# taz.de -- Nadine Kleinert über die Leichtathletik-WM: "In mir schlummert noch was"
       
       > Die Kugelstoßerin Nadine Kleinert hofft auf eine Medaille bei der WM in
       > Daegu. Wenn ihr beim Wettkampf "kotzübel" wird, sieht sie das als gutes
       > Zeichen.
       
 (IMG) Bild: Auch bei ihrer achten WM noch nervös: Kugelstoßerin Nadine Kleinert
       
       taz: Frau Kleinert, Teamkolleginnen monieren die schlechten Bedingungen im
       Trainingscamp auf auf der Insel Jeju und anderen sind die Betten in Daegu
       zu kurz. Wie geht es Ihnen in Südkorea? 
       
       Nadine Kleinert: Mir geht es super hier. Mir gefällt alles. Ich fühle mich
       zu Hause. Ich habe für mich das Beste draus gemacht, ich hab super
       trainiert auf Jeju, und hier in Daegu, mein Gott, man kann aus den Betten
       die Füße raushängen lassen. Wir Großen sind das gewohnt, damit kann man
       leben.
       
       Sie sind immerhin 1,90 Meter groß. Ist Ihr Bett auch zu kurz? 
       
       Weiß ich nicht, ich habe heute Nacht geschlafen, ich habe das nicht
       mitgekriegt.
       
       War es richtig, das Trainingscamp auf eine Insel zu legen? Viele der
       anderen Athleten sind in Daegu, die Bedingungen sind top, sie treffen
       einander, es ist nicht langweilig. 
       
       Wir konnten auf Jeju das Wir-Gefühl in der Mannschaft noch mal verstärken.
       Hier in Daegu verläuft es sich ja doch ganz schön. Man könnte vielleicht
       etwas früher hier rüber kommen. Aber es ist okay.
       
       Südkoreaner sind nicht besonders leichtathletikaffin, wundern Sie sich,
       dass diese WM hier stattfindet? 
       
       Gut, jeder hat das Recht, mal eine Weltmeisterschaft auszutragen. Ich habe
       es schon oft genug mitgemacht. Mein erster großer Wettkampf war Seoul,
       irgendwie schließt sich jetzt gerade der Kreis. Das Publikum ist sehr
       unruhig, viel Kommen und Gehen.
       
       Sie haben 1997 zum ersten Mal an einer WM teilgenommen, in diesem Jahr sind
       Sie zum achten Mal dabei. Sind sie noch nervös, oder ist das alles Routine? 
       
       Ich glaube, wenn ich nicht nervös wäre, würde ich nicht hier sein. Es fühlt
       sich bei mir noch an wie ganz am Anfang. Vielleicht sogar schlimmer. Vor
       zwei Jahren in Berlin habe ich das gemerkt. Das war dort ja bekanntlich
       mein bester Wettkampf bislang. Auch wenn es jetzt ein bisschen hart klingt,
       aber auf Deutsch: Vor dem ersten Versuch bin ich in Richtung Ring gegangen
       und wäre am liebsten rausgerannt und hätte mich übergeben. Der Stoß war
       dann über 20 Meter. Es ist ein gutes Zeichen, wenn mir kotzübel ist.
       
       Jetzt gerade geht es Ihnen aber gut? 
       
       Ich bin ja erst in zwei Tagen dran. Im Moment habe ich nur Hunger.
       
       Vor zwei Jahren bei der Weltmeisterschaft in Berlin haben Sie sich auf Ihre
       noch heute gültige Bestleistung von 20,20 Meter gesteigert und damit Silber
       gewonnen. Nach dem Wettkampf aber haben Sie gesagt, der Stoß sei immer noch
       nicht perfekt gewesen, Sie könnten noch weiter stoßen. Glauben Sie daran
       weiterhin? 
       
       Ja. Aber mittlerweile bin ich auch der Meinung: Es gibt keinen perfekten
       Stoß. Der in Berlin war nah dran. Aber so kleine Nuancen fehlen immer. Ich
       weiß, dass ich immer noch nicht das Ende erreicht habe. Da schlummert noch
       was in mir.
       
       Dreimal WM-Zweite sind Sie schon. Was haben Sie sich für dieses Jahr
       vorgenommen? 
       
