# taz.de -- Weltflüchtlingstag der UN: Appell an die Innenminister
       
       > Hilfsorganisationen fordern die Innenministerkonferenz auf, Flüchtlinge
       > aus Libyen aufzunehmen. Die Bundesregierung ist in der Frage gespalten.
       
 (IMG) Bild: Trauerfeier für auf dem Weg übers Mittelmeer umgekommene Flüchtlinge aus Libyen.
       
       BREMEN taz | Anlässlich des UN-Weltflüchtlingstags am Montag hat ein
       Bündnis von Menschenrechtsorganisationen Bund und Länder erneut
       aufgefordert, Flüchtlinge aus dem Bürgerkrieg in Libyen aufzunehmen.
       "Tausende libysche Flüchtlinge sitzen derzeit in der Wüste in Tunesien
       fest. Deutschland muss die Initiative ergreifen und sich für ihre Aufnahme
       einsetzen," sagt etwa Martin Glasenapp von Medico International.
       
       In Lagern des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) im tunesisch-libyschen
       Grenzgebiet warten daneben etwa 5.000 Angehörige aus Ländern wie Eritrea
       oder Somalia auf Hilfe. Sie hatten sich in Libyen aufgehalten, können aber
       nicht in ihre Heimat zurück. Seit Monaten bittet der UNHCR die EU deswegen,
       sie aufzunehmen - vergebens. Im Mai war ein Lager von Tunesiern angegriffen
       und weitgehend niedergebrannt worden, mehrere Flüchtlinge starben. Immer
       wieder haben Bewohner des Lagers versucht, auf Booten nach Italien
       überzusetzen. Dabei kam es zu teils verheerenden Unglücken.
       
       Am Dienstag beginnt in Frankfurt die Frühjahrskonferenz der Innenminister.
       Hier könnten die Länder eine Aufnahme beschließen. Medico International,
       Pro Asyl und weiteren Organisationen haben dazu einen Online-Appell
       gestartet. Unterstützt wird ihre Forderung auch vom
       Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning (FDP). "500
       Millionen Europäer sollten sich nicht vor 5.000 humanitären Flüchtlingen
       abschrecken lassen", sagte der beim Auswärtigen Amt angesiedelte Löning.
       "Diese Menschen direkt aus Tunesien zu holen, wäre ein gutes Zeichen."
       
       ## Der Süden hilft am meisten
       
       Das Bundesinnenministerium sieht das jedoch anders. Eine Aufnahme
       schutzbedürftiger Personen aus Nordafrika sei "nicht geplant", sagte ein
       Sprecher zur taz. Es komme vielmehr darauf an, vor Ort humanitäre Hilfe zu
       leisten. Hierfür habe Deutschland bereits 7 Millionen Euro bereit gestellt.
       Im Übrigen werde Deutschland dieses Jahr zusätzlich rund 150 Flüchtlinge
       aus Malta aufnehmen.
       
       "Wiederaufbauhilfe ist richtig und gut, löst aber nicht das aktuelle
       Flüchtlingsproblem", sagt Glasenapp dazu. Es entbinde die EU nicht von
       ihrer Verantwortung als Kriegspartei. "Schließlich mussten viele Menschen
       fliehen, weil Libyen von EU-Staaten bombardiert wird."
       
       Zum Weltflüchtlingstag wies der UNHCR darauf hin, dass es weltweit ein
       "großes Ungleichgewicht" bei der Hilfe für Flüchtlinge und Vertriebene
       gebe: Es seien zum allergrößten Teil die Länder des Südens, die
       Schutzbedürftige aufnehmen.
       
       Um dies zu illustrieren, hat der UNHCR in einer Berechnung die Aufnahme von
       Flüchtlingen ins Verhältnis zur Wirtschaftskraft der Länder gesetzt.
       Demnach nimmt Pakistan gemessen an seinem Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt
       (BIP) 710 Flüchtlinge je Dollar auf, Kongo 475, während Deutschland 17
       Menschen je Dollar seines BIPs Zuflucht gewährt. "Die Ängste vor
       angeblichen Massenbewegungen in die Industrieländer sind massiv
       übertrieben", sagt der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterrres.
       "Die Belastungen tragen die ärmeren Länder."
       
       20 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Miliz nennt UN-Angaben Lüge: Streit über Hungerhilfe für Somalia
       
       Die Islamisten bestreiten eine Hungersnot in Somalia. Hilfswerke fordern
       derweil die Zusammenarbeit mit lokalen Händlern, denn es fehlt an Geld,
       nicht an Lebensmitteln.
       
 (DIR) Europa wehrt Flüchtlinge ab: Afrikanische Odyssee im Mittelmeer
       
       Die EU wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine Aufnahme von
       schiffbrüchigen Afrikanern. Und offenbart dabei nur eins: eine brutale
       Erbarmungslosigkeit.
       
 (DIR) Flüchtlingspolitik in Deutschland: Wenn die Asyllobby zuschlägt
       
       Ein interner Bericht einer Arbeitsgruppe von Polizei und Ausländerbehörden
       übt heftige Kritik an der Abschiebepraxis in Deutschland. Sie sei zu lasch.
       
 (DIR) Flüchtlingsreport der UNHCR: 43 Millionen Menschen auf der Flucht
       
       Die Zahl der Vertriebenen weltweit erreichte 2010 den höchsten Stand seit
       15 Jahren. In Afrika südlich der Sahara steigt die Zahl erstmals seit 2000
       wieder an.
       
 (DIR) Asylverfahren in Europa: Kein besseres Leben mit Friedrich
       
       Innenminister Hans-Peter Friedrich will Versuche der EU stoppen, das
       Asylverfahren in Europa zu verbessern. Er fürchtet das Ende des
       Flughafenverfahrens.
       
 (DIR) Wohnhaus in Tripolis getroffen: Nato gibt Angriff auf Zivilisten zu
       
       Die Nato traf am Sonntag durch einen Fehler ein ziviles Wohnhaus in
       Tripolis - und gestand zivile Opfer ein. Die Aufständischen kommen indes
       gegen Gaddafis Regime nicht voran.
       
 (DIR) Flüchtlinge verklagen Italien: Die Rufer in der Wüste
       
       In einem historischen Prozess verklagen 24 Flüchtlinge die italienische
       Regierung. Zu den Verhandlungen dürfen sie nicht kommen.
       
 (DIR) Fluchtwelle im Sudan: Hunderttausende Zivilisten ohne Schutz
       
       Immer mehr Menschen im Sudan fliehen vor den Angriffen der Armee in der
       Provinz Süd-Kordofan. Hilfswerke aber haben kaum Zugang zu den
       Flüchtlingen.
       
 (DIR) Kommentar Bleiberecht für Roma: Gnade statt Recht
       
       Zukunftsangst statt Rechtssicherheit heißt es nun weiterhin für die
       Roma-Familien. Eine Ausländerpolitik nach Gutsherrenart, die Eigennutz
       statt Humanität zum obersten Prinzip erklärt, findet so ihre Fortsetzung.
       
 (DIR) Flüchtlinge gegen Gutscheinsystem: Angehört und abgewiesen
       
       Der Landkreis Oberhavel will auf Wertmarken für Flüchtlinge nicht
       verzichten, Asylbewerber protestieren. Nun stehen Aktionstage gegen die
       Residenzpflicht in Berlin an.
       
 (DIR) Kommentar Schengen-Raum: Europa zweiter Klasse
       
       Bulgarien und Rumänien sind im Schengen-Raum nicht willkommen. Deutschland
       und Frankreich betreiben eine Zweiklassenpolitik.