# taz.de -- Schalke-Trainer zurückgetreten: Rangnick braucht eine Pause
       
       > Ralf Rangnick ist als Trainer des FC Schalke 04 zurückgetreten –
       > Erschöpfungssyndrom, er brauche eine Pause. Ist das ein Zeichen einer
       > neuen Offenheit im Fußball?
       
 (IMG) Bild: Ernste Miene im Stadion. Jetzt ist erst mal Pause bei Ralf Rangnick.
       
       BERLIN taz | Früher einmal, als noch ein gewisser Sigmund Freud in der
       Wiener Berggasse praktizierte, nannte man das, was nun wohl zum Rückzug von
       Ralf Rangnick als Schalke-Trainer geführt hat, Neurasthenie. Heute sagt man
       Erschöpfungs- oder Burn-out-Syndrom dazu. Das körpereigene Energiereservoir
       ist leer, der Betroffene ist nicht mehr in der Lage, seinen meist
       anspruchsvollen Job zu erledigen.
       
       Es ist bemerkenswert, dass man neuerdings in der Fußballszene mit diesen
       Diagnosen herausrückt und nicht etwa von "unüberbrückbaren Differenzen"
       zwischen Coach und Vorstand spricht. Doch diese Offenheit ist nicht
       unproblematisch, denn sie kann den Ruf eines Trainers nachhaltig
       beschädigen. Rangnick wäre dann im schlechtesten Fall nicht mehr nur der
       Taktik-Oberlehrer und Hitzkopf, der in der harten Auseinandersetzung den
       Kompromiss scheut, sondern auch eine labile Führungspersönlichkeit. Man
       wird sehen, wie die Fußballszene, in der Härte und Durchsetzungsfähigkeit
       als Primärtugenden gelten, künftig mit dem Übungsleiter Rangnick umgehen
       wird. Wird ihn noch ein Topklub in der Bundesliga verpflichten? Oder ist es
       im Gegenteil so, dass Rangnicks Bekenntnis der Schwäche eher seinen Ruf als
       ehrlicher Typ befördert?
       
       Es ist nicht mal drei Wochen her, dass der Hannoveraner Ersatz-Torwart
       Markus Miller bekanntgab, dass er sich wegen einer psychischen Erkrankung
       in stationäre Behandlung begeben muss. Der 29 Jahre alte Torwart ließ über
       seinen Verein mitteilen: "Ich habe mich dazu entschlossen, meinen Klub,
       unsere Fans und die Medien über meine Erkrankung zu informieren." Und
       weiter: "Seit einiger Zeit habe ich immer seltener das Gefühl, dass ich der
       Mannschaft wirklich helfe oder etwas Wesentliches bewirke. Dabei erlebte
       ich zunehmenden, großen inneren Druck und Anspannungen, die mich begannen
       zu blockieren."
       
       ## Robert Enkes Suizid mahnt
       
       In beiden Fällen, denen von Rangnick und Miller, hat der Selbstmord von
       Robert Enke möglicherweise zu einem Umdenken in der Fußballszene geführt.
       Die Tendenz scheint klar zu sein: Was früher verheimlicht wurde, wird heute
       angesprochen; wo früher der Mantel des Schweigens darüber gedeckt wurde,
       wird nun enthüllt. Das neue Transparenzgebot bei psychischen Macken, allen
       voran Depression und Burn-out, ist, wie gesagt, mit Vorsicht zu genießen,
       denn es kann nicht nur das Image von Fußballern und Trainern beschädigen,
       man muss sich auch fragen, warum Diagnosen, die ebenso gut unter die
       ärztliche Schweigepflicht fallen könnten, nun ungefiltert an die
       Öffentlichkeit gelangen.
       
