# taz.de -- Urteil über Zwangsverrentung bei Piloten: Bis 65 über den Wolken
       
       > Der Europäische Gerichtshof kippt die Altersgrenze für Lufthansa-Piloten.
       > Die Richter entschieden auch: In anderen Fällen mache eine Altersgrenze
       > Sinn.
       
 (IMG) Bild: Kein automatisches Ausscheiden zum 60. Geburtstag.
       
       FREIBURG taz | Piloten der Lufthansa dürfen künftig bis zum 65. Lebensjahr
       fliegen. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in
       Luxemburg. Es sei eine unzulässige Altersdiskriminierung, wenn der
       Tarifvertrag für Lufthansa-Piloten eine Altersgrenze von 60 Jahren vorsehe.
       
       Bisher heißt es im Tarifvertrag für die Piloten: "Das Arbeitsverhältnis
       endet - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem
       das 60. Lebensjahr vollendet wird." Ausgehandelt wurde der Vertrag von der
       Lufthansa und der Pilotenvereinigung Cockpit. Er gilt für rund 4.200
       Flugzeugführer.
       
       Drei Piloten wollten sich jedoch mit dieser Zwangsverrentung nicht
       abfinden. Sie beriefen sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
       (AGG), das eine Benachteiligung aufgrund des Alters verbietet. Zunächst
       verloren sie bei den hessischen Arbeitsgerichten. Erst das
       Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem EuGH zur Auslegung vor, denn das
       AGG beruht auf europäischen Richtlinien.
       
       Der EuGH entschied nun einerseits, dass Altersgrenzen für Piloten durchaus
       zulässig seien, um die öffentliche Sicherheit zu wahren. Immerhin gehe es
       darum, schwere Unglücksfälle zu vermeiden, Passagiere, Personal und
       Bevölkerung zu schützen. "Unbestreitbar" nähmen die körperlichen
       Fähigkeiten der Piloten mit zunehmendem Alter ab.
       
       ## Bundesarbeitsgericht muss abschließend entscheiden
       
       Andererseits hielt der EuGH die Altersgrenze von 60 Jahren für einen
       unverhältnismäßigen Eingriff. Denn laut Gesetz dürfen Piloten in
       Deutschland bis zum 65. Lebensjahr Passagiere befördern. Bei
       internationalen Flügen ist dies ab dem 60. Geburtstag zumindest dann
       möglich, wenn die anderen Piloten unter 60 Jahre alt sind. In dem Prozess
       wurde nach Auffassung der Richter auch nichts vorgetragen, was für die
       niedrige Altersgrenze im Tarifvertrag spricht. Die 60-Jahre-Grenze sei also
       nicht "notwendig".
       
       Über den Fall der drei Piloten muss nun abschließend das
       Bundesarbeitsgericht entscheiden, wobei nun alles dafür spricht, dass die
       Piloten den Prozess gewinnen. Allerdings sind diese inzwischen schon 64 und
       65 Jahre alt. Sie haben den Sieg also vor allem für ihre jüngeren Kollegen
       errungen. Möglicherweise können sie für sich aber Verdienstausfall
       einklagen.
       
       Lufthansa und die Gewerkschaft Cockpit müssen nun einen neuen Tarifvertrag
       aushandeln, bei dem ein automatisches Ausscheiden erst ab dem 65.
       Lebensjahr vorgeschrieben werden kann. Die Pilotenvereinigung zeigte sich
       enttäuscht über das EuGH-Urteil. Die "extreme Belastung im Schichtdienst"
       sei zu wenig berücksichtigt worden.
       
       Vor einem Jahr hatte der EuGH eine Altersgrenze für Kassenärzte
       beanstandet. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Ärzte nur bis zu ihrem 68.
       Lebensjahr Kassenpatienten behandeln dürfen, wenn es keine entsprechende
       Grenze für Privatpatienten gebe. Die Altersgrenze könne allerdings mit
       einer "Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen"
       gerechtfertigt werden. Ältere Ärzte sollen den Markt für jüngere Ärzte
       nicht verstopfen. Mit Blick auf den Ärztemangel auf dem Land wurde die
       Altersgrenze für Kassenärzte inzwischen vom deutschen Gesetzgeber
       abgeschafft.
       
       Akzeptiert hat der EuGH in den letzten zwei Jahren auch andere
       sozialpolitisch motivierte Altersgrenzen. So müssen Staatsanwälte mit 65 in
       Pension gehen, um eine ausgewogene Altersstruktur zu sichern. Auch die weit
       verbreitete tarifvertragliche Regelung, dass ein Arbeitsverhältnis mit
       Erreichen des Rentenalters endet, sei keine willkürliche
       Altersdiskriminierung, sondern zur Sicherung der Beschäftigung junger
       Arbeitnehmer gerechtfertigt.
       
       13 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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