# taz.de -- Pellworm und die Erneuerbaren Energien: Die Idee einer Insel
       
       > Die kleine Nordseeinsel Pellworm will Modellgemeinde werden für
       > Erneuerbare Energien. Künftig will sich das Eiland vollständig selbst mit
       > Energie versorgen, und dazu noch Strom ans Festland liefern.
       
 (IMG) Bild: Strukturschwach aber Vorreiter, was Erneuerbare Energien angeht: die Nordseeinsel Pellworm.
       
       PELLWORM taz | Eine Ampel, ein Leuchtturm, ein Fähranleger. Zwei Kirchen,
       zwei Kaufmannsläden, die gegenseitig die Preise hochtreiben. Ein kleiner
       Hafen mit bunten Krabbenkuttern, darum versprengt die reetgedeckten Höfe
       auf ihren Warften. Auf der kleinen Insel ticken die Uhren etwas anders, die
       Menschen reden vom Schneewinter von 1978, als sei es gestern gewesen.
       
       Pellworm: eine Insel eben. Das strukturschwache, landwirtschaftlich
       geprägte Eiland zählt zu den ärmsten Gemeinden Deutschlands. Die längste
       Zeit waren die Badegäste die größte Hoffnung der Insulaner - doch ohne
       Sandstrand wie auf Föhr oder Sylt fand man kein rechtes
       Alleinstellungsmerkmal.
       
       Das hat sich mit der im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankerten
       Einspeisevergütung für Ökostrom dramatisch verändert. Heute gilt Pellworm
       als geradezu vorbildhaft in Sachen Erneuerbare Energien. Das erste
       Solarfeld entstand bereits 1983, zahllose Windräder säumen das nördliche
       Deichvorland.
       
       Mehrere Windparks, teils fest in Bürgerhand, eine Biogasanlage und eins der
       größten Hybrid-Kraftwerke Europas, das Eon Hanse mitten auf der Insel
       errichtet hat, erzeugen heute schon mehr Strom, als vor Ort überhaupt
       verbraucht wird. So soll der Strom den Insulanern günstiger angeboten
       werden als vom Festland eingekaufter. Eine ganze Insel entwickelt sich zum
       Versuchsfeld. Und eine wenig fortschrittsgläubige 1.000-Seelen-Gemeinde
       zeigt heute schon, wie die zukünftige Energiewende praktisch aussehen
       könnte.
       
       Gemeinsam mit Forschern der Fachhochschule Westküste und dem Fraunhofer
       Anwendungszentrum Systemtechnik, und dem Netzbetreiber Schleswig-Holstein
       Netz AG hat der regionale Energieversorger-Eon Hanse nun eine
       Machbarkeitsstudie erarbeitet, die der Insel einen Weg in ihre
       Energie-Autonomie weisen soll.
       
       Steffen Nicolai vom Fraunhofer-Zentrum stellt die Studie auf Pellworm vor.
       Sein Ergebnis: Die Nordseeinsel sei ideal, um ein "intelligentes Stromnetz"
       in einem kleinen, überschaubaren Maßstab zu realisieren. Ein "intelligentes
       Stromnetz" - englisch "Smart Grid" - ist ein Strom-Managementsystem, bei
       dem Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Verbrauch miteinander
       kommunizieren und sich aufeinander abstimmen.
       
       Dafür soll in den Ausbau des Stromnetzes, Speichertechnologien und
       Kommunikationstechnik investiert werden. Mit dem Hybrid-Kraftwerk vor Ort,
       den richtigen Speichern und flexiblen Lasten, könnte Pellworm die vom
       Festland bezogene Energie so um 90 Prozent reduzieren. Und in ein, zwei
       Jahrzehnten sogar so viel Strom produzieren, dass sie sieben
       Gigawattstunden selbst verbrauchen und mindestens weitere 15 ans Festland
       liefern könnten. "Pellworm wird eine Exportinsel", sagt Nicolai.
       
       Zudem haben die Forscher die Insulaner zu ihren Vorstellungen befragt. Die
       Umfragen sind positiv ausgefallen, ganz so als handelte es sich um eine
       fortschrittliche Metropole und nicht um eine traditionelle
       Inselgemeinschaft. Die Projektpartner loben die hohe Akzeptanz der
       Insulaner für die Veränderungen, die auf sie zukommen.
       
       Der Energieversorger Eon Hanse positioniert sich dabei als leistungsstarker
       Partner für die Nordseeküste, der die Zersplitterung der Stromlandschaft
       verhindern soll. Eon ist merklich interessiert daran, nicht nur mit
       Atomkraft verbunden zu werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende, Dierk Paskert,
       für den Ortstermin im Wattenmeer von München eingeflogen, merkt an, dass
       Eon 84 Windparks in ganz Europa betreibt.
       
       Die Pellwormer sind stolz auf die negative CO2-Bilanz ihrer Insel,
       mittlerweile haben fast alle Privathäuser - die ohne Reetdach - Solarpanels
       auf dem Dach, um die vielen Sonnenstunden auszunutzen. Das Know-how stammt
       von der Insel: Zwei örtliche Installateurs-Betriebe haben sich so
       erfolgreich auf Solaranlagen spezialisiert, dass sie schon aufs Festland
       expandieren.
       
       Somit sollen auch die Leitungen zum Festland nicht gekappt werden, im
       Gegenteil. Doch bis der Stromfluss in den Leitungen die Richtung wechselt,
       kann es noch dauern. Andererseits: Auf der dänischen Insel Samsö,
       Vorbild-Insel für das Pellwormer Energiemodell und seit 2009 allein dank
       Windkraft und Biomasse-Heizungen Energie-autark, hat es auch funktioniert.
       
       28 Jul 2011
       
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