# taz.de -- Streit der Woche: Althusmann findet Turbo-Abi klasse
       
       > In zwölf Jahren bis zur Hochschulreife: Bleiben die Schüler auf der
       > Strecke? Die Qualität der Ausbildung leide jedenfalls nicht, sagt der
       > Präsident der Kultusministerkonferenz.
       
 (IMG) Bild: Ein Jahr gewonnen - dafür gibt es ein paar Jahre Dauerstress.
       
       Bernd Althusmann ist vom Turbo-Abi überzeugt. Das G8-Abitur sei ein
       "richtiger Schritt, der keinem schadet", sagte Althusmann im Streit der
       Woche der sonntaz. Kein Wunder, schließlich ist der CDU-Mann als
       Kultusminister Niedersachsens und Präsident der Kultusministerkonferenz für
       die Umsetzung des Turbo-Abis verantwortlich. In vielen europäischen Staaten
       sei das Turbo-Abi längst die Norm, man habe die Lehrpläne inzwischen auf
       die ein Jahr kürzere Schulzeit ausgerichtet.
       
       "Die geringere Zahl der Schuljahre hat nichts mit der Qualität des Abiturs
       zu tun", sagte Althusmann, die Leistungen der G8-Abiturienten würden sich
       kaum von denen der G9-Schüler unterscheiden. "Unserer Schüler und
       Schülerinnen gewinnen ein Jahr!", sagt Althusmann und meint damit, dass die
       Schüler durch die kürzere Schulzeit auch schneller auf die Universität
       gehen könnten.
       
       Viele Turbo-Abiturienten müssen sich nach der Schulzeit aber erstmal
       erholen - das ist jedenfalls die Beobachtung von Ulrike Köllner, die sich
       als Vorsitzende des Vereins Gymnasialeltern Bayern gegen das Turbo-Abi
       engagiert. "Am Ende des achtjährigen Gymnasiums sind unsere Kinder so
       lernmüde, dass sich viele ein Jahr Auszeit nehmen, ehe sie studieren", sagt
       Köllner, die zwei Kinder auf dem Gymnasium hat.
       
       Das Turbo-Abi mache die Kinder zu "Lernrobotern", die den Schulstoff zwar
       im Eiltempo aufnehmen, aber kaum verarbeiten würden - jedenfalls nicht in
       der Schule. Stattdessen müsse dies nun in der Freizeit erledigt werden.
       Köllner plädiert deshalb dafür, die Lernpläne auf ein Mindestmaß zu
       reduzieren und stattdessen auf Projektarbeit zu setzen, um sozialen
       Fähigkeiten der Schüler zu fördern.
       
       Heinz-Peter Meidinger ist als Bundesvorsitzender des Philologenverbandes so
       etwas wie der oberste Gymnasiallehrer Deutschlands. Meidinger ist für eine
       verlässliche Bildungspolitik, will also keine Abkehr vom Turbo-Abi.
       
       Allerdings ist er der Meinung, dass das Turbo-Abi in seiner jetzigen Form
       vielen Schülern schade und deshalb nachgebessert werden müsse: Die
       Gymnasien müssten flächendeckend zu Ganztagsschulen ausgebaut werden, die
       Klassen sollten verkleinert und mehr Lehrer eingestellt werden, um die
       Qualität des Abiturs zu erhalten.
       
       Claudia Radelow aus Niederwiesa in Sachsen versteht die Aufregung um das
       Turbo-Abi nur bedingt. Radelow hat das Abitur in zwölf Jahren gemacht -
       denn in Sachsen wie auch in Thüringen wurde das in der DDR eingeführte
       G8-Abitur nach der Wende beibehalten.
       
       "Eine prinzipielle Verteufelung des Turbo-Abis kann ich nicht
       nachvollziehen", schreibt die Medienwirtin auf der Facebookseite der taz.
       Sie komme damit "bisher sehr gut" durchs Leben, und auch der Lernstress
       habe sich - zumindest in ihrem Fall - in Grenzen gehalten.
       
       Außerdem debattieren im Streit der Woche in der sonntaz: Mike Nagler,
       Sprecher für Bildungspolitik im Attac-Koordinierungskreis, Julia Saalmann,
       Referentin für Bildungspolitik bei der Initiative Neue Soziale
       Marktwirtschaft, sowie Ralf Treptow, Leiter eines Gymnasiums und Sprecher
       der Vereinigung der Berliner Oberschuldirektoren.
       
       20 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timo Kather
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Streit der Woche: Schadet das Turbo-Abi den Kindern?
       
       Mit Vollgas zur Hochschulreife und ein schnellerer Einstieg ins
       Arbeitsleben: Das war die Idee beim Turbo-Abi in zwölf Jahren. Doch viele
       Schüler leiden unter dem Leistungsdruck.
       
 (DIR) Streit um Turbo-Abi an Vorzeigeschule: Schule kämpft um ihr Konzept
       
       Göttinger Gesamtschule fürchtet wegen des Abis nach 12 Jahren um ihr
       preisgekröntes Unterrichtsmodell. Vor rund zwei Wochen hatte
       Bundespräsident Christian Wulff (CDU) die IGS als beste Schule Deutschlands
       ausgezeichnet.
       
 (DIR) Gesamtschule Göttingen und das Turbo-Abi: Ohrfeige vom Ministerium
       
       Auch der Deutsche Hochschulpreis hat nicht geholfen: Die Gesamtschule in
       Göttingen bekommt keine Sondergenehmigung, um vom Turbo-Abitur abzuweichen.
       
 (DIR) Kommentar Turbo-Abitur: Nichts außer Unterricht
       
       Der Einsatz der Eltern und Schüler zeigt, dass ihnen ein Problem auf den
       Nägeln brennt. Dass die Landeregierung den Gesamtschulen das Turbo-Abitur
       aufgezwungen hat, war kontraproduktiv. Es zeugt von einer fast irrationalen
       Ablehnung gegenüber dieser Schulform.
       
 (DIR) Schul-Volksbegehren in Niedersachsen: Turbo-Abitur wird Wahlkampfthema
       
       Das Volksbegehren zur Abschaffung des Abiturs nach acht Jahren hat bisher
       nur ein Drittel der nötigen Unterschriften zusammen. Die Initiatoren
       sprechen dennoch von Erfolg und hoffen auf baldige Landtagswahlen.