# taz.de -- Die Halbfinalisten im Liga-Check: Und was geht zuhause?
       
       > Ein gutes Ligasystem ist Grundlage eines guten Nationalteams. Wie sieht
       > es mit dem Frauenfußball in den Ländern der Teilnehmerinnen des
       > Halbfinales aus?
       
 (IMG) Bild: In Frankreich ganz vorne: Champions League Siegerinnen von Olympique Lyon
       
       ## 
       
       Frankreich 
       
       Nicht zum ersten Male machen Frankreichs Spielerinnen jetzt Schlagzeilen.
       Vor zwei Jahren ließen mehrere Spielerinnen der Les Bleuettes, wie das Team
       abgeleitet von der blauen Kornblumenfarbe ihrer Leibchen und dem Ehrennamen
       der männlichen Nationalspieler (Les Bleus) genannt wird, die Hüllen fallen.
       Der französische Frauenfußball war damals noch so unbekannt, dass die
       Spielerinnen Werbung für ihren Sport machen wollten und sich deshalb für
       einen Kalender nackt ablichten ließen.
       
       Eigentlich sollte das eine Form des Protests gegen die Sportpresse sein.
       Diese hatte die respektablen Leistung der Bleuettes bei der EM 2009 nur mit
       einigen Zeilen gewürdigt. „Müssen wir es denn so weit kommen lassen, damit
       ihr uns spielen sehen kommt?“, fragten sie provokativ als Begründung ihres
       Striptease für den guten Zweck.
       
       Bislang gibt es in den französischen Klubs nur knapp 70.000 Spielerinnen
       mit Lizenz, was im Vergleich zu anderen Fußballnationen wie Deutschland und
       England oder auch den USA verschwindend wenig ist. Die Zahl der insgesamt
       kickenden französischen Mädchen wird auf eine halbe Million geschätzt.
       Gerade einmal 7 Prozent der französischen Profiklubs haben auch weibliche
       Teams mit Berufsspielerinnen. Es erstaunt darum nicht, dass die Mitglieder
       der Nationalelf fast ausschließlich aus drei von zwölf Spitzenklubs kommen:
       Olympique Lyonnais (OL), Paris Saint-Germain und Montpellier. Wobei die
       „Fenottes“ von OL, die die französische Meisterschaft der vergangenen fünf
       Jahre und 2011 auch die Champions League gewannen, sicher eine
       herausragende Stellung einnehmen. Zehn der Nationalspielerinnen kommen aus
       den Reihen von OL.
       
       Zwei Faktoren erklären den erstaunlichen Aufschwung des Frauenfußballs in
       Frankreich. Zum einen ist es die gezielte Förderung durch den nationalen
       Fußballverband FFF mit seinem nationalen Trainingszentrum in
       Clairefontaine. Zum anderen ist es der Erfolg des seit 2007 amtierenden
       Trainers Bruno Bini, der es verstanden hat, den Ehrgeiz der zu Unrecht
       Missachteten in eine kollektive Ambition zu verwandeln. „Wir haben
       geschuftet wie Verrückte. Und das ist nicht allein unser Verdienst. Es ist
       eine kollektive Leistung. Die Mädchen haben Fortschritte gemacht, und alles
       ist professioneller geworden, weil die Klubs besser funktionieren“,
       erläutert Bini das Erfolgsrezept. „Das ist psychologisch: Es ist eine
       Kultur des Möglichen, eine Kultur des Siegens.“ RUDOLF BALMER 
       
       ## 
       
       Japan 
       
       Anmut, Eleganz und Stärke sind Attribute, die eng verknüpft sind mit der
       japanischen Nelke Yamato Nadeshiko. Und mit dem japanischen Nationalteam
       der Frauen, das seit 2004 diesen Namen trägt.
       
