# taz.de -- Web-2.0-Lehrer über digitales Lernen: "Die Schüler arbeiten selbständiger"
       
       > An der Kölner Kaiserin-Augusta-Schule setzt André Spang iPads als
       > universelle Lernhilfen ein. Damit arbeiten Schüler an Wikis und Blogs
       > oder produzieren Musik.
       
 (IMG) Bild: Aus alt mach Neu: in einigen Hamburger und Kölner Klassenzimmern revolutionieren Tablets bereits den Lernprozess.
       
       [1][herrlarbig.de:] Welche Funktion haben für dich Medien im Unterricht -
       angefangen von der Kreidetafel und dem Schulbuch bis hin zu digitalen
       Medien? 
       
       André Spang: Sie sind Mittel zum Zweck. Sie existieren parallel. Ich setze
       das ein, was gerade passt. Die Tafel - mal abgesehen davon, dass sie mich
       und das Klavier, das davorsteht, ständig zustaubt - ist eigentlich ein
       super Instrument - schnell einsetzbar, ohne Latenzen, gut zur
       Visualisierung - nur schlecht zur Konservierung.
       
       Aber du arbeitest noch mit ihr? 
       
       Ich zweckentfremde die Tafel: Ich lasse die Schüler meine Tafelanschriften
       mit meinem Smartphone abfilmen - und stelle das später oder schon in der
       Stunde online, etwa auf YouToube, im Schulwiki oder auf dem
       Unterrichtsblog. Digitale Medien haben für mich die Chance, Inhalte nach
       draußen zu bringen. Sie sind schnell, bieten viele neue Möglichkeiten und
       sie gehören in die Lebenswelt der Schüler. Vielleicht ersetzen sie
       irgendwann die traditionellen Medien. Wer weiß das schon?
       
       Ihr habt an der Kölner [2][Kaiserin-Augusta-Schule] das iPad als Endgerät
       für den Unterricht angeschafft. Wozu? 
       
       Wir haben es primär angeschafft, um mit den Schülern einfach auf Weblogs
       und unserem Schulwiki zu arbeiten. Dazu fehlten uns die notwendigen,
       zahlreichen Zugangsmöglichkeiten, denn unsere Schule hat 1.000 Schüler -
       aber nur zwei Informatikräume. Die Nutzung dieser Web-2.0-Techniken ist für
       uns ein wichtiges Standbein des lebenslangen, vernetzenden und
       individuellen Lernens.
       
       Wie hilft das iPad-Tablet dabei? 
       
       Der Vorteil ist seine schnelle Einsetzbarkeit - es schaltet sofort ein -,
       seine lange Akkulaufzeit, sein geschlossenes System (speziell beim iPad)
       und damit die geringe Anfälligkeit für Manipulationen, die hohe Mobilität
       und die intuitive Bedienbarkeit. Nachteile, wie fehlende Steckplätze oder
       Tastatur haben wir bewusst in Kauf genommen. Die Vorteile überwiegen für
       uns. Wir können die 30 Tablets mit Rollkoffern in alle möglichen
       Unterrichtskonstellationen der Schule transportieren.
       
       Es kann wenig daran kaputtgehen, und die Geräte stehen dem Unterrichtsfluss
       nicht im Weg. Man kann sie kurz einsetzen. Danach ein Methodenwechsel - und
       sie liegen umgedreht auf dem Tisch. Oder man reicht sie herum, um etwa
       Mindmaps oder Bilder oder Präsentationen anderen Schülergruppen zu zeigen.
       Oder man schließt sie am Ende der Stunde zur Frontalpräsentationen an den
       Beamer an.
       
       Wie unterstützt das iPad das eigenständige Lernen von SchülerInnen? 
       
