# taz.de -- Reaktionen auf Fernsehbeitrag: Gamer shooten RTL
       
       > Ein Beitrag von RTL löste im Netz einen Shitstorm aus. Gamer fühlten sich
       > von der Darstellung Gleichgesinnter beleidigt. Und Netz-Aktivisten rufen
       > deshalb zum Boykott auf.
       
 (IMG) Bild: Außerirdische würden hier wohl Freunde finden, mutmaßt RTL: die Gamescom in Köln.
       
       Berlin taz | Die GamesCom in Köln ist die größte Spielemesse in Europa, bei
       der jährlich neue Spiele vorgestellt und große Turniere ausgetragen werden.
       Alle Medien waren vor Ort und berichteten über das Spektakel - so auch der
       Fernsehsender RTL. [1][In einem Beitrag des Magazins „Explosiv“] vom 19.
       August ging dort ein Team der Frage nach, ob die Gamer wirklich alle Freaks
       sind. Damit lösten sie einen so genannten Shitstorm aus, eine plötzliche
       Welle von Reaktionen im Internet, mit der der Sender sicher nicht gerechnet
       hatte.
       
       Der Clip wird von Moderatorin Nazan Eckes mit dem Satz angekündigt:
       „Sollten irgendwann Außerirdische auf der Erde landen, könnten sie auf
       folgender Veranstaltung wirklich enge Freundschaften schließen!“ Weiterhin
       spricht sie von „echt komischen Gestalten“. Im Beitrag werden dann die
       gängigen Klischees über Menschen bestätigt, die gerne stundenlang vor dem
       Computer sitzen und spielen.
       
       So wird vom Redakteur Tim Kickbusch unter anderem festgestellt, dass
       Computer-Nerds Probleme mit Mädchen hätten. Eine Hostess der GamesCom
       ordnet die vermeintlichen Freaks in Kategorien: die Verkleideten, die
       Introvertierten und die Ungewaschenen. Die Mehrzahl der Messebesucher
       würden einen Einheitslook tragen: „Dunkle Schlabberklamotten, die manchmal
       etwas streng riechen“. Dazu kommentiert sie: „Ich glaube, die achten
       einfach weniger auf ihr Äußeres.“
       
       ## Fehlermeldungen auf rtl.de
       
       Der Effekt war enorm. Kopien des Beitrags verbreiteten sich schnell über
       die sozialen Netzwerke. Einige Tage später wurde die Webseite von RTL Ziel
       eines Angriffs bisher unbekannter Hacker. Auf einigen Seiten des
       Web-Auftritts war eine Fehlermeldung mit dem Inhalt „GAMEZ“ zu sehen. Das
       konnte RTL innerhalb kurzer Zeit wieder beheben, die Foreneinträge und
       Kommentare gegen den Sender aber nicht mehr.
       
       Der Redakteur Tim Kickbusch wurde auf seiner Facebook-Seite mit der Kritik
       konfrontiert. Inzwischen hat er sich beim Publikum entschuldigt. Er hätte
       die Wirkung des Beitrags falsch eingeschätzt, schrieb er. Eigentlich hätte
       dieser lustig werden sollen, was ihm aber misslungen sei. Eine Woche nach
       Ausstrahlung des Beitrags gab es auch in der Sendung eine [2][offzielle
       Stellungnahme] des Senders. Im Beitrag sei verallgemeinert und überzeichnet
       worden. „Wenn wir Gefühle verletzt haben sollten, dann entschuldigen wir
       uns ausdrücklich dafür“, so der Moderator.
       
       ## Mehr als 8.000 Beschwerden
       
       Dieses Pardon schien den Großteil der Spieler nicht zu befriedigen.
       Inzwischen wurden nicht nur einige hundert erboste Kommentare unter die
       Stellungnahme gestellt. Die Gamer-Community mobilisierte auch zahlreiche
       User, sich bei der zuständigen [3][Landesmedienanstalt Niedersachsen]
       online über den Beitrag von RTL zu empören. Nach eigenen Angaben sind dort
       bisher mehr als 8.000 Beschwerden eingegangen.
       
       Eine andere Reaktion war eine Art [4][satirische Gegendarstellung] des
       Online-Senders GIGA. Dieser drehte eine eigene, abgeänderte Version vor den
       Toren des RTL-Gebäudes. Außerdem produzierten Gamer aus eigenem Antrieb
       verschiedene Videos und Meinungsbeiträge und stellten diese ins Netz. So
       fordert User „Phexi111“ in einem [5][Video]: „Gamer dieser Welt vereinigt
       euch“. Die Gemeinschaft der Gamer sei, entgegen der Darstellung von RTL,
       sehr facettenreich.
       
