# taz.de -- Kohlendioxid-Speicherung in Brandenburg: Experimentelle Gefahr
       
       > In Ketzin wird untersucht, ob sich CO2 in der Erde speichern lässt.
       > Andernorts protestieren Anwohner gegen die Technologie.
       
 (IMG) Bild: Die Versuchsanlage in Ketzin
       
       Es könnte ein Hydrant sein. Ein bisschen überdimensioniert zwar, mit ein
       paar Rädern an den Seiten und einem Druckmesser auf dem Kopf. Und in Grau.
       Aber ansonsten ein ganz normaler Hydrant - stünde er nicht auf einem
       umzäunten Gelände, in unmittelbarer Nachbarschaft zwei riesige weiße Tanks
       und ein Block silberfarbener Stäbe. Und Leitungen, überall, teils vereist.
       
       Der hydrantähnliche Gegenstand befindet sich knapp 30 Kilometer westlich
       von Berlin, im brandenburgischen Ort Ketzin. Viel zu sehen ist nicht auf
       dem Gelände. Ein bisschen Technik, ein paar geteerte Straßen, etwas Rasen,
       eine Windhose, die sich ab und zu aufbäumt. Das Ungewöhnliche passiert in
       gut 600 Metern Tiefe: Dorthin leitet der Hydrant Kohlendioxid (CO2).
       
       Es ist die umstrittene CSS-Technik, die hier erforscht wird. CCS, das steht
       für Carbon Dioxide Capture and Storage. Das in Kohlekraftwerken entstehende
       CO2 soll, so die Idee, abgetrennt und in die Erde gepresst werden und damit
       die klimaschädliche Energiegewinnung aus Kohle sauberer machen. Soll. Denn
       bislang ist das Ganze noch nicht erforscht, und dort, wo ein Energiekonzern
       nach geeigneten Stellen zur Verpressung sucht, gibt es Widerstand aus der
       Bevölkerung.
       
       Für die Erforschung in Ketzin ist Axel Liebscher zuständig. Der Koordinator
       für wissenschaftliche Arbeiten am Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ)
       steht in Sicherheitsschuhen und mit Helm auf dem Gelände vor dem Hydranten.
       Zwar gibt es hier nichts, wovon Steine herunterfallen könnten, doch der
       Helm ist Pflicht, es gilt Bergrecht, nach dem die Anlage genehmigt wurde.
       Das Gesetz, das die Erforschung und Nutzung von CCS ermöglichen soll, ist
       noch nicht durch den Bundesrat.
       
       Liebscher ist seit 2008 in Ketzin dabei. Damals begannen die
       Wissenschaftler, CO2 in die Erde zu leiten. Liebscher spricht schnell und
       viel, wie jemand, der es gewohnt ist, sein Experiment zu erklären.
       Lebensmittelreines CO2 werde hier in die Erde geleitet, wie es auch in
       Mineralwasser sei. Je niedriger der Reinheitsgrad, desto weniger
       vorhersehbar die Reaktion - unpraktisch für eine Versuchsanlage.
       
       Das CO2 kommt per Lkws. Mehrmals die Woche fahren sie auf das Gelände,
       pumpen flüssiges CO2 in die Tanks. Das wird in eine Heizung geleitet - bis
       dahin sind die Leitungen vereist - und danach in gasförmigem Zustand in die
       Gesteinsformation "Stuttgart" in rund 600 Meter Tiefe gespritzt. Es
       verdrängt das dort befindliche Salzwasser und breitet sich nach und nach
       aus. Gut 50.000 Tonnen CO2 bilden derzeit einen Teppich von rund 400 mal
       250 Meter, erklärt Liebscher.
       
       Auch Gabriela Beege kennt den Versuch in Ketzin. Beege ist keine
       Ingenieurin, sondern Bankkauffrau und hat sich in den vergangenen Monaten
       in alles eingearbeitet, was irgendwie mit CCS zu tun hat. Sie wohnt in
       Lindenberg, an der nordöstlichen Grenze von Berlin. Seit Greenpeace eine
       Karte herausgegeben hat, die bundesweit über 400 mögliche Lager zeigt,
       befürchten sie in Lindenberg, dass bald Mitarbeiter eines Energiekonzerns
       auf ihren Feldern stehen und den Untergrund erkunden.
       
