# taz.de -- Atomdissens im Hannöverschen Kabinett: Schünemann sorgt sich ums CDU-Profil
       
       > Der Innenminister findet den Ausstiegsbeschluss unsolide.
       > Ministerpräsident Mc Allister verteidigt ihn als pragmatische Politik.
       > Beide finden, die CDU müsse sich mehr um ihre Kernthemen kümmern.
       
 (IMG) Bild: Kein trautes Paar: McAllister (l.) und Schünemann.
       
       HAMBURG taz | Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann macht sich Sorgen
       um das Profil seiner Partei, der CDU. In zwei Interviews am Wochenende warf
       er der Parteiführung vor, zu schnell alte christdemokratische Positionen
       geräumt zu haben.
       
       Beim Thema Atomausstieg liegt er hierbei über Kreuz mit seinem
       Ministerpräsidenten David McAllister, der den raschen Ausstieg verteidigte.
       Die Opposition hebelt freudig an dem Spalt herum: "Unter McAllister dürfen
       sich Minister offenbar alles erlauben", höhnte SPD-Fraktionschef Stefan
       Schostok.
       
       Schünemanns Kritik kommt in puncto Atomausstieg zu einem ungünstigen
       Zeitpunkt. Gerade hat die CDU-geführte Bundesregierung ein Ausstiegsgesetz
       vorgelegt, das sie möglichst im Konsens durch den Bundestag bringen will.
       
       [1][In der Hannoverschen Allgemeinen kritisierte Schünemann], die CDU habe
       sich in den vergangenen Monaten nicht mehr an ihre Grundüberzeugungen
       gehalten, sondern viel zu sehr an Umfrageergebnissen orientiert. Das
       betreffe neben dem Atomausstieg auch die Abschaffung der Wehrpflicht und
       das Ausscheren aus der Nato-Linie beim Libyen-Einsatz.
       
       In der Energiepolitik seien die Tugenden, die die Politik der Union in der
       Vergangenheit geprägt hätten, zu kurz gekommen, sagte er der Welt am
       Sonntag: "Solidität, Weitblick und die Fähigkeit, das Ende zu bedenken."
       Aus Schünemanns Sicht ist keineswegs geklärt, ob Deutschland ohne Atomkraft
       sicher und zu akzeptablen Preisen mit Strom versorgt werden kann.
       
       Grundsatzfragen wie der Ausstieg aus der Wehrpflicht oder der Atomenergie
       müssten von Parteitagen diskutiert und entschieden werden, findet der
       niedersächsische Innenminister. "Wenn solche Kehrtwenden anstehen, dürfen
       wir die Basis nicht vergessen", sagte er der Hannoverschen Allgemeinen.
       
       Ministerpräsident McAllister vertrat ebenfalls am Wochenende im Hamburger
       Abendblatt eine andere Meinung. Im Regierungsgeschäft sei es nötig, bei
       unvorhersehbaren Ereignissen pragmatisch zu handeln und schnell ein neues
       Konzept zu entwickeln. "Was hätte die Bundesregierung denn nach dem Unglück
       von Fukushima machen sollen", fragte er. "Etwa die Kernkraft offensiv
       verteidigen?" Im übrigen gehöre das Bekenntnis zur Kernenergie nicht zum
       Wesenskern der CDU.
       
       CDU-Fraktionschef Björn Thümler argumentiert, mit dem Ausstiegsgesetz werde
       sich gar nichts Grundsätzliches ändern. "Das Energiekonzept aus dem
       vergangenen Herbst gibt die Richtung vor", sagte Thümler der taz. "Neun
       Jahre Verlängerung der Restlaufzeit fallen weg, der Rest bleibt."
       
       Thümler räumte ein, dass die CDU ein Problem damit haben könnte,
       glaubwürdig zu wirken. "Die Vermittlung kommt zu kurz", sagte er. Es seien
       einfach zu viele Ereignisse in zu kurzer Zeit zu verarbeiten. Jeder
       Abgeordnete und jedes Parteimitglied sei gefordert, sich an dieser
       Vermittlungsarbeit zu beteiligen.
       
       Die mögliche Divergenz der Meinungen Schünemanns und McAllisters zeige, was
       in der Partei diskutiert werde, sagte Thümler. Man müsse das aber "nicht zu
       sehr überbewerten".
       
       Sein SPD-Kollege Schostok sieht das naturgemäß anders. Mit seiner
       Forderung, ein Parteitag müsse über den Atomausstieg entscheiden, falle
       Schünemann McAllister und Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Rücken. Mit
       der Warnung, der Ausstiegsbeschluss lasse Weitsicht vermissen, bleibe er
       seiner Linie treu, "Ängste und Vorbehalte zu schüren".
       
       Einig sind sich der Ministerpräsident und sein Innenminister darin, dass
       die Union die Themen, in denen sie sich traditionell stark fühlt, in den
       Vordergrund schieben sollte, etwa die Sicherheit. McAllister nennt es das
       "Brot und Butter"-Themen: Arbeit, Wirtschaft, Finanzen, Infrastruktur,
       Bildung und Familie gehören für ihn dazu. "Die CDU sollte darüber reden, wo
       sie stark ist", sagte der Ministerpräsident.
       
       Im Gegenzug distanzierte er sich von den Grünen. "Mich ärgert es, dass
       einige in meiner Partei den Grünen hinterher laufen", sagte. "Ich tue das
       nicht." Uwe Schünemann kann er damit auch nicht gemeint haben.
       
       20 Jun 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersachsen/Schuenemann-liest-Merkel-die-Leviten
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Niedersachsen-CDU: Union braucht Hardliner
       
       Die CDU muss klären, was ihr Wesenskern ist. An Hardlinern wie Schünemann
       kommt sie dabei nicht vorbei.