       ## Anonymous uneins über Vorgehen
       
       Derweil schalteten sich auch die Netz-Aktivisten von Anonymous ein. [6][In
       einem Video vom 24. August] bezeichnen sie die Darstellung der Gamer im
       Bericht als „bodenlose Frechheit“. Der Beitrag zur GamesCom beruhe auf
       Vorurteilen und Lügen. Daher würden die Aktivisten nun Konsequenzen ziehen.
       In [7][einem anderen Video] bedankt sich Anonymous wenige Tage später für
       die Reaktionen der User.
       
       Am Montag wurde ein [8][neues Video der Aktivisten] hochgeladen. In ihm
       werden die Hacks der RTL-Seite kritisiert. Sie würden Unbeteiligte treffen
       und den Grundsätzen der Meinungsfreiheit von Anonymous widersprechen, heißt
       es. Deshalb wird verlangt, die Sender der RTL-Group zu boykottieren. Das
       Video, das zu Attacken auf die Webseite des Senders aufrufe, sei eine
       Fälschung. Außerdem sollen Materialen gesammelt werden, die zeigen sollen,
       „was RTL unternimmt, um ihre Meinungen zu fabrizieren“.
       
       Die Niedersächsische Medienanstalt hat den Beitrag derweil geprüft und
       stellt fest, dass das umstrittene Video nicht gegen die Bestimmungen des
       Rundfunkstaatsvertrages verstößt. Dennoch äußert die Anstalt Verständnis
       für die Empörung, die dieser Beitrag ausgelöst hat. Sie weist aber auf die
       Entschuldigung von RTL hin. Derartige Berichte müssten in einer
       freiheitlichen Medienordnung toleriert werden. Ein Sprecher von RTL
       bestätigte taz.de, dass auf die Empörungen der Gamer-Community nicht mehr
       weiter reagiert werde.
       
       29 Aug 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://youtu.be/RTmAfkGPi2o
 (DIR) [2] http://youtu.be/GIqGOb91yZ4
 (DIR) [3] http://www.programmbeschwerde.de
 (DIR) [4] http://youtu.be/b_S-2U_-75w
 (DIR) [5] http://youtu.be/-aUjHCM39tg
 (DIR) [6] http://youtu.be/5-8VotklTUU
 (DIR) [7] http://youtu.be/HSxDzwDaIwU
 (DIR) [8] http://youtu.be/qVxjDOssM18
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Seibert
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Privatsender
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) RTL-Mann Tobias Schmid: Lobbyist soll Kontrolleur werden
       
       Am Freitag wählt die Landesmedienanstalt NRW, die für die Aufsicht der
       Privatsender zuständig ist, einen neuen Chef. Einziger Kandidat: ein
       RTL-Mann.
       
 (DIR) RTL-Chef wechselt zu Time Warner: Der Cashcowboy geht
       
       TV-Chef Gerhard Zeiler verlässt überraschend RTL. Er hinterlässt ein
       Umsatzplus, ein international austauschbares Programm und ein paar
       fröhliche Bertelsmänner.
       
 (DIR) Video der Woche: Held der Gamer
       
       Sein Beruf gehört zu jenen ungewöhnlichen, die das Internet erst möglich
       gemacht hat. Homer J kommentiert Wettkämpfe des Computerspiels "Starcraft
       2".
       
 (DIR) Spielemesse in Köln: Gamescom mit Besucherrekord
       
       Rund 275.000 Besucher sollen Europas größte Messe für digitale Spiele, die
       Gamescom in Köln, besucht haben. Am Wochenende mussten Spielefans deswegen
       zeitweise abgewiesen werden.
       
 (DIR) Eindrücke von der Gamescom: Bitte warten!
       
       Auf Europas größter Messe für Computer- und Videospiele, der Gamescom,
       fühlt man sich als Besucher wie eine Sardine in der Dose. Die Fans ertragen
       es geduldig.
       
 (DIR) Spielemesse Gamescom: "Viele Games nehmen sich zu ernst"
       
       Auf der Gamescom dominieren große Spielehersteller. Und was machen die
       Kleinen? Ein Gespräch mit Jasper Koning und Robin Meijer, den Machern des
       Independent-Spiels "Awesomenauts".
       
 (DIR) Kommentar Gamescom: Zeit verschwenden? Aber immer!
       
       Die Gamescom, Europas größte Messe für digitale Spiele, ist eröffnet. Ein
       guter Anlass, um den Eskapismus zu loben und mal hemmungslos unproduktiv zu
       sein.