       Beste Deutsche und Top Acht, also Finale.
       
       Mehr nicht? 
       
       Die Top Acht kämpfen alle um eine Medaille.
       
       Sie sind bislang Zehnte in der Weltjahresbestenliste. 
       
       Weiß ich nicht, habe ich mir nicht angeguckt, die Liste. Für mich sind
       Listen Schall und Rauch. Die Tagesform zählt. Die anderen können auch mal
       einen schlechten Tag haben, wenn ich einen guten hab. Von Gold träumt
       natürlich jeder. Aber ich sehe das realistisch. Die Goldmedaille ist bei
       uns weg.
       
       Und die geht an wen? 
       
       Entweder an Weißrussland oder an Neuseeland. Ich hoffe, Neuseeland.
       
       Ihre Meinung von Frau Ostaptschuk ist wohl nach wie vor nicht die beste? 
       
       Nächstes Thema. Ich glaube, sie ist auch nicht so bestrebt, mit uns zu
       reden. Abneigung kann man nicht sagen. Es ist nur nicht so ein Kontakt wie
       zu den anderen. Darum unterstütze ich Neuseeland, wir verstehen uns super,
       und das schon seit 2004. Wir sprechen miteinander, und nach der Saison wird
       auch mal Party zusammen gemacht. Da ist Weißrussland immer irgendwie außen
       vor. Nicht alle, nur eine.
       
       Sie sprechen von Nationen und meinen die Europameisterin Nadeschda
       Ostaptschuk und die Olympiasiegerin Valerie Adams, ehemals Vili. 
       
       Ja.
       
       Bei Ihrer Abneigung gegen Ostaptschuk spielt aber schon auch der
       Dopingverdacht eine Rolle, oder? 
       
       Wir müssen hier alle zur Blutkontrolle.
       
       Ein Fortschritt? 
       
       Das hätte man schon lange einführen sollen. Das habe ich schon vor ich weiß
       nicht wie vielen Jahren gesagt. Jetzt haben sie ja endlich mal gehört. Ich
       hoffe, dass das was bringt.
       
       Es sieht so aus, als würde Usain Bolt auch in diesem Jahr der Superstar der
       Weltmeisterschaften werden. Nervt das, oder sind Sie froh, dass die
       Leichtathletik jemanden wie ihn hat? 
       
       Die Leichtathletik hat mehrere Leute, die auch gut sind. Aber wenn er
       gewinnt, spricht wieder die ganze Welt darüber. Für mich ist das alles nur
       eine Show. Eine Show, die auch dazu gehört, aber ich finde es unfair, wenn
       dadurch andere Disziplinen gestört werden, die auch gerade im Stadion sind.
       Wir konzentrieren uns auch ein ganzes Jahr auf diese WM. Da muss uns nicht
       der Wettkampf kaputtgemacht werden wegen einer Person.
       
       Er nervt Sie also schon. 
       
       Ich schalte auf Durchzug, wenn dieser Mann das Stadion betritt. Ich mache
       dann einfach meinen Wettkampf. Mich interessiert es auch nicht, wenn wir
       auf den warten sollen. Ich mache trotzdem. Siehe WM in Berlin. Wir
       Kugelstoßerinnen haben dort trotzdem unsere Ehrenrunde gedreht. Da hat er
       mal gesehen, wie es ist, wenn wir ständig auf ihn warten müssen. Er hat
       sich hinterher auch beschwert. Persönlich bei mir bei der Dopingkontrolle.
       Hat mich aber nicht interessiert. Ich bin trotzdem vor ihm bei der
       Dopingkontrolle rein, obwohl er musste.
       
       Seit Ende letzten Jahres sind Sie Kugelstoß-Trainerin an der Sportschule
       Magdeburg. Ist das der Einstieg in den Ausstieg aus dem aktiven Sport? 
       
       Man kann ja zweigleisig fahren. Sagen wir so: fließender Übergang, das hört
       sich besser an. Ich entscheide immer nach der Saison, schon seit 2004, ob
       mein Körper noch will oder nicht. So werde ich es auch vor den Olympischen
       Spielen 2012 machen.
       
       26 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Rohlfing
       
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