# taz.de -- Abgelehnte Asylanträge: Hungerstreik im Abschiebeknast
       
       > Seit 20 Jahren kämpft Victor Atoé aus Nigeria für eine
       > Aufenthaltserlaubnis. Im Abschiebegewahrsam in Köpenick ist der
       > 50-Jährige nun in den Hungerstreik getreten.
       
 (IMG) Bild: Vielerorts demonstrieren Menschen gegen Abschiebungen wie hier am Flughafen München. Kurzfristig aber sieht Victor Atoé in Berlin für sich als letzten Ausweg nur den Hungerstreik
       
       Seit zehn Tagen hat Victor Atoé nichts mehr gegessen: "Ich habe Schmerzen
       in meinem Bauch. Alles ist heiß. Ich fühle mich nicht gut", sagt der
       50-jährige Nigerianer im Telefongespräch mit der taz. Zwei Monate sitzt er
       nun in Abschiebegewahrsam in Köpenick. Vor zehn Tagen ist er in den
       Hungerstreik getreten. Sören Schneider von der Initiative gegen
       Abschiebehaft steht in Kontakt mit Atoé: "Er sieht für sich keine Hoffnung
       mehr. Für ihn ist der Hungerstreik die letzte Möglichkeit." Mehrere
       Asylanträge wurden bereits abgelehnt. Ein Termin für Atoés Abschiebung
       steht noch nicht fest.
       
       Der Nigerianer hat eine lange Flüchtlingsgeschichte hinter sich. 1991
       flüchtete er nach Deutschland. Er lebte in Schleswig-Holstein, nach
       mehreren Jahren wurde sein Asylantrag abgelehnt. 1996 war er gerade zu
       Besuch in einem Lübecker Flüchtlingsheim, als auf dieses ein Brandanschlag
       verübt wurde, bei dem zehn Menschen starben. Durch einen Sprung aus dem
       Fenster überlebte Atoé mit starken Verletzungen an den Beinen. Als einziger
       der Überlebenden wurde Atoé kurz darauf abgeschoben, da für ihn ein anderer
       Kreis zuständig war und er sich offiziell nicht in der Lübecker Unterkunft
       hätte aufhalten dürfen. Drei Jahre nach der Abschiebung kam Atoé 1999
       zurück nach Deutschland, immer noch gezeichnet durch starke Verletzungen an
       den Beinen. Als 2007 seine Abschiebung erneut bevorstand, tauchte er unter.
       Vor zwei Monaten wurde er in Berlin aufgegriffen und in Abschiebegewahrsam
       genommen.
       
       Anja Sierks-Pfaff, Pressesprecherin des Kreises Ostholstein in
       Schleswig-Holstein, erklärte der taz, Flüchtlinge aus Nigeria bekämen
       derzeit in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis. "Auch alle Asylanträge von
       Herrn Atoé sind rechtskräftig abgelehnt worden." Seine Akte sei inzwischen
       an Berlin übergeben worden. Berlins Senatsinnenverwaltung wollte zu dem
       Einzelfall jedoch keine Auskunft geben.
       
       Die Initiative gegen Abschiebehaft fordert, "eine humanitäre Geste, ihn
       nach diesen 20 Jahren aufzunehmen". Für humanitäre Entscheidungen zuständig
       ist die Härtefallkommission. Rechtlich unklar ist laut Schneider jedoch, ob
       dort ein Antrag möglich ist. Bereits 1996 hatte die Schleswig-Holsteinische
       Härtefallkommission einen Antrag Atoés abgelehnt.
       
       "Es passiert sehr häufig, dass Menschen in Abschiebegewahrsam die
       Nahrungsaufnahme verweigern, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
       Ich denke, bei Herrn Atoé ist das sehr ernst gemeint", sagte Bernhard
       Fricke, Seelsorger der evangelischen Kirche. Er steht in Kontakt mit den
       Insassen in Köpenick. Atoés gesundheitlicher Zustand sei sehr schlecht:
       "Wenn sich das fortsetzt, besteht die Gefahr, dass er Schäden davonträgt."
       Entscheidend sei aber auch seine psychische Situation, so Fricke. Die
       ständige Bedrohung, abgeschoben zu werden, und die Erinnerungen an Lübeck
       setzten ihm zu. Dennoch: "Er weiß, was er erreichen will: Gerechtigkeit für
       sich."
       
       Ein Termin für die Abschiebung stehe noch nicht fest, sagte Katja Ponert,
       Atoés Rechtsanwältin, der taz. Für haft- und reisefähig hält sie ihn nicht:
       "Er hat nachweislich posttraumatische Belastungsstörungen." Beim
       Amtsgericht hat sie einen Antrag auf sofortige Entlassung gestellt: "Wir
       hoffen, dass es schnell geht. Er muss da raus. Der Abschiebegewahrsam ist
       einfach falsch."
       
       16 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Wyrembek
       
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