# taz.de -- Kommentar Börsenentwicklung: Ein rationaler Weckruf für die Politik
       
       > Die Weltwirtschaft schwankt, der Dax reagiert. Das ist nicht weiter
       > verwunderlich, zeigt aber doch, dass Handlungsbedarf besteht.
       
       Tiefenrausch, Panikverkäufe, verrücktspielende Märkte: In der Beschreibung
       der jüngsten Entwicklung an der Börse überschlagen sich viele Medien und
       Analysten mit Katastrophenvokabular. Bisher scheint das übertrieben: Die
       Kurse sind in dieser Woche zwar deutlich gesunken, aber von einem Absturz
       wie nach der Lehman-Pleite sind sie weit entfernt. Der DAX hat die Gewinne
       des letzten Jahres verloren, der Dow Jones die der letzten sechs Monate.
       
       Das ist nicht verrückt, sondern durchaus rational. Denn dass der
       Aktienmarkt angesichts der weitweiten Wirtschaftsprobleme zuletzt völlig
       überbewertet war, ist unbestritten. Verwunderlich ist eher, dass es so
       lange gedauert hat, bis die Korrektur einsetzte. Doch auch wenn der
       Kursverlust an den Börsen keineswegs das Hauptproblem ist, so ist er doch
       ein wichtiges Zeichen - und zwar dafür, dass die politischen Entscheidungen
       der letzten Wochen nicht geeignet waren, die strukturellen wirtschaftlichen
       Ursachen der Probleme zu beheben - weder in den Vereinigten Staaten noch in
       Europa.
       
       In den USA weicht die Erleichterung darüber, dass die drohende
       Zahlungsunfähigkeit abgewendet wurde, inzwischen der Erkenntnis, dass die
       im Gegenzug beschlossenen massiven Einsparungen die Wirtschaft abwürgen
       werden. Und in Europa zeigt sich immer deutlicher, dass die beim jüngsten
       Gipfel beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Eurokrise dauerhaft
       zu lösen.
       
       Es gibt noch immer keine echten Eurobonds, die eine Spekulation gegen
       Staatsanleihen einzelner Länder unmöglich machen würden. Die umstrittenen
       Kreditausfallversicherungen, die für die spekulativen Attacken genutzt
       werden, sind noch immer nicht reguliert. Und der Ankauf von Staatsanleihen
       durch die Zentralbank, der in Großbritannien oder den USA völlig normal
       ist, sorgt in Europa immer noch für großen Streit.
       
       Diese Verunsicherung hat nicht nur in der Eurozone und den USA selbst
       konkrete Auswirkungen, zum Beispiel auf Kaufkraft und Arbeitsmarkt. Auch
       andere Regionen werden mitgerissen, etwa weil Anleger bei der Flucht aus
       Euro und Dollar auf Drittwährungen setzen - ob aus der Schweiz, Japan oder
       Brasilien - und durch den Kursanstieg dort dem Exportmarkt große Probleme
       bereiten.
       
       Weil in den USA nach dem Grundsatzbeschluss zum massiven Sparen ein
       Gegensteuern gegen die drohende Rezession kaum möglich scheint, liegt die
       Verantwortung nun vor allem bei der EU. Eine gemeinsame Finanzpolitik, die
       spekulative Attacken verhindert, und eine gemeinsame Wirtschaftspolitik,
       die auf ökologisches Wachstum setzt, sind der Schlüssel dazu, dass sich die
       Krise nicht wirklich zur Katastrophe ausweitet.
       
       5 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Börsen tief im Minus: Wohin mit dem vielen Geld?
       
       Weltweit hat sich eine Vermögensblase gebildet. Wohin dieses Kapital
       fließen könnte – und was volkswirtschaftlich sinnvoll und hilfreich wäre.
       
 (DIR) Panik am Aktien-Markt: Nix für Protestanten
       
       Innerhalb einer Woche rauschten die Aktienindizes in die Tiefe – allen
       voran DAX und Dow Jones. Ist die globale Krise jetzt wieder da?