# taz.de -- Japanische Greenpeace-Aktivistin Takada: "Die Menschen kapieren allmählich"
> Greenpeace-Aktivistin Takada kritisiert ihre Regierung hart – und sagt:
> "Der deutsche Atomausstieg ist sehr ermutigend." Im früheren
> Atomkraftland Japan wollen nun 70 Prozent abschalten.
(IMG) Bild: Urlaubsfreuden am AKW Mihama. Doch immer mehr Menschen in Japan stehen der Atomkraft kritisch gegenüber.
taz: Frau Takada, haben sich die Menschen in Japan vier Monate nach dem
Tsunami und den Kernschmelzen von Fukushima an die nukleare
Dauerkatastrophe gewöhnt?
Hisayo Takada: Besonders Eltern mit kleinen Kindern und Schwangere sind
immer noch schockiert und verunsichert. Die Regierung sagt schlicht: Die
Radioaktivität ist nicht mehr schädlich. Punkt. Trotzdem sind die Werte zu
hoch. Es ist für die Menschen schwer herauszufinden, was wahr ist.
Hält die Regierung Informationen zurück?
Das glaube ich weniger. Sie sammelt einfach zu wenig und klärt nicht auf.
Wenn Sie jemandem sagen, wie hoch die Strahlung in Millisievert ist, weiß
kein normaler Mensch, ob das schädlich ist. Manche kommen zu uns und sind
wirklich besorgt und haben Angst. Aber niemand kann ihnen sagen, was zu tun
ist.
Was genau fehlt denn?
Nehmen Sie Tokio: Da nehmen lokale Behörden stichprobenartige Messungen
vor, vielleicht an 20 Punkten. Aber in Tokio leben 13 Millionen Menschen.
Wie kann man da ein paar Proben nehmen und dann sagen: Es besteht keine
Gefahr mehr? Gleiches gilt für das Meer. Wir haben ein paar eigene
Messungen gemacht und zu hohe radioaktive Belastungen gemessen. Noch
schlimmer ist es in der Stadt Fukushima. Dort gibt es Stellen, an denen die
Menschen eine höhere Strahlendosis abbekommen als heute in der Sperrzone um
Tschernobyl. Die Behörden dekontaminieren, vor allem auf Spielplätzen und
in Schulen. Wenn wir dann nachmessen, ist die Belastung immer noch zu hoch.
Und das verschweigen die Behörden?
Ich glaube, sie wollen weitere Konfusion vermeiden. Dabei müssten
Schwangere und Kleinkinder aus diesen Gebieten evakuiert werden.
Regierung und Atomindustrie gelten als eng verbandelt. Ändert sich das
jetzt?
Die Menschen kapieren das allmählich. Es gibt einige Medien, vor allem im
Internet, die anfangen, die Sache anzuprangern. Aber das dauert noch Zeit.
Momentan berät die Regierung ihre neuen Energiepläne hinter verschlossenen
Türen. Das Wirtschaftsministerium zieht die Fäden, wie schon vor Fukushima,
mit den gleichen Leuten. Die Diskussion sollte offen sein, wie zuletzt in
Deutschland. Ihr habt die Sitzungen eurer Ethikkommission zum Atomausstieg
einen ganzen Tag am Stück im Fernsehen übertragen …
… das wolltet ihr euch nicht wirklich anschauen …
… aber jeder konnte sich informieren! Viele Japaner wissen nicht einmal,
dass es momentan wichtige energiepolitische Entscheidungen gibt. Auf der
Webseite der Regierung steht fast nichts.
Haben die Japaner den Willen, aus der Kernkraft auszusteigen?
Die Bevölkerung ja, die Regierung nein. Jüngste Umfragen haben gezeigt,
dass 70 Prozent aus der Kernenergie rauswollen. Aber die alte Lobby redet
den Menschen immer wieder ein, dass es ohne Atomkraft nicht geht. Und
obwohl sich viele einen Ausstieg wünschen, glauben sie am Ende, es sei
unmöglich.
Wie lang würde ein Ausstieg dauern?
Wir haben ein Szenario, das zeigt, dass wir bis kurz nach 2020 aussteigen
können. Das zeigen auch andere Wissenschaftler, nicht nur wir. Wir brauchen
keine neue Technik, die haben wir schon. Es gibt genug Wind, Sonne und
Meereskraft. Was wir brauchen, ist der politische Wille.
Und wie wollen Sie die alten Seilschaften brechen?
Das ist Aufgabe der japanischen Wirtschaft! Wegen Fukushima hatten sie erst
keinen Strom, dann waren ihre Produktionsanlagen verseucht. Früher stand
die Marke "Made in Japan" für Qualität, das Image ist jetzt dahin. All das
müsste dazu führen, dass sich die Wirtschaft gegen Atomkraft ausspricht.
Einige haben es bereits getan. Der Telekommunikationsanbieter Softbank hat
eine Kampagne gestartet und einen neuen Geschäftszweig für erneuerbare
Energien aufgebaut. Das ist aber zu wenig.
Wird der deutsche Atomausstieg in Japan beachtet?
Ja, sehr sogar! Viele Zeitungen haben groß über die deutsche Entscheidung
berichtet. Auch über das italienische Referendum gegen Kernkraft. Der
deutsche Atomausstieg ist sehr ermutigend für uns.
8 Jul 2011
## AUTOREN
(DIR) Ingo Arzt
## TAGS
(DIR) Schwerpunkt Atomkraft
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