       Ähnlich dem erfolgreichen Auftritt der Japanerinnen bei dieser WM lässt
       sich die Entwicklung des japanischen Frauenfußballs in den letzten Jahren
       beschreiben: flink, ehrgeizig, fleißig. Die Leistung ist kein
       Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis von „Nadeshikos Visionen“, der
       Strategie des Japanischen Fußballverbandes (JFA), mit der seit 2007 der
       Frauenfußball systematisch aufgebaut wird: Bis 2015 sollen 300.000 Frauen
       in Vereinen kicken, neue Stars wie Homare Sawa gesichtet und die
       Beliebtheit des Frauenfußballs gesteigert werden. Kühne Ziele, denn noch
       stößt die L-League als höchste Spielklasse auf geringes Interesse. Selten
       füllen mehr als 1.000 Fans die Tribünen, das Medienecho ist schwach.
       Positive Ausnahmen bilden Kombination aus Herren- und Damen-Partien, die
       die Urawa Red Diamonds und die Urawa Red Ladies praktizieren. Nur 10 der
       bisher etwa 37.000 gemeldeten Spielerinnen können sich über den Sport
       finanzieren. Und das, obwohl der sportliche Aufstieg der Nadeshiko in den
       letzten Jahren augenscheinlich ist: Qualifikation für alle sechs
       WM-Turniere, Platz 4 bei den Olympischen Spielen 2008 und ein Abo für das
       Halbfinale bei den Asien-Meisterschaften.
       
       Der Großteil der Frauen sind Studentinnen oder Freizeitfußballerinnen, die
       in den 1.200 gemeldeten Mannschaften spielen. Zehn Teams bilden die
       L-League, die höchste Spielklasse, die seit 2006 eines der größten
       japanischen Unternehmen, die MOC Corporation, als Hauptsponsor gewinnen
       konnte. Der Serienmeister kommt aus Tokio: NTV Beleza feierte fünf
       Titelgewinne in den letzten sechs Jahren, bis 2009 zauberte hier auch
       Starspielerin Homare Sawa.
       
       Auch ihre Popularität kann die strukturellen Probleme im Vereinsfußball
       aber nicht verdecken: Kaum eine der jungen Spielerinnen, die in den
       traditionell beliebten Schulmannschaften zum Sport finden, wechseln danach
       zu einem Verein. Auch hier setzt „Nadeshikos Vision“ an: Die
       Verbands-Homepage bietet eine Karte Japans, auf der alle Frauenfußballklubs
       eingezeichnet sind, bei denen man sich direkt als Vereinsmitglied eintragen
       kann.
       
       Das Tempo bei der Umsetzung der ehrgeizigen Visionen würde mit dem
       WM-Triumph der Nadeshiko mit Sicherheit anziehen. LENNART WEHKING 
       
       ## Aufschwung nach der Krise
       
       Schweden 
       
       „Häxdansen“ („Hexentanz“) hieß eine im Jahr 2008 vom schwedischen Fernsehen
       ausgestrahle Soap, bei dem es um die Abenteuer einer Frauenelf im fiktiven
       Dorf Bosjö ging. Wird der von Lotta Schelin & Co derzeit bei Torerfolg und
       Sieg vorgeführte eigene „Hexentanz“ dem Klubfußball des Landes wieder
       Aufschwung bringen? Nötig hat er es. Denn die Mitte der nuller Jahre als
       beste Liga der Welt gefeierte „Damallsvenskan“ schwächelt.
       
       Frauenfußball war in Schweden schon früh ein Volkssport und in den letzten
       15 Jahren der am schnellsten wachsende des Landes. Ligaspiele gab es auf
       regionaler Ebene seit 1968. Seit den 1970er Jahren existiert ein
       durchgängiges Ligasystem, seit 1988 als höchste Klasse die aus zwölf Klubs
       bestehende „Damallsvenskan“.
       
       Beherrscht wurde die fast ein Jahrzehnt lang vom nordschwedischen Umeå.
       Umeå IK gewann in neun Jahren siebenmal die Meisterschaft. In Umeå kamen zu
       den Heimspielen im Schnitt 3.000 ZuschauerInnen – doppelt so viele wie in
       andere Stadien –, manchmal über 7.000. (Die Herren-“Allsvenskan“ kam in der
       vergangenen Saison im Schnitt auf 6.500.)
       
       In Umeå spielten die Spitzenfußballerinnen, und 2004 hatte der Verein eine
       17-jährige Brasilianerin unter Vertrag genommen, die sich hier zum Weltstar
       entwickelte: Marta. Dass ausgerechnet Umeå, wo bis dahin nur die
       Eishockeycracks von „Björklöven“ etwas halten, eine Führungsrolle im
       Frauenfußball zufiel, ist allerdings kein Zufall. Denn Umeå gilt als die
       schwedische Frauenstadt. „Frauenuniversität“ oder auch „feministische
       Festung“ wurde die 1965 hier gegründete Uni lange genannt.
       
