechen wollen. Vergangene
       Woche erneuerte er seinen Vorschlag. Schließlich sei die Terrorgefahr
       längst nicht mehr auf seinen Bundesstaat beschränkt, sondern im ganzen Land
       spürbar.
       
       Ähnlich sieht das auch Nigerias Vizepräsident Mohammed Namadi Sambo. Am
       Donnerstagvormittag, nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt, forderte er
       in der glänzenden Zentralmoschee von Abuja Boko Haram zum Dialog auf. Da
       waren die letzten Vorbereitungen für die Bombe wohl längst getroffen.
       
       17 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Gänsler
       
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