# taz.de -- Schwul lesbisches Stadtfest: Wildes Sofa, zahme Renate
       
       > Die Parteien versuchten beim lesbisch-schwulen Stadtfest, Punkte in der
       > Gay Community zu sammeln - so richtig gelang das aber nur dem
       > Regierenden.
       
 (IMG) Bild: In Brasilien dürfen Schwule und Lesbe protestieren - in Belgrad schon wieder nicht.
       
       Bratwurst, Bier und Ledergeschirre: Die Buden auf dem 19. Lesbisch-schwulen
       Stadtfest am Nollendorfplatz bieten auch in diesem Jahr die gewohnte
       Mischung aus bodenständig und schrill, Mainstream und Nische. Unter dem
       Motto "Gleiche Rechte für Uthamngleiche" präsentierte sich am Samstag
       zwischen Motz-, Fugger-, Eisenacher und Kalckreuthstraße alles, was im
       schwul-lesbischen Teil Schönebergs Rang und Namen hat.
       
       Zwischen dem Fetischbedarfsgeschäft "Butcherei Lindinger", der Sauna
       "Treibhaus" und der Berliner Aidshilfe waren auch sämtliche politischen
       Parteien präsent, die sich entlang der Eisenacher Straße zur "Politikwelt"
       verdichtet haben. "Ach Jottchen, der Polit-Strich", sagt eine Transe
       genervt zu ihrem Begleiter - naserümpfend wenden die beiden dem Stand der
       Grünen den Rücken zu und holen sich am Nachbarstand brasilianische Drinks.
       
       Es hat tatsächlich etwas Billiges, wie die Politprofis drei Monate vor der
       Abgeordnetenhauswahl um die Gunst des queeren Straßenfestpublikums buhlen.
       Mehr als ein parteifarbengesättigter Stand mit thematisch passenden
       Broschüren und Give-aways ist dabei keinem eingefallen. Die Slogans sind
       mäßig mitreißend: "Damit Berlin anders bleibt", ist auf dem Sonnenschirm
       der SPD zu lesen. "Nimm mich, wie ich bin", auf dem der CDU. Die Linke
       versucht es mit dem etwas sperrigen Slogan "konsequent sozial, original
       queer" und die Grünen behaupten: "Ohne Grün kein Queer". Die visuell
       stärkste Botschaft verbreitet die DKP-UZ. Ein halb nacktes Mannsbild von
       einem Arbeiter soll zeigen: "Sozialismus ist sexy".
       
       Substanzielleres zur konkreten Homo- und Trans-Politik der Parteien lässt
       sich in deren Broschüren nachlesen, die sich nüchtern ("Der lange Weg zur
       Gleichberechtigung", SPD), selbstbewusst ("Bündnisgrüne Initiativen im
       Abgeordnetenhaus") oder poetisch ("Ich will so lieben, wie ich bin",
       Piratenpartei) geben. Rätsel gibt dabei der Auftritt der LSU (Lesben und
       Schwule in der Union) auf. Die kleine Homoabteilung der Partei -
       bekanntermaßen die stärkste Bremse für die Gleichstellung von Schwulen und
       Lesben in Lebensgemeinschaft und Adoptionsrecht - verteilt Werbekarten für
       den Spitzenkandidaten Frank Henkel und lädt zur Bürgersprechstunde mit der
       Abgeordneten Monika Thamm ein - in der kleinen Broschüre feiert die LSU
       ganz bescheiden ihre Anerkennung als offizieller CDU-Arbeitskreis. Fast
       möchte man den tapferen Homokonservativen zum Trost ein paar Gummibärchen
       spendieren, die nebenan die FDP-Gruppe LISL (Liberale Schwule und Lesben)
       ausgibt.
       
