# taz.de -- Kommentar Deutschlandkritik von Gül: Auf glattem Eis
> Türkeis Staatspräsident ist schlecht beraten, sich Deutschland gegenüber
> moralisch überlegen zu gerieren. Mit Menschenrechten nimmt es sein Land
> selbst nicht so genau.
So wird das nichts mit der deutsch-türkischen Freundschaft. Die Kritik des
türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül kurz vor seinem Staatsbesuch in
Deutschland, das deutsche Ausländerrecht verstoße seiner Meinung nach gegen
die Menschenrechte, ist starker Tobak. Zwar sind manche der deutschen
Gesetze tatsächlich ungerecht und diskriminierend - sie verstoßen
vermutlich sogar gegen europäisches Recht, weil das Assoziationsabkommen
mit der Türkei aus dem Jahre 1980 es eigentlich verbietet, neue Hürden zu
schaffen. Gül kritisiert vor allem die Visapflicht für türkische
Geschäftsleute und Touristen sowie die Einschränkungen beim Nachzug von
Ehegatten aus der Türkei, der 2007 deutlich erschwert wurde.
Mit seinem Verweis auf die Menschenrechte begibt sich Gül aber auf ziemlich
glattes Eis, denn die Türkei nimmt es damit selbst bekanntlich nicht so
genau. Religiöse und ethnische Minderheiten wie die Kurden besitzen in der
Türkei noch immer nicht alle Freiheiten, wie sie die türkisch-muslimische
Mehrheit genießt. Die jüngsten Repressalien gegen Journalisten sind auch
nicht dazu angetan, den Ruf des Landes in dieser Hinsicht zu bessern.
Güls Kritik zeugt vom neuen Selbstbewusstsein, vor dem die türkische
Regierung derzeit nur so strotzt. Sie erinnert an Erdogans Rede vor drei
Jahren in Köln, als er Assimilation als „Verbrechen gegen die
Menschlichkeit“ geißelte. Dass der türkische Premier damals auch ganz
vernünftige Sachen sagte - etwa zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft
und dem Erlernen der deutschen Sprache auffordert -, ging in der Empörung
über diesen überzogenen Satz völlig unter.
Es geht hier um mehr als nur einen orientalischen Hang zur blumigen
Übertreibung. Der türkische Staatspräsident ist schlichtweg schlecht
beraten, sich in die Pose der moralischen Überlegenheit zu werfen. Wenn ihm
wirklich an einer Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen gelegen
ist, muss er seine Worte sorgfältiger wägen.
19 Sep 2011
## AUTOREN
(DIR) Daniel Bax
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