# taz.de -- taz-Serie zum Mauerbau (Teil 2): Die gespaltene Union
       
       > Zwei Fußballvereine mit dem Namen Union spielen in Berlin. Sie haben die
       > gleichen Wurzeln. Nach der Spaltung haben sie nie wieder
       > zusammengefunden.
       
 (IMG) Bild: Eine Einheit? Aktuelles Mannschaftsfoto vom 1. FC Union Berlin.
       
       Union ist ein lateinisches Wort. Das deutsche Pendant heißt Einheit.
       Vereinigung. Doch ausgerechnet der Berliner Fußballverein mit dem Namen
       Union wurde durch die Teilung Berlins gespalten. "Wir sind der Verein, der
       am meisten unter dem Mauerbau gelitten hat", sagt Harry Ruttke. Der
       80-Jährige bekleidete seit 1969 Vorstandsämter beim SC Union 06.
       
       Heute spielt der 1. FC Union Berlin in der Zweiten Liga. Er hat sein
       Stadion an der Alten Försterei in Köpenick und gilt als der Ost-Club
       schlechthin. Doch der Vereinsname Union hat eine lange Geschichte und
       taucht in verschiedenen Varianten auf. Aus mehreren Vorläufervereinen hatte
       sich vor gut 100 Jahren der SC Union Oberschöneweide gebildet, der 1923
       deutscher Vizemeister wurde.
       
       Schon 1950 bekamen die Oberschöneweider den Ost-West-Konflikt zu spüren. Da
       führte der Westberliner Fußball-Verband VBB den Vertragsspielerstatus in
       der Gesamtberliner Stadtliga ein. Der "Deutsche Sportausschuss" im
       sowjetischen Sektor sperrte sich jedoch gegen das kapitalistische Profitum.
       Leidtragender war der SC Union. Die DDR-Behörden verweigerten den
       Köpenickern die Interzonenpässe für die Partie um die deutsche
       Meisterschaft beim Hamburger SV.
       
       Daraufhin siedelten zahlreiche Spieler und Funktionäre aus Köpenick in den
       Westteil der Stadt über. Im Kreuzberger "Süd-Ost-Kasino" gründeten sie am
       9. Juni 1950 einen neuen Verein: den Sportclub Union 06, der fortan im
       Poststadion in Moabit spielte. Herbert Raddatz, mit über 1.000 Einsätzen
       Unions Rekordspieler, blieb im Ostsektor. "Er hatte dort ein Häuschen und
       einen Arbeitsplatz", berichtet der Veteran Harry Ruttke.
       
       Viele Fans aus Oberschöneweide hielten ihrem nun im Westen spielenden Team
       die Treue. "Die Anhänger wollten Leistung sehen. Man fuhr einfach mit der
       S-Bahn zum Poststadion. Wir, die wir in Köpenick geblieben sind, haben die
       Leistung nicht gebracht", erzählt der heute 85-jährige Günter Mielis, der
       als Knirps bei SC Union Oberschöneweide spielte und später Präsident des 1.
       FC Union wurde.
       
       "Die meisten unserer Zuschauer kamen aus dem Osten", bestätigt Ruttke.
       "Rund 4.000 waren es pro Heimspiel. Das wussten wir so genau, weil Ostler
       bei Union 06 eine Mark Ost Eintritt zahlten, die dann von der Bank
       deutscher Länder im Verhältnis eins zu eins umgetauscht wurden." Auch
       zahlreiche Spieler wohnten weiterhin im Osten.
       
       Die DDR-Behörden verfolgten die Ost-West-Connection misstrauisch. Anstoß
       erregte vor allem der "Union-Schwur" der Moabiter zum 50. Vereinsjubiläum
       1956. Darin heißt es: "Heilig, heilig erklingt es vom hohen Olymp. Heilig
       der Boden draußen in der Wuhlheide, wo die gute alte Heimat der Unioner
       liegt. Heilig auch der Eid, ihn wieder betreten zu wollen."
       
       Der Mauerbau traf den Verein hart. Mit dramatischen Worten beschrieb
       Clubchef Günter Funke jenen 13. August 1961, einen Sonntag, an dem SC Union
       06 gegen Tasmania 1900 antreten sollte: "Kurz vor Spielbeginn (…) mussten
       noch durch den eilig herbeigeholten 2. VBB-Vorsitzenden Genthe zwei Spieler
       unter Vertrag genommen werden, damit die erforderliche Zahl Vertragsspieler
       vorhanden war, trotzdem die in Ostberlin wohnhaften Spieler Koehler und
       Jacobs (Sprung über Stacheldraht am Brandenburger Tor) noch geradeso nach
       Westberlin gelangt waren." Über die Mauer hinweg hielt die West-Union
       Kontakt zur Ost-Basis. "Wir schickten Weihnachten immer 50 Pakete an
       Mitglieder im Osten, die beitragsfreigestellt waren. Von denen ist keiner
       ausgetreten", so Ruttke.
       
