# taz.de -- Verfassungsreform in Marokko: Der König zieht weiter die Fäden
       
       > Das Volk soll am 1. Juli per Referendum die neue Verfassung abgesegnen.
       > Die Demokratiebewegung ruft im Netz zum Boykott des Projekts von Mohammed
       > VI auf.
       
 (IMG) Bild: Jubel über die Reformpläne von König Mohamed VI.: Regierungsanhänger feiern am Freitag in Cassablanca.
       
       MADRID taz | Mohammed VI. gesteht seinen Untertanen eine neue Verfassung
       zu. Der marokkanische Monarch stellte die wichtigsten Punkte des Textes am
       Freitagabend in einer Fernseh- und Radioansprache vor. Das Projekt "wird
       die Säulen einer konstitutionellen, demokratischen und sozialen Monarchie
       stärken", verkündete der 47-Jährige, der den Thron des nordafrikanischen
       Landes 1999 von seinem Vater Hassan II. erbte. Das Volk soll am 1. Juli per
       Referendum die neue Verfassung absegnen.
       
       Der König hatte die Reform Anfang März angekündigt, nachdem am 20. Februar
       Zehntausende meist junger Marokkaner im ganzen Land unter dem Eindruck der
       Revolutionen in Tunesien und in Ägypten für mehr Demokratie und gegen die
       Korruption auf die Straße gegangen waren.
       
       Mohammed VI. gab die neue Verfassung bei einem von ihm selbst ernannten
       "Rat der Weißen" in Auftrag. Die Kommission hörte die wichtigsten Parteien
       und Gewerkschaften an, bevor das Projekt endgültig Form annahm. Die
       Demokratiebewegung 20. Februar weigerte sich, an der Anhörung teilzunehmen.
       
       Der neue Text schreibt die Gleichheit der Geschlechter fest und erhebt die
       Berbersprache zur offiziellen Sprache neben dem Arabischen. Der König, der
       bisher "heilig" war, ist künftig nur noch "unantastbar". Allerdings wird er
       weiterhin nicht nur Staatschef, sondern auch "Führer aller Gläubigen" und
       damit oberste religiöse Autorität sein.
       
       Die neue Verfassung stärkt die Rolle des Premierministers, der künftig
       Regierungschef heißt. Er muss aus der stärksten Parlamentsfraktion stammen.
       Zwar ist dies seit den 90er Jahren in Marokko so üblich, war aber nirgends
       festgeschrieben. Der Regierungschef wählt alle Minister aus, der König wird
       sie dann ernennen. Bisher hatte der König das Recht, die
       Schlüsselministerien alleine zu besetzen.
       
       Allerdings wird Mohammed VI. weiterhin die volle Gewalt über die
       Regierungsgeschäfte haben. Denn er ist der Vorsitzende der wöchentlichen
       Kabinettssitzungen, auch wenn er dieses Amt delegieren kann. Außerdem
       bestimmt er weiterhin die Außenpolitik, bleibt Chef der Armee und steht dem
       neu zu gründenden Sicherheitsrat vor. Das Gleiche gilt für den Hohen
       Richterrat, der bisher dem Justizminister unterstand. Diese Reform sei, so
       Mohammed VI., ein Schritt in Richtung eines unabhängigen Gerichtswesens.
       Der König kann aber weiterhin alleine den Notstand ausrufen. "Erstmals in
       der Geschichte unseres Landes haben wir eine Verfassung, die von allen
       Marokkanern gemacht wurde", lobte Mohammed VI. die Arbeit der Kommission
       und erklärt sein "Ja" zum Text.
       
       Die Kritik ließ nicht auf sich warten. Als "reine Kosmetik" wertet der
       Gründer des unabhängigen marokkanischen Magazins Tel Quel, Ahmed Benchemsi,
       die Reformen. Für ihn bleibt alles beim Alten. "Der Premier hat einige
       Befugnisse mehr, muss aber zuvor immer den König konsultieren", kritisiert
       er.
       
       Auch die Demokratiebewegung 20. Februar zeigt sich wenig begeistert. Auf
       Facebook und in Blogs ruft die Bewegung zum Boykott des Referendums auf.
       "Die Volksabstimmung ist einfach lächerlich", heißt es auf
       [1][Mamfakinch.com] (Keine Zugeständnisse), dem Sprachrohr der Bewegung. In
       nur zwei Wochen sei es unmöglich, die Neinstimme zu verteidigen, zumal die
       Bewegung keinen Zugang zu Funk und Fernsehen habe.
       
       Während die Anhänger der Monarchie nach der Ansprache im ganzen Land
       Freudenfeste veranstalteten, gingen an der Universität in Fes mehrere
       hundert Studenten auf die Straße, um ihre Enttäuschung über die spärlichen
       Reformen zum Ausdruck zu bringen. Am Sonntag wollte auch die
       Demokratiebewegung protestieren. Sie verlangt wie bisher auf ihren
       wöchentlichen Demonstrationen in mehr als 100 Städten die Wahl einer
       verfassunggebenden Versammlung. "Es gibt immer mehr unter uns, die für eine
       Republik Marokko eintreten", erklärt einer der Mitbegründer des 20. Februar
       aus Casablanca.
       
       19 Jun 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://Mamfakinch.com
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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