# taz.de -- Steuermodell von Paul Kirchhof: Der Professor aus Heidelberg
       
       > Paul Kirchhof meldet sich zurück und präsentiert ein neues Steuermodell.
       > Der Ex-Verfassungsrichter wiederholt alte Fehler: Er verwechselt Äpfel
       > mit Birnen.
       
 (IMG) Bild: Sein Steuermodell ist für ihn die Wahrheit: Paul Kirchhof.
       
       Paul Kirchhof kann offenbar nicht zuhören. Denn der ehemalige
       Verfassungsrichter begeht den gleichen Fehler nun zum zweiten Mal. Wieder
       schlägt er eine Steuerreform vor, die vor allem Millionäre begünstigt.
       
       Dabei endete schon Kirchhofs erster Ausflug in die reale Steuerpolitik
       desaströs. Im Wahlkampf 2005 wurde er plötzlich in das Schattenkabinett von
       Unionskandidatin Angela Merkel berufen - und nach nur vier Wochen war sein
       Ruf zerstört. Bis dahin hatte Kirchhof als eine Koryphäe des Steuerrechts
       gegolten, danach war er eine nationale Lachnummer, die für die
       Stimmenverluste der CDU verantwortlich gemacht wurde. Denn der damalige
       SPD-Kanzler Gerhard Schröder musste nur über den "Professor aus Heidelberg"
       spotten, da johlte jeder Saal.
       
       Auch Steuerlaien verstanden nämlich sofort, dass die "Flattax" nicht
       gerecht sein kann, die Kirchhof vorschlug. In seinem Modell sollen ein
       Multimillionär und ein normaler Facharbeiter den gleichen Steuersatz zahlen
       - nämlich 25 Prozent. Derzeit liegt der Spitzensteuersatz für Reiche bei 45
       Prozent.
       
       Kirchhof hat sich hinterher bitter über die "Niedertracht" beschwert, die
       er in Schröders Reden ausmachte. Doch gelernt hat der Professor nicht. Noch
       immer scheint er nicht verstanden zu haben, warum Schröders Spott so
       zielgenau funktionierte.
       
       Kirchhof begeht einen Denkfehler, der bei allen Fans der Flattax
       verlässlich auftaucht: Sie erscheint ihm "einfach" - während das heutige
       Steuerrecht angeblich so kompliziert ist, dass es dringend entrümpelt
       werden muss. 33.000 Steuerparagrafen will Kirchhof streichen, nur 146
       sollen übrig bleiben.
       
       ## Kirchhofs Modell ist unsozial
       
       Was Kirchhof dabei nicht bedenkt: Auch die heutige Progression ist einfach,
       die Chefärzte höher besteuert als Krankenpfleger. Gerade weil die
       Progression ein so schlichtes Instrument ist, verstehen sogar Laien sofort,
       dass Kirchhofs Modell unsozial wäre.
       
       Kirchhof verwechselt beharrlich Äpfel mit Birnen - macht also einen
       "Kategorienfehler", wie Philosophen dies nennen: Es stimmt zwar, dass das
       Steuerrecht wahnsinnig verschachtelt ist und niemand einsieht, warum
       Hundefutter vom reduzierten Mehrwertsteuersatz profitiert. Aber
       ausgerechnet die Progression gehört nicht zu diesem Wahnwitz - weswegen
       selbst Laien zielsicher erspüren, dass Kirchhof mit seiner
       Steuervereinfachung auch ein ideologisches Konzept verfolgt. Die Eliten
       sollen entlastet werden.
       
       Was die Laien sofort bemerken, scheint Kirchhof aber zu entgehen. An seinen
       Auftritten erstaunt immer wieder, mit welchem naiven und selbstgerechten
       Missionsdrang er seine Steuerreform vorträgt. Sein Modell ist für ihn die
       Wahrheit - nicht Teil eines politischen Verteilungskampfes. Während er
       dezidierte Interessen bedient, hält er sich für einen Wissenschaftler
       jenseits aller Interessen.
       
       Damit ist Paul Kirchhof der typische Vertreter einer Oberschicht, für die
       es völlig selbstverständlich ist, zur Oberschicht zu gehören. Der eigene
       Status wird zu einer Art sozialem Naturgesetz erklärt. Dabei wird auch
       ausgeblendet, wie hilfreich die eigene Herkunft ist. Schon Kirchhofs Vater
       war Karrierejurist und Richter am Bundesgerichtshof. Daher wirkt es nicht
       wie ein Zufall, dass Kirchhofs Bruder Ferdinand nun ebenfalls am
       Bundesverfassungsgericht amtiert.
       
       Paul Kirchhof stammt aus einem geschlossenen Kosmos, was seine soziale
       Fantasielosigkeit vielleicht erklärt. Es ist jedenfalls keine Niedertracht,
       sondern höchst zutreffend, wie Schröder ihn tituliert hat: Kirchhof ist ein
       "Professor aus Heidelberg".
       
       28 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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