       Am 6. Dezember 1961 druckte die im Osten erscheinende Berliner Zeitung eine
       Abrechnung mit den "Grenzgängern des Sports". Titel: "Unioner bekennen sich
       zu DDR". Auslöser war ein Schreiben von Paul Zimmermann, bis 1958 im
       Vorstand beim SC Union 06. In seiner neuen Funktion als Sektionsleiter
       Fußball bei SG Union Oberschöneweide, dem in Köpenick verbliebenen Rest des
       Ursprungsvereins, appellierte Zimmermann an früher für SC Union 06
       spielende und nun im "demokratischen Sektor" (Ostberlin) wohnende
       Fußballer, sich der SG Union Oberschöneweide anzuschließen. Pikanterweise
       verfasste er das Schreiben auf Briefpapier des SC Union Oberschöneweide.
       
       Über die "Affäre Zimmermann" schrieb die Berliner Zeitung damals: "Mußte
       schon der Inhalt dieses Schriftstücks mit seinem Aufrühren alter
       schädlicher Traditionen befürchten lassen, daß bei der SG Union
       Oberschöneweide eine Konzentration ehemaliger in Westberlin spielender
       Aktiver und damit eine Zusammenballung des bürgerlichen Nur-Sportlertums
       geplant ist, so verdichtete sich dieser Verdacht noch durch den
       aufgedruckten Kopf des Rundschreibens. Enthielt dieser doch Daten und
       Erfolge teilweise sogar aus der Nazizeit."
       
       Auch Union-Idol Raddatz musste sich von den "Machenschaften des
       Spalterklubs" distanzieren und Vereinsauszeichnungen nach Moabit
       zurückschicken. Der frühere Berliner Auswahlspieler wird mit den Worten
       zitiert: "Ich bin vor 1945 nicht in die Nazi-Partei gegangen, ich bin auch
       bei der Spaltung von Union hiergeblieben und gehe in der DDR meiner Arbeit
       nach, ich bin auch bereit, weiterhin bei der SG Union als alter
       Oberschöneweider eine gesunde sportliche Aufgabe zu erfüllen."
       
       Dennoch war Union in Ostberlin bald Geschichte. Als die Sportgemeinschaft
       in die entlegenen Müggelberge ziehen sollte, wurde die Fußballabteilung
       aufgelöst. Die DDR-Sportführung versuchte, in der Alten Försterei einen
       Club anzusiedeln, der den Mythos wiederbelebte. Erst dem 1966 gegründeten
       1. FC Union gelang dies. Der neue Verein übernahm den alten
       Oberschöneweider Schlachtruf "Eisern Union" und das Malocher-Image der
       geflohenen "Schlosserjungs". Jedoch tauschte der 1. FC das traditionelle
       Blau-Weiß des Oberschöneweider Originals gegen rot-weiße Clubfarben ein.
       
       Nach dem Fall der Mauer nahmen Rot-Union und Blau-Union Kontakt auf. Man
       kooperierte im Nachwuchsarbeit. In der Saison 1995/96 kamen sich beide
       Clubs gefährlich nahe. SC Union 06 (West) fusionierte mit dem SC
       Oberschöneweide aus dem Ostteil der Stadt und zog als SC Union 06
       Oberschöneweide ins Thälmann-Stadion - neben die Alte Försterei. Angeblich
       war das Erbbaurecht an der Alten Försterei Sinn und Zweck des Comebacks in
       Köpenick. Der FC hatte damals Lizenpronleme. Doch nach nur einem Jahr zog
       die 06-Union zurück ins Poststadion.
       
       Als 2006 die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland stattfand, wollten
       beide Unions friedlich fusionieren. "Mit einem Paukenschlag nach dem Motto:
       Jetzt kommt zusammen, was zusammengehört", erinnert sich Harry Ruttke.
       
       Am 20. Mai 2006 empfing der 1. FC Union den SC Union 06 zum Duell unter
       Fußball-"Brüdern". Der SC unterlag dem FC mit 0:6. Die Fusionsgespräche
       aber verliefen im Sand. So kicken beide Teams weiter getrennt. Der 1. FC
       Union spielt am Tag vor dem Mauerbaujubiläum in der Zweiten Liga bei Dynamo
       Dresden. Der SC Union 06 tritt erst eine Woche später an, sechs Klassen
       tiefer in der Bezirksliga gegen den Spandauer SV.
       
       9 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
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       gibt es noch heute: die Stiftung Stadtmuseum und die Rundfunkorchester und
       Chöre GmbH.