       Rangnick hat an der Sprachregelung des Vereins mitgewirkt, also war es ihm
       wichtig, nicht herumzudrucksen. Mit der Wahrheit herauszukommen, hat
       sicherlich auch einen kathartischen Effekt. Gelsenkirchen wird ihm in jedem
       Fall in traumatischer Erinnerung bleiben, denn es ist bereits das zweite
       Mal, dass sich Rangnick unter sehr speziellen Umständen von diesem Verein
       trennt. Das erste Kapitel der Trennungsgeschichte wurde im Jahre 2005
       geschrieben.
       
       ## Erfolgreicher Trainer
       
       Das Heimspiel gegen Mainz 05 am 10. Dezember jenes Jahres war das damals
       letzte unter der Leitung von Rangnick. Bereits vor der Partie drehte er
       unter dem Beifall der Fans eine Ehrenrunde im Stadion, denn die Trennung
       zur Winterpause stand da längst fest. Damit brüskierte er die Vereinsbosse,
       aber das war dem "kauzig erscheinenden Mann" (FAZ) egal. Das zweite Mal
       übernahm der Schwabe die Königsblauen als Nachfolger von Felix Magath, das
       war im März diesen Jahres. Er kam mit seiner Elf ins Halbfinale der
       Champions League, gewann den DFB-Pokal - Zeichen seines Könnens als Coach.
       
       Auch in Hoffenheim arbeitete Rangnick überaus erfolgreich. Er stieg mit dem
       Klub von der dritten in die erste Liga auf, führte ihn sogar kurzzeitig an
       die Tabellenspitze. Spieler wie Andreas Beck, Tobias Weis oder Marvin
       Compper schafften unter Rangnick den Sprung in die A-Nationalmannschaft.
       Doch ein Streit mit Mäzen Dietmar Hopp führte zur Trennung. Laut
       Stuttgarter Nachrichten ging es dabei "um den zunehmend schwierigen Spagat
       zwischen den sportlichen Zielen und den finanziellen Möglichkeiten des
       Vereins". Während Rangnick weitere Investitionen forderte, um international
       spielen zu können, sah Hopp die TSG als Ausbildungsverein, der sich nach
       seinen jahrelangen Finanzspritzen über Transfererlöse selbst finanzieren
       solle.
       
       ## "Missionarischer Eifer"
       
       Rangnick sagte, er sei "nach langer und reiflicher Überlegung" zum
       Entschluss gekommen, "dass ich eine Pause brauche". Das sei ihm "unheimlich
       schwer gefallen", fügte der Coach hinzu. "Mein derzeitiger Energielevel
       reicht nicht aus, um erfolgreich zu sein und insbesondere die Mannschaft
       und den Verein in ihrer sportlichen Entwicklung voranzubringen. Diesen
       Schritt gehe ich daher auch im Sinne meines Teams, denen ich für den
       weiteren Saisonverlauf den größtmöglichen Erfolg wünsche." Vor Jahren hatte
       Ralf Rangnick einmal gesagt, er betreibe seinen Job mit "missionarischem
       Eifer". Der schein nun nach 28 Jahren als Trainer (anfangs als
       Spielertrainer) völlig erloschen zu sein.
       
       Manager Horst Heldt sagte: "Die Entscheidung von Ralf Rangnick verdient
       höchste Achtung. Wir sind ebenso der Auffassung, dass die Gesundheit in
       jedem Fall Vorrang vor allen beruflichen Zielen und Herausforderungen haben
       sollte." Aufsichtsratschef Clemens Tönnies schloss sich diesem Urteil an:
       "Man muss den Menschen Rangnick jetzt über den Verein stellen." Der
       Unternehmer wünschte Rangnick im Namen des Klubs, dass er "wieder ganz
       gesund" werde. Bei der Nachfolge für den Coach werde der
       Fußball-Bundesligist "nicht die schnellste, aber die beste Lösung finden".
       Beim Heimspiel gegen den SC Freiburg am Samstag betreut Co-Trainer Seppo
       Eichkorn die Mannschaft.
       
       22 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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