# taz.de -- Amnesty International zu Libyen: Rebellen und Regime kritisiert
       
       > Mord, Willkür und Folter: Amnesty International fordert den Nationalen
       > Übergangsrat auf, Menschenrechtsverletzungen in Libyen zu beenden.
       
 (IMG) Bild: Unter pauschalem Verdacht: Ukrainer, die in Libyen leben.
       
       BERLIN taz | Seit Beginn der libyschen Rebellion am 17. Februar dieses
       Jahres haben beide Seiten Menschenrechtsverletzungen begangen, das Regime
       des ehemaligen Machthabers Muammar al-Gaddafi allerdings in weit größerem
       Ausmaß.
       
       Dies geht aus einem Bericht hervor, den Amnesty International (AI) am
       Dienstag veröffentlicht hat. 37 der 100 Seiten des Berichts widmen sich
       mutmaßlichen Verbrechen des alten Regimes, neun Seiten jenen der Rebellen.
       
       In einem gesonderten Abschnitt über Misshandlungen und Morde an
       Schwarzafrikanern gehen die meisten der von AI dokumentierten Fälle auf das
       Konto der "thuwwar" (Revolutionäre). In diesem Kapitel bekommt auch die EU
       ihr Fett weg - wegen des mangelnden Schutzes von Flüchtlingen, die per Boot
       versuchten, Europa zu erreichen.
       
       Die Recherchen für den Bericht "Die Schlacht um Libyen - Tötungen,
       Verschwindenlassen und Folter" wurden zwischen dem 28. Februar und dem 20.
       Juni durchgeführt. Die AI-Mitarbeiter besuchten mehrere Orte im damaligen
       Rebellengebiet von Bengasi bis Misurata, wo sie auch die Erlaubnis bekamen,
       mehrere Gefangenenlager aufzusuchen.
       
       Hingegen blieben wiederholte Anfragen, in die von Gaddafi-Truppen
       gehaltenen Städte zu reisen, unbeantwortet. Zusätzlich recherchierten die
       AI-Mitarbeiter unter Flüchtlingen in Tunesien und Ägypten.
       
       ## Willkürliche Folter
       
       AI wirft den Rebellen unter Führung des Nationalen Übergangsrats vor,
       Dutzende von gefangenen Soldaten und Schwarzafrikanern, die für Söldner
       Gaddafis gehalten wurden, umgebracht zu haben und gegen vermutete Anhänger
       des alten Regimes gewaltsam vorgegangen zu sein. Viele dieser Taten
       spielten sich zu Beginn der Rebellion ab. Hinzu kommen willkürliche
       Festnahmen und Folter.
       
       AI zitiert etwa den Aktivisten Amir Saad aus Derna, der dem Fernsehsender
       al-Dschasira sagte: "Den Protestierenden in al-Beida gelang es, den
       Militärflughafen in der Stadt zu erobern. Sie haben 50 Afrikaner und zwei
       libysche Verschwörer hingerichtet. Selbst in Derna wurden heute eine Reihe
       von Verschwörern hingerichtet. […] Dies wird das Ende jedes Unterdrückers
       sein, der Gaddafi unterstützt."
       
       In al-Beida sprach AI mit einem Mann, der versucht hatte zu vermitteln, als
       in einer Kaserne eingeschlossene Soldaten in Bedrängnis gerieten: "Ich bat
       darum, mit einem höheren Offizier sprechen zu dürfen, den ich von früher
       kannte. […] Ich gab ihm mein Wort und sagte: Wenn deine Soldaten sich
       ergeben, werden sie in Sicherheit sein. Als die Gruppe von Soldaten
       herauskam, um sich zu ergeben, waren die Protestierenden wütend und
       erschossen zwei Soldaten. […] Es waren Libyer, keine ausländischen Söldner.
       […] Ich fühle mich schuldig. Wenn ich nicht gewesen wäre, wären sie
       vielleicht nicht herausgekommen."
       
       Angesichts der dokumentierten Fälle schlussfolgert Amnesty, dass nicht nur
       die Gaddafi-Truppen, sondern auch die Rebellen möglicherweise
       Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätten.
       Rebellenführer hätten gegenüber AI zwar die Verbrechen verurteilt,
       gleichzeitig aber "ihr Ausmaß und ihre Schwere" heruntergespielt und sie
       angesichts der Verbrechen der Gaddafi-Truppen zum Teil als "verständlich"
       bezeichnet.
       
       AI kritisierte den Übergangsrat auch für sein Versäumnis, Gerüchte zu
       entkräften, wonach Gaddafi Söldner aus Ländern südlich der Sahara
       angeheuert habe. Deshalb gebe es viele Racheakte gegen Schwarzafrikaner,
       die gestoppt werden müssten. Amnesty weist darauf hin, dass der
       Übergangsrat vor der schwierigen Aufgabe steht, nun seine Kämpfer und
       Selbstschutzgruppen zur Rechenschaft zu ziehen, die im Verdacht stehen,
       Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben.
       
       13 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Beate Seel
       
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