# taz.de -- Kommentar Pflegereform: Bahrs beschränkter Horizont
       
       > Die FDP wird zu einem ernsthaften Problem - für die Millionen
       > Pflegebedürftigen, pflegenden Angehörigen und professionellen
       > PflegerInnen im Land.
       
       In Deutschland leben derzeit 2,3 Millionen pflegebedürftige Menschen, bis
       2050 wird sich ihre Zahl verdoppeln. 1,6 Millionen Menschen pflegen daheim
       ihre Angehörigen, eine weitere Million ist in der professionellen Pflege
       tätig. Diese wenigen Daten machen klar, worum es bei der Reform der
       Pflegeversicherung geht: nicht um die Sorgen einer gern abgeschriebenen
       Unterschicht, sondern um das existenzielle Problem einer alternden
       Gesellschaft - vor allem aber um die Einlösung eines Versprechens: in Würde
       altern zu dürfen.
       
       Die Pflege ist also ein Thema, das Politiker, die sich christlich nennen
       oder auf das Recht auf Selbstbestimmung pochen, auf den Plan rufen müsste.
       Stattdessen wird die Reform nun zum zigsten Mal verschoben, werden die
       Betroffenen auf unbestimmte Zeit vertröstet, diesmal vom
       FDP-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. Der ist verstimmt darüber, dass
       ihm ein CDU-Politiker die Show gestohlen hat: Jungskacke bestimmt zunehmend
       das Regierungshandeln.
       
       Doch das ist nicht alles: Bahr vertagt die Reform nicht etwa deswegen, weil
       es ihm um inhaltliche Auseinandersetzungen, um wahres politisches Ringen
       ginge. Tatsächlich gibt es viele Gründe, das von Jens Spahn vorgelegte
       Konzept als sozial ungerecht zu zerpflücken. Doch in solchen Fragen muss
       Bahr passen.
       
       Das Interesse der FDP an Versorgungsfragen - und nichts anderes ist die
       Pflegereform - beschränkte sich stets auf die Versorgung ihrer
       Cheflobbyisten aus der privaten Versicherungswirtschaft. Diese wollten die
       Liberalen mit ihrer Idee der individuellen, kapitalgedeckten
       Zusatzversicherung beglücken, weiter reichte ihr Horizont nicht und weiter
       musste er auch nicht reichen: Nicht, solange eine gesellschaftliche
       Mehrheit rechts der Mitte existierte. Die aber ist futsch, und deswegen
       wird die FDP zu einem ernsthaften Problem. Nicht für sich selbst. Sondern
       für die Millionen Pflegebedürftigen, pflegenden Angehörigen und
       professionellen PflegerInnen im Land.
       
       19 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Haarhoff
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Reform der Pflegeversicherung: Pflegelhafte Koalitionäre
       
       Der FDP-Bundesgesundheitsminister verschiebt die Pflegereform erneut und
       auf unbestimmte Zeit. Grund ist ein schwarz-gelbes Zerwürfnis über das
       Finanzierungskonzept.
       
 (DIR) CDU-Politiker Spahn über die Pflegereform: "Die Idee ist ein Zukunftsfünfer"
       
       Demente dürfen mit zwei Milliarden Euro mehr rechnen, sagt CDU-Politiker
       Jens Spahn - dank steigender Beiträge und fünf Euro monatlich mehr pro
       Beitragszahler.
       
 (DIR) Pflege von Demenzkranken: Wenn sich nur der Gärtner kümmert
       
       Demenzkranke sind akut von der Abschiebung in stationäre Heime bedroht. Das
       Verschwinden von Frau P. zeigt, wie frustrierend die Situation vieler Alter
       ist.