# taz.de -- Wahlkampf in Russland: "Russland, Titten, Putin"
       
       > Sie heißen "Medwedew-Girls" und "Putin-Armee". Junge Russinen waschen im
       > Bikini Autos und strippen gegen Bierkonsum. Wer hinter den zweifelhaften
       > Kampagnen steht, ist unklar.
       
 (IMG) Bild: Populismus und Sexismus: Wahlkampf auf Russisch.
       
       MOSKAU dpa | Mit viel nackter Haut läuten Anhängerinnen von Präsident
       Dmitri Medwedew und Regierungschef Wladimir Putin in Russland die heiße
       Phase des Superwahljahres ein. Autowaschen in knappen Höschen und engen
       T-Shirts oder eine Strip-Show im Gegenzug für weggekipptes Bier - unter
       großem Medieninteresse ringen "Medwedew-Girls" und "Putin-Armee" in Moskau
       um Aufmerksamkeit. Nackte Haut ist Teil des Präsidentenwahlkampfs im März
       2012. Medwedew und Putin haben noch immer nicht bekanntgegeben, wer von
       ihnen antritt. Allerdings sind die Putin-Unterstützer deutlich umtriebiger
       als die Medwedew-Fans.
       
       "Wir würden alles für Präsident Medwedew tun", sagt Anna Sirotkina. Die
       junge Frau - Anfang 20, schlank, lange Beine, blonde Haare - ist ein
       "Medwedew-Girl". Die Gruppe hat sich in einem sozialen Netzwerk im Internet
       gegründet. Wer hinter den schönen Russinnen steckt, ist nicht bekannt. Es
       sei eine private Initiative, behauptet Anna. Und ein Regierungssprecher
       wiegelt ab, Putin habe mit der weiblichen "Armee", die seinen Namen trägt,
       nichts zu schaffen.
       
       Doch Beobachter glauben, dass die Aktionen mit dem Segen des Kreml oder des
       Regierungssitzes über die Bühne gehen. Mehrere tausend Euro stehen laut
       Medienberichten zur Verfügung. In einem Internetclip wirbt die
       "Putin-Armee" für eine Kandidatur des Regierungschefs. "Was würdest du für
       deinen Präsidenten tun", fragt die hübsche Diana - und reißt sich ihr
       T-Shirt vom Leib. "Das Video ist das Werk von Profis", urteilt der Blogger
       Rustam Agadamow. "Es ist offensichtlich, dass solche Dinge nicht ohne
       Genehmigung der Obrigkeit geschehen."
       
       ## "Medwedew ist ein guter Mann, wohlgebaut..."
       
       "Wähle: Bier oder wir" lautet das Motto der "Medwedew-Girls". Junge Männer
       schütten in dem offensichtlich inszenierten Akt ihr Bier weg - dafür ziehen
       sich Anna und zwei Mitstreiterinnen unter dem Klicken von Fotoapparaten
       mitten in Moskau bis auf den Bikini aus. "Medwedew ist ein guter Mann,
       wohlgebaut, ein Manager", schwärmt Anna. Die meisten Russinnen aber halten
       den Präsidenten im Gegensatz zu Putin, der sich gern als Macho inszeniert,
       für einen Weichling.
       
       Mit ihrem Striptease werben die jungen Frauen angeblich für ein neues
       Gesetz, das künftig Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit sowie den
       Bierverkauf an Ständen verbietet. "Medwedew verfolgt eine richtige
       Politik", sagt Anna. Sie erwähnt nicht, dass schon Ex-Kremlchef Michail
       Gorbatschow mit einem solchen Plan scheiterte.
       
       Die Medwedew-Groupies sind spät dran. Denn bereits seit Wochen rollt die
       Unterstützerwelle für Putin in gigantischem Ausmaß. Beobachter in Moskau
       sehen darin ein klares Zeichen, dass damit die Weichen für eine Rückkehr
       Putins in den Kreml 2012 gestellt werden.
       
       ## Putin löscht Waldbrände und verprügelt Terroristen
       
       Zunächst wurde der Ministerpräsident in einem Internetcomic als Superheld
       gezeichnet, der Russland vor Terroristen und Querulanten rettet. Nun ist
       der Ex-Kremlchef Hauptfigur in einem Internetspiel. In "Like Putin" (Wie
       Putin) schlüpft der Spieler in die Rolle des Ministerpräsidenten: Putin
       löscht Waldbrände, Putin holt die Fußball-Weltmeisterschaft und die
       Olympischen Winterspiele nach Russland - und Putin verprügelt Terroristen.
       Der Titel stammt von einem bekannten Popsong: Darin wünscht sich die
       Sängerin einen Mann "wie Putin". Bereits im vergangenen Jahr gratulierten
       Studentinnen dem Regierungschef mit einem erotischen Kalender zum
       Geburtstag.
       
       Der Wahlkampf ohne Tabus stößt aber nicht bei allen auf Gegenliebe: Zu
       sexistisch, kritisieren viele konservative Russen. Mit Rufen wie "Russland,
       Titten, Putin", stören Gegnerinnen eine Aktion. Einige Politologen glauben
       jedoch, dass Gegner Putins oder Medwedews die hübschen Frauen angeheuert
       haben. "Junge Leute lassen sich mit Sex als Werbung nicht anlocken, und
       viele traditionelle Unterstützer werden abgeschreckt", sagt Andrej Muchin
       vom Zentrum für Politische Informationen in Moskau. Die nächste Aktion
       planen Anhänger des Führungstandems jedenfalls gemeinsam: Auf
       Tandem-Fahrrädern wollen sie vom Kreml zum Regierungssitz fahren.
       
       5 Aug 2011
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Doppelherrschaft in Russland: Zurück auf die Ersatzbank
       
       Russlands Präsident Medwedjew hat keine Akzente setzen können – die Fäden
       zieht nach wie vor Regierungschef Wladimir Putin. Er will 2012 in den Kreml
       zurück.
       
 (DIR) Kommentar Quadriga-Preis: Putins Image ist angeschlagen
       
       Russland muss registrieren, dass Putin in Europa nicht preiswürdig ist. Die
       Preisrichter haben auf ihre Art dem Regime in Moskau effektiv ein Stück
       Legitimation entzogen.
       
 (DIR) Quadriga-Preis für Putin: Ein unwürdiger Preisträger
       
       Wladimir Putin bekommt den Quadriga-Preis verliehen, denn er hat alles, was
       ein "Leader" braucht. Handelt es sich um einen Scherz? Nein, leider nicht.
       
 (DIR) Oligarch Michail Prochorow: Wladimir Putins Pseudogegner
       
       Der "begehrteste Junggeselle" Russlands will Wladimir Putins Partei
       Konkurrenz machen und bei den Wahlen im Dezember in die Duma einziehen.
       
 (DIR) Wahlkampf in Russland: Für Putin an die Front!
       
       Der Regierungschef gründet eine neue politische Gruppe – die Allrussische
       Volksfront. Sie soll seiner Staatspartei Vereinigtes Russland zu einer
       Zweidrittelmehrheit verhelfen.