       Wie auf jedem Straßenfest nimmt das Publikum im Vorbeigehen Kugelschreiber,
       Aufkleber oder Einkaufschips mit. Erst als es zu regnen anfängt und die
       Leute unter die Schirme der Parteien flüchten, ergeben sich
       Gesprächschancen. Oder auch nicht. "Nee, da stell ich mich nicht hin,
       lieber werde ich bei den Kommunisten nass", schimpft eine Lesbe und weigert
       sich, ihrer Freundin unter das geräumigere Dach des FDP-Stands zu folgen.
       Am geschäftigsten nutzt die Piratenpartei die erzwungene Muße des
       Laufpublikums und versucht, Unterstehende zu einer Unterschrift für die
       Zulassung der Partei zur Abgeordnetenhauswahl zu bewegen. Ambitioniert
       wirkt der Stand der Grünen. Sehr grün ist er, voll behangen mit Luftballons
       und Renate-Künast-Fotos; in der Ecke gibt es einen Kicker und einen grünen
       Teppich, auf dem sich die gehetzt wirkende Spitzenkandidatin für das Amt
       der Regierenden Bürgermeisterin alle naslang ablichten lässt.
       
       Etwas hölzern wirkt Künast, die mal für eine Bürgerin posiert, kurz mit
       ihrer Unterstützercrew plaudert - und sich unversehens in den Armen der
       zwei Köpfe größeren Kreuzberger "Weinkönigin" wiederfindet. Auch auf der
       Bühne der Liveshow "Das wilde Sofa", die am Ende der Eisenacher Straße
       aufgebaut ist, kommt Künast längst nicht so sympathisch-locker rüber wie
       der Linke-Landeschef Klaus Lederer, der die Fragen des Moderatorenduos
       Gerhard Hoffmann und Biggy van Blond lässig zu beantworten weiß. Es ist
       allerdings auch nicht einfach, zwischen dem angestaubten Tantenhumor der
       Gastgeber und den "Wissensfragen" ("Welches Geschlecht haben
       Homosexuelle?") Contenance zu bewahren. Auch die als "Super Nanny" bekannte
       Katharina Saalfrank zeigt sich mitunter etwas verwirrt von dem schwulen
       Komödienstadl, den die "Zimmermädchen" Tilly Creutzfeldt-Jakob und Giselle
       dApricot um sich verbreiten.
       
       Immerhin erfährt man bei dem Ganzen, dass "die Schützin Renate" privat gern
       inlineskatet, sich von hochwertiger Bioware ernährt, mit Vorliebe grünen
       Tee trinkt und - surprise, surprise - einen "grünen Daumen" hat. Dieses auf
       Wahlkampf frisierte Profil wirkte im Vergleich zu dem von Klaus Lederer
       allerdings dröge. Wer (angeblich) seit 2005 mit einem Mann namens Oskar
       verpartnert ist, gern Halloumi-Falafel-Teller isst und bei einer Formation
       namens "Die Rotkehlchen" singt, kann am Nollendorfplatz ganz einfach mehr
       Pluspunkte sammeln. Ein bisschen wahlkampfgeplänkelt wird auf der Bühne
       auch, aber es klingt eher lustlos - etwa als Künast Lederer vorwirft, bei
       der IBB kaum Frauen in Führungspositionen gebracht zu haben.
       
       Am Ende - um die Stimmung zu heben, werden noch ein paar schwulenfeindliche
       Zitate des Papstes verlesen - ist das aber alles egal. Denn nach Abschluss
       des Talks kommt der einzige Politiker auf die Bühne, auf den man am
       Nollendorfplatz gewartet hat: Klaus Wowereit erscheint im leger umgehängten
       blauen Pulli, um das Stadtfest zu eröffnen - und wird mit Riesenapplaus
       empfangen. Beim Ständchen über "die Berliner Luft,Luft, Luft", das Lucy van
       Org zu Ehren des zehnten Bürgermeisterjubiläums Wowereits eher brüllt als
       singt, macht sich vereinzelt sogar Rührung breit - ein paar Buhrufe gibt es
       allerdings auch. Wowereit lässt die Ehrung freundlich-routiniert über sich
       ergehen. Wohin er nach seinem kurzen Bühnenauftritt verschwindet, ist nicht
       überliefert. Künast taucht dagegen schon wenig später zum Dienst an ihrem
       Stand auf - dass das Bad in der Menge für sie harte Arbeit ist, sieht man
       ihren Gesichtszügen deutlich an.
       
       19 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nina Apin
       
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