       Live im Fernsehen übertragen war die Liga auch für Sponsoren interessant.
       Vereine wie der Stockholmer Djurgården, Linköping oder Kopparbergs-Göteborg
       versuchten den Erfolg Umeås nachzuahmen. Teilweise mit gewagten Budgets. In
       der Wirtschaftskrise 2009 sprangen viele Sponsoren ab. Das
       Zuschauerinteresse sackte aber auch mangels internationaler Erfolge der
       Nationalelf. Fast alle Klubs schrieben rote Zahlen, Stars wie Marta
       wanderten in finanziell attraktivere Ligen ab. Bei der WM in Deutschland
       besteht fast die Hälfte der regulären schwedischen Startelf aus
       „Legionärinnen“.
       
       Selbst wenn die Nationalelf bei dieser WM nicht gewinnt – die wieder
       steigenden Zuschauerzahlen in den Stadien des Landes steigern die Vorfreude
       auf die Olympiade 2012 und die EM 2013. REINHARD WOLFF 
       
       ## XXL mit Niveau
       
       USA 
       
       Die USA sind beim Frauenfußball eine echte Vorzeigenation. 1,7 Millionen
       Frauen und Mädchen sind dort aktiv. Nur in Deutschland und Brasilien kicken
       mehr Frauen.
       
       Etwa 40 Prozent aller gemeldeten Spieler in den USA sind weiblich. Aufgrund
       der Erfolge des amerikanischen Frauenteams in den letzten Jahren erlebt der
       Fußball einen Aufschwung. Die Erste Liga, die „United States Interregional
       Womens League“ (USL), wurde 1995 gegründet und von der „Womens United
       Soccer Association“ (WUSA) abgelöst. Im März 2009 wurde eine neue
       gegründet, die „Womens Professional Soccer“ (WPS). Die WPS umfasst zwar nur
       sechs Vereine, gilt aber aufgrund des hohen Niveaus als die beste Liga der
       Welt. Sämtliche amerikanischen Nationalspielerinnen und auch die
       brasilianische Ausnahmekönnerin Marta stehen dort unter Vertrag.
       
       Die Spielerinnen werden allerdings nicht von den jeweiligen Teams unter
       Vertrag genommen, sondern von der Liga selbst. Diese hatte in der ersten
       Saison das Unternehmen Puma als Hauptsponsor an Land gezogen, doch viele
       Vereine haben Probleme, lukrative Sponsoren aufzutreiben. Los Angeles Sol,
       Vizemeister 2009, musste deswegen nach nur einem Jahr den Spielbetrieb
       einstellen. Um die finanziellen Mittel der Teams nicht auszureizen und den
       Nachwuchs zu fördern, dürfen seit 2010 pro Team nur vier internationale
       Spielerinnen im Kader stehen.
       
       Die Highschool bietet den Mädchen die erste Gelegenheit, Fußball zu spielen
       und regelmäßig zu trainieren. Anschließend haben sie die Möglichkeit, in
       eines von insgesamt 300 Collegeteams einzutreten. Die meisten jungen Frauen
       entscheiden sich allerdings gegen eine Profikarriere, gehen lieber
       studieren oder wählen einen anderen Beruf. Fußball ist zwar bei den Frauen
       bereits Volkssport Nummer eins, dennoch wünscht man sich noch größeren
       Zuspruch.
       
       Die Amerikaner beklagen besonders, dass es zu viele Unentschieden gibt,
       dass in einer Partie zu wenig Tore fallen, aber auch, dass der Markt im
       Sport in den Vereinigten Staaten gesättigt sei. Mia Hamm, die
       erfolgreichste Fußballerin aller Zeiten, versucht den Aufschwung in den USA
       weiter voranzutreiben. Sie hat eine Stiftung gegründet, die besonders junge
       Mädchen unterstützt. Denn trotz der gesetzlichen Regelung herrscht nach wie
       vor keine Gleichberechtigung zwischen Männer- und Frauensport in den USA.
       Das gilt speziell für den Fußball. RICHARD MUSSBACHER
       
       12 Jul 2011
       
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