# taz.de -- Schießende Polizei: Todesschuss beschäftigt Politik
> Nach dem tödlichen Ausgang eines Einsatzes beschäftigt sich der
> Innenausschuss mit dem Vorgang. Ermittlungen gegen den Schützen könnten
> bald eingestellt werden.
(IMG) Bild: Polizeiwagen nach dem Einsatz in Reinickendorf
Je mehr Einzelheiten über den polizeilichen Todesschuss in Reinickendorf
nach außen dringen, um so größer werden die Fragezeichen. Eine geistig
verwirrte 53-jährige Frau, die mit einem Messer auf einen Polizisten
losgegangen sein soll, war am Mittwoch in ihrer Wohnung im Märkischen
Viertel erschossen worden. Die am Einsatz beteiligten Beamten waren
deutlich in der Überzahl. Zudem war ihnen bekannt, dass die Frau im Besitz
eines Messer war - und auch gewillt, dieses zu gebrauchen. Der grüne
Innenexperte Benedikt Lux kündigte an, den Fall am Montag im Innenausschuss
des Abgeordnetenhauses zur Sprache zu bringen.
Gegen den Schützen - es soll sich um einen 35-jährigen Zugführer einer
Einsatzhundertschaft handeln - ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet
worden. Es sieht aber so aus, als würde das Verfahren bald eingestellt.
"Vieles spricht dafür, dass der Schuss aufgrund einer Nothilfesituation
gerechtfertigt war", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin
Steltner, am Freitag zur taz.
## Opfer war klein und mager
Die 53-jährige Andrea H. lebte in einem Hochhaus in einer betreuten
Wohngemeinschaft für psychisch Auffällige. Hausbewohner beschreiben die
Frau als klein und mager. Der sozialpsychiatrische Dienst wollte sie in
einer geschlossenen Einrichtung unterbringen. Das kann aber nur ein Gericht
anordnen. Die Anhörung vor dem Amtsgericht sollte am Mittwoch stattfinden.
Weil H. mehrere Male nicht zur Anhörung erschienen war, hatte das
Bezirksamt zwei Beamte einer Funkstreife bei der Zuführung um Amtshilfe
gebeten. Als diese am Mittwoch in der Wohnung eintrafen, so ein
Polizeisprecher, sei H. mit einem Messer auf sie losgegangen und habe einen
von ihnen am Unterarm verletzt. Die Beamten setzten Pfefferspray gegen die
Frau ein und forderten Unterstützung an.
Geschickt wurden Kräfte der 23. Einsatzhundertschaft (EHU). Beim ihrem
Eintreffen soll sich Andrea H. bereits in ihrem Zimmer verbarrikadiert
gehabt haben. Die Berliner Zeitung beruft sich auf Informationen, wonach
ingesamt 20 Polizeibeamte an dem Einsatz beteiligt waren. Justizsprecher
Steltner wollte dies gegenüber taz nicht bestätigen. Seines Wissens hätten
sich in dem Flur vor dem Zimmer der Frau vier Beamte befunden. "Die
Räumlichkeiten waren sehr eng". Einer der Beamte habe die Zimmertür mit
einer Ramme geöffnet. In diesem Moment sei H. aus einer Ecke
hervorgeschossen. Mit erhobenem Messer habe sie sich auf den vorne
stehenden Beamten gestürzt und mit der Waffe gezielt in Richtung seines
Kopfes gestochen.
"Der Beamte trug ein Schutzschild, aber keinen Helm", so Steltner. Der
Abstand zwischen Messer und Kopf habe zirka 50 Zentimeter betragen, als der
Schuss gefallen sei. Die Frau sei also in ihrem Vorhaben gebremst worden.
Andrea H. wurde laut Steltner in den Oberkörper getroffen. Die Kugel
durchschlug die Leber. Sie sei noch in der Wohnung verblutet.
Der Schütze habe bei der Mordkommission umfassend ausgesagt, sagte
Steltner. Der Justizsprecher geht davon aus, dass der Beschuldigte bereits
mit gezogener Pistole in die Wohnung geeilt war, um seine Kollegen
abzusichern.
"Es besteht Aufklärungsbedarf", kommentierte der grüne
Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland - ein aufmerksamer Beobachter der
Berliner Polizei - den Vorgang. Die eingesetzten Beamten der EHU hätten
gewusst, dass die Frau ein Messer hatte. Somit seien sie nicht
unvorbereitet gewesen. Geklärt werde müsse auch, warum der Schütze nicht
auf die Arme oder Beine gezielt habe, um die Frau kampfunfähig zu machen.
Wielands Fazit: "Man muss sagen, der Einsatz ist gründlich daneben
gegangen".
26 Aug 2011
## AUTOREN
(DIR) Plutonia Plarre
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