       Vor allem durch das selbständige Arbeiten im und mit dem Netz, aber auch
       durch die Erstellung von Präsentationen. Wir können Musik produzieren,
       Texte - etwa durch kollaboratives Schreiben im Wiki oder per Google-docs.
       Wir können Podcasts und Audioboos herstellen. Ein Beispiel: Eine fünfte
       Klasse mit 30 Schülern hat nach einer kurzen Einführung von mir in die App
       "Garage Band" (eine App zur Produktion von Musik, d. Red.) und ein paar
       Textbeispielen (Rhymes-Workshops) innerhalb zwei Doppelstunden
       selbstständig in Dreiergruppen mit je einem iPad pro Gruppe zehn komplette
       Songs produziert.
       
       Sie haben sie ohne weitere Hilfe im Wiki getextet, aufgenommen, abgemischt
       und an mich gemailt. Auch in anderen Fächern habe ich durch das moderne
       Tablet eine starke Motivation und sehr konzentriertes und genaues Arbeiten
       beobachten können. Dazu gibt es ja auch konkrete [3][Umfrageergebnisse in
       der Schülerschaft] und auch O-Töne in [4][Form von Interviews.] 
       
       Wo bleibt der Raum für SchülerInnen, die "analoge Lerntypen" sind, also:
       die gerne per Hand schreiben? 
       
       Es ist nicht so, dass wir ausschließlich Tablets einsetzen. Das ist ja
       gerade das Gute daran, dass man sie nur kurz, für eine Recherche benutzt -
       und dann wieder ein anderes Medium einsetzt. Die Schüler werden im Übrigen
       nicht ans Tablet gezwungen, man kann seine Notizen auch ins Heft machen.
       
       Ich habe mir das Wiki angeschaut. Dafür, dass über 1.000 SchülerInnen an
       eurer Schule sind, gibt es überraschend wenig Einträge. 
       
       Es gibt einen Kern von Kollegen, [5][die das Wiki nutzen]. Anfangs gehörten
       dazu etwa 10 Leute, danach schrumpfte das Kernteam auf drei oder vier.
       Daher haben wir eine erneute Kollegiumsfortbildung zum Thema Wiki
       angeboten. Wir sind uns bewusst, dass da noch einiges nach vorne gehen
       muss. In den ersten zehn Schultagen des neuen Schuljahres haben wir darüber
       hinaus fast 100 Schüler neu im Wiki angemeldet - ich denke, das wird einen
       kräftigen Schub geben.
       
       Wie viele LehrerInnen nutzen den Klassensatz an Tablets? 
       
       Wir haben 70 Kollegen, 30 arbeiten regelmäßig damit.
       
       Und wie viele SchülerInnen arbeiten mit den Geräten? 
       
       Bis jetzt waren es 500 von den 1.000 Schülern. Bis Ende dieses Halbjahres
       wollen wir alle Schüler erreichen.
       
       Warum benutzt ihr nicht gleich die paar Smartphones, die in den meisten
       Klassen sowieso anzutreffen sind? 
       
       Das wäre allenfalls zur Recherche möglich - ist aber unter anderem wegen
       der Sicherheitsvorschriften nicht angesagt. Zum Arbeiten im Netz, an
       Präsentationen sind die Bildschirme ohnehin zu klein.
       
       Inwiefern haben SchülerInnen, die mit dem iPad arbeiten, überhaupt noch
       Anlass, sich auf Faktenwissen einzulassen? Ist doch eh alles
       recherchierbar! 
       
       Diese zentrale Frage stellt sich in der heutigen Wissensgesellschaft
       generell - warum muss man noch geschichtliche Zahlen auswendig lernen?
       Braucht man die Bruchrechnung noch? Ich glaube, wenn man all dies sinn- und
       anwendungsfrei einpaukt, ist man in Zukunft zum Scheitern verurteilt. Hier
       kann das iPad ins Spiel kommen - zum Beispiel, um Fakten im Zusammenhang
       darzustellen und zu vernetzen. Außerdem gibt es gerade im Bereich der
       gezielten und qualitativen Recherche viele Einsatzmöglichkeiten - hier
       liegt auch in Zukunft der Arbeitsschwerpunkt des Lehrers. Er ist dazu da,
       Anleitung und Unterstützung bei der Recherche zu geben und Diskussions- und
       Urteilsfähigkeit der Schüler herauszuarbeiten.
       