       Mit einer Bürgerinitiative (BI) machen sie daher seit dem Erscheinen der
       Karte Stimmung gegen die CO2-Speicherung. Mit Mahnwachen,
       Infoveranstaltungen und am Samstag mit einer Demonstration in Berlin. "Es
       muss klar werden, dass nicht nur die Standorte betroffen sind, die einen
       roten Punkt haben, sondern dass es auch um Berlin geht", sagt Beege.
       Schließlich stößt sich das verpresste CO2 zwar an unterirdischen
       Gesteinsgrenzen, aber nicht anüberirdisch gezogenen Landesgrenzen. Die
       Aktivisten befürchten, dass die Technologie Nebenwirkungen hat: dass das
       Grundwasser versalzt, das CO2 wieder an die Oberfläche gelangt. Steigt die
       CO2-Konzentration in der Luft über den Normalwert an, kommt es zu Problemen
       der Sauerstoffversorgung, die tödlich sein können. Doch mit der
       Mobilisierung ist es nicht so einfach. Beege erzählt von Veranstaltungen in
       den umliegenden Orten, zu denen kaum jemand gekommen sei. "Anscheinend
       zieht das Thema nur bei persönlicher Betroffenheit", sagt sie.
       
       Die gibt es in Neutrebbin. Dort richten sich die Proteste bereits gegen
       einen sehr realen Gegner: den Energiekonzern Vattenfall. Der plant ein
       Demonstrationskraftwerk, in dem CO2 erst abgeschieden und dann in die
       Gesteinsschichten gepresst wird. Die Versuchsanlage in Ketzin ist laut
       Liebscher nur der Anfang. Als Nächstes müsse man untersuchen, wie sich
       flüssiges CO2 verhalte, ob ein geringerer Reinheitsgrad Auswirkungen habe,
       wie sich große Mengen in größerer Tiefe verteilten.
       
       Die Anwohner in Neutrebbin erfuhren vor zwei Jahren aus den Medien von der
       geplanten Verpressung, erst danach habe es Postwurfsendungen und
       Informationsveranstaltungen gegeben. Ulf Stumpe von der BI sagt, es gebe
       eine Haltung gegenüber dem Energiekonzern: Kommt ihr mal hierher! Dann
       werde man schon sehen.
       
       "In Ketzin ist das anders", sagt Fabian Möller vom GFZ. Man habe Wert
       darauf gelegt, die Bevölkerung einzubinden, regelmäßig die
       Stadtverordnetenversammlung zu besuchen, es gebe einen Tag der offenen Tür,
       und immer, wenn der Untergrund von der Oberfläche aus vermessen werden
       muss, also viele Leute und Fahrzeuge der Forscher im Ort unterwegs seien,
       kündige man das vorher an. Vielleicht ist der Grund für ausbleibende
       Proteste in Ketzin aber auch simpler: Hier forscht kein gewinnorientiertes
       Unternehmen, dessen Interesse an der Technologie auf der Aussicht auf ein
       grünes Image beruht. Sondern eine wissenschaftliche Einrichtung.
       
       In Ketzin überwachen sie das CO2 im Boden und messen an der Oberfläche und
       in Trinkwasserbrunnen, ob Gas austritt oder Wasser versalzt. "Man kann gut
       nachweisen, wo das CO2 im Boden ist, auch schon bei sehr kleinen Mengen",
       sagt Liebscher. Daher wisse man genau, dass alles in der Erde sei. Auch
       versalzenes Wasser habe es nicht gegeben. Noch bis August 2013 wollen die
       Wissenschaftler weiter CO2 in den Boden leiten, bis zu 70.000 Tonnen
       insgesamt. "Die gefährlichste Phase", sagt Liebscher, "ist der Zeitpunkt,
       an dem man mit der Speicherung aufhört." Dann sei der Druck am höchsten.
       Mit der Zeit baue er sich ab, weil beispielsweise ein Teil des
       Kohlendioxids zu Carbonat werde. "Da passiert dann nichts mehr", sagt
       Liebscher.
       
       Beege beruhigt das nicht. "Wir werden weiter kämpfen, und wenn es 30 Jahre
       dauert wie die Proteste gegen die Atomkraft", sagt sie. Man wolle nicht
       zulassen, dass eine gefährliche Technologie einfach gegen die nächste
       ausgetauscht werde.
       
       15 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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