# taz.de -- Hariri-Tribunal im Libanon: "Nicht in 300 Jahren"
       
       > Der Chef der schiitischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, lehnt eine
       > Auslieferung von vier Mitgliedern seiner Organisation ab. Gegen sie
       > sollen Haftbefehle ausgestellt worden sein.
       
 (IMG) Bild: Kunden und Verkäufer eines Handyshops verfolgen die Ansprache von Hisbollah-Chef Nasrallah im Fernsehen.
       
       KAIRO taz | Der Generalsekretär der schiitischen Hisbollah im Libanon,
       Hassan Nasrallah, denkt nicht daran, vier Mitglieder seiner Organisation
       auszuliefern. Sie werden Presseberichten zufolge des Mordes an dem
       ehemaligen Ministerpräsident Rafik Hariri verdächtigt. Dies sei "weder in
       30 Tagen, noch in 30 Jahren, noch in 300 Jahren möglich," sagte er am
       Samstag in einer vom Hisbollah-Sender El manar übertragenen Rede.
       
       Am vergangenen Donnerstag hatte das UN-Tribunal für den Fall Hariri, der
       2005 getötet wurde, vier Haftbefehle an den Obersten Staatsanwalt in
       Beirut, Saeed Mirza, übergeben. Dieser hat gemäß der Verfahrensregeln nun
       30 Tage Zeit, die Akten zu studieren, ehe sie veröffentlicht werden.
       
       Das war zumindest der Plan, aber in der angespannten politischen Atmosphäre
       dauerte es nur ein paar Stunden, bis die libanesische Presse mit vier Namen
       aufwartete, auf die die Haftbefehle angeblich ausgestellt sind. Alle vier
       sollen Mitglieder der schiitischen Hisbollah sein, der politisch und
       militärisch stärksten Gruppierung des Landes. Es soll sich dabei unter
       anderem um Mustafa Badredinne handeln, den Operationschef von Hisbollah,
       der als Kopf hinter dem Mordkomplott gilt. Baredinne ist als Operationschef
       Nachfolger seines Cousins Imad Mugniyeh, der vor drei Jahren in Damaskus
       bei einem Anschlag ums Leben kam. Das Hisbollah-Mitglied Salim al-Ayyash
       soll nach Medienberichten die Zelle geleitet haben, die den Mord ausgeführt
       hat. Keiner der Namen ist bisher offiziell bestätigt.
       
       Schon im Vorfeld hatte der Oberste Staatsanwalt Mirza versucht, die Wogen
       zu glätten, bevor die Haftbefehle mit dem politisch brisanten Inhalt auf
       seinem Schreibtisch landeten. Er werde internationale Verpflichtungen
       erfüllen, dabei aber auch immer die Stabilität des Libanon berücksichtigen,
       erklärte er.
       
       ## Stabilität des Landes in Gefahr
       
       In diesem einen Satz steckt das ganze Dilemma der libanesischen
       Staatsanwaltschaft. Denn sollten auf den Haftbefehlen tatsächlich die Namen
       hochrangiger Hisbollah-Mitglieder stehen, muss nicht nur der Staatsanwalt,
       sondern auch die Regierung in Beirut eine Entscheidung treffen: Führt sie
       die Haftbefehle aus und versucht, der Wahrheitsfindung im Fall Hariri ein
       Stück näherzukommen, riskiert sie die Stabilität des Landes.
       
       Hisbollah hatte sich von Anfang an geweigert, mit dem UN-Tribunal
       zusammenzuarbeiten. Eine Verbindung zum Hariri-Mord streitet sie
       kategorisch ab. Hisbollah bezeichnet das Verfahren als "politisiert" und
       hält das UN-Tribunal für eine Marionette der USA, Frankreichs und Israels.
       Die Diskreditierung des UN-Tribunals wurde Hisbollah teilweise leicht
       gemacht, weil es durch seine Arbeit im Libanon an Glaubwürdigkeit verloren
       hatte. So hatte sich das Tribunal zunächst vor allem auf die Theorie
       verlegt, dass das Regime in Damaskus hinter dem Anschlag auf Hariri
       steckte. Vier pro-syrische libanesische Generäle waren anfangs festgenommen
       worden, mussten aber nach vier Jahren aus Mangel an Beweisen freigelassen
       werden.
       
       Symptomatisch dafür, welch heißes Eisen die neuen Haftbefehle darstellen,
       war die erste Reaktion des libanesischen Ministerpräsidenten Najib Mitaki.
       Er verdankt sein Amt auch den Stimmen der Hisbollah, die nicht nur in der
       Regierung sitzt, sondern deren politisches Bündnis auch die Mehrheit der
       Minister stellt. Man werde mit den Haftbefehlen verantwortlich und
       realistisch umgehen, erklärte Mitaki. "Wir müssen uns immer vor Augen
       führen, dass eine Anklage kein Urteil ist und dass für alle die Unschuld
       gilt, bis das Gegenteil bewiesen ist", fügte er hinzu. Man möchte nicht in
       der Haut dieses Regierungschefs stecken, der einerseits internationale
       Verpflichtungen gegenüber dem UN-Tribunal erfüllen, andererseits aber eine
       mühevoll zusammengezimmerte Regierung in dem politisch polarisierten Land
       zusammenhalten muss. Ein Scheitern der Regierung der Nationalen Einheit
       würde neue Bürgerkriegsängste in dem geschundenen Land wecken.
       
       ## "Die Tage der Mörder sind gezählt"
       
       Da bleibt die schriftliche Erklärung Saad Hariris, dem Sohn des ermordeten
       Ministerpräsidenten, in der er die Haftbefehle als "historischen Moment für
       den Libanon" willkommen hieß, wohl eher eine Randnotiz. "Die Tage der
       Mörder sind gezählt. Mein Herz ist voller Freude. Die Toten können nun in
       Frieden ruhen", heißt es weiter.
       
       Nach dem jetzigen Stand ist es eher unwahrscheinlich, dass in naher Zukunft
       tatsächlich ein Hisbollah-Mitglied im Fall Hariri verhaftet und vor Gericht
       gestellt wird. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Wahrheit über den
       spektakulärsten politischen Mord des vergangenen Jahrzehnts im Nahen Osten
       niemals ans Tageslicht kommen wird.
       
       3 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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