       Welche Kompetenzen fördert das iPad? 
       
       Einiges hatte ich schon erwähnt: Selbständiges Arbeiten, individuelles
       Lernen, Teamarbeit und Kollaboration. Dazu kommen noch ein paar spezifische
       Medienkompetenzen wie Präsentation, versierter Umgang mit Office-Tools. Mir
       ist vielleicht am wichtigsten, dass die Schüler konstruktivistisches
       Vorgehen erfahren, dass das Lernziel nicht im Mittelpunkt steht, sondern
       der Arbeitsprozess.
       
       Leidet die Kompetenz, sich der Handschrift als Kulturtechnik zu bedienen,
       nicht noch zusätzlich unter dem iPad-Einsatz? 
       
       Wie hat der Technikphilosoph Gunter Dueck gesagt: "Heute ist das Internet
       erfunden (und der Leitmedienwechsel hat stattgefunden), nehmen wir es hin,
       es führt zur notwendigen Krise und dann zu einer anderen Welt." Trotzdem
       stellt sich die Frage, welche Bedeutung die Handschrift in Zukunft noch
       haben wird. Oder meißelt heute noch jemand seine Notizen in Stein?
       
       Neue Technologien im Unterricht - das bedeutet, dass man didaktische und
       methodische Modelle überdenken muss. Wie integriert ihr diese
       Reflexionsprozesse in die engen Zeitkorridore der LehrerInnen? 
       
       Der Einsatz der Medien im Unterricht kann auch zur Entlastung des
       einsetzenden Kollegen beitragen. Denn die Schüler arbeiten selbständiger,
       und der Kollege gewinnt dadurch Zeit im Unterricht, um individueller auf
       einzelne Schüler einzugehen.
       
       Gab es ein Erlebnis im Unterricht, das dich beim Einsatz von Tablet-PCs
       besonders erschüttert hat? 
       
       Nein, da muss ich leider passen - alles problemlos verlaufen, ohne
       Erschütterungen.
       
       Was war bisher deine schönste Erfahrung? 
       
       Oh, es gab viele positive Erfahrungen: Konzentriert und produktiv
       arbeitende Klassen, die vorher im Unterricht immer nur abgelenkt, laut und
       unproduktiv waren. Erstaunliche Ergebnisse bei der Musikproduktion, gerade
       was das selbständige Arbeiten und das kreative Vorgehen der Schüler
       betrifft. Am schönsten war für mich die fünfte Klasse, die in der letzten
       Doppelstunde am Nachmittag um 15.15 Uhr einfach nicht nach Hause gehen,
       sondern weiterarbeiten wollte. Dem habe ich allerdings nach zehn Minuten
       Verlängerung einen Riegel vorgeschoben.
       
       Zum Schluss ein Blick nach vorn: Wie sieht der Unterricht in zehn Jahren
       aus? 
       
       In der Schule werden alle ihre eigenen Instrumente im Unterricht nutzen,
       egal ob Smartphone, Tablet oder Textbook, um damit auf die Informationen
       und das Wissen der Menschheit zugreifen zu können und dieses Wissen um
       eigenes, bedeutsames Wissen bereichern. Der Lehrer wird zum Lerncoach. Er
       wird auf seinem Weg vom Wissensvermittler hin zum Berater eine
       motivierende, anleitende, organisierende und das Lernergebnis bündelnde
       Rolle einnehmen. Sein spezialisiertes Wissen ist dann nicht mehr so
       bedeutend - es geht um andere Dinge. Um Konzepte, um gemeinsames Lernen und
       Partizipation.
       
       Interview: [6][herrlarbig.de]
       
       21 Sep 2011
       
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