# taz.de -- Kommentar Geißlers Spruch: Magisches Denken
       
       > Geißlers Kritiker tun so, als würde bestimmten Wörtern per se etwas Böses
       > innewohnen - weshalb man sie nie aussprechen sollte. Doch ist das Denken
       > dahinter entscheidend.
       
       Heiner Geißler ist ein alter Fuchs. Erst mimte er ein paar Tage lang die
       ahnungslose Unschuld. Nun endlich gibt er zu, dass es sich bei seinem
       Goebbels-Zitat vom "totalen Krieg" nicht um eine zufällige Entgleisung
       handelte - sondern dass er die Formulierung am vergangenen Freitag bewusst
       gewählt hat, um die Konfliktparteien zum Einlenken über "Stuttgart 21" zu
       bewegen. Fraglich, ob ihm das mit seiner provokanten Überspitzung gelungen
       ist. Aber damit könnte man es nun gut sein lassen.
       
       Ein wenig erinnert die Empörung, die Geißler mit seinem Einwurf in einigen
       Medien ausgelöst hat, an die Aufregung um die ZDF-Sportmoderatorin Katrin
       Müller-Hohenstein. Die hatte bei der letzten Fußball-WM gemutmaßt, der
       Torschütze Miroslav Klose müsse jetzt wohl einen "inneren Reichsparteitag"
       empfinden. Anders als sie wählte Geißler seine Worte aber mit Kalkül - und
       legt so die Logik deutscher Empörungsrituale bloß.
       
       Besonders bigott ist die Kritik der Bild-Zeitung. Die feiert bis heute
       einen ehemaligen Vorstand der Bundesbank als "Tabubrecher", obwohl der mit
       Thesen hausieren geht, deren Nähe zu den Rassentheorien und der
       Mutterkreuz-Ideologie der Nazis ins Auge sticht. Aber über Geißlers
       Goebbels-Zitat empört sie sich nun.
       
       Aus solcher Kritik spricht magisches Denken - als würde bestimmten Wörtern
       per se etwas Böses innewohnen und es ließe sich bannen, indem man sie nicht
       ausspricht. Doch Formulierungen wie "Wollt ihr den totalen Krieg?" und wie
       "innerer Reichsparteitag" gehören nun einmal zum deutschen Wortschatz. Es
       kommt darauf an, mit welcher Intention und in welchem Zusammenhang man sie
       benutzt - und es ist völlig absurd, einem Heiner Geißler vorzuwerfen, er
       hätte die Verbrechen der Nazis relativieren wollen. Wichtiger als Worte ist
       das Denken, das hinter ihnen steckt.
       
       3 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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