# taz.de -- Streit in der CDU: "Hat sie Insolvenz gesagt?"
       
       > Auf sechs Regionalkonferenzen der CDU wirbt Kanzlerin Merkel für ihren
       > Krisenkurs. Die Basis ist nicht überzeugt. Das wurde auch in Dortmund
       > deutlich.
       
 (IMG) Bild: Lässt sich die gute Laune nicht vermiesen: Angela Merkel.
       
       DORTMUND taz | Der Applaus bleibt schwach, als Angela Merkel in die
       Dortmunder Westfalenhallen einzieht. Zwar erheben sich die 1.000
       Christdemokratinnen und Christdemokraten, als ihre Kanzlerin am
       Freitagabend in aller Stille, ohne die sonst von der Parteitagsregie gern
       benutzten triumphalen Technobeats in Richtung Podium schreitet. Aber
       frenetischen Beifall gibt es nicht.
       
       Die Basis mitnehmen, sie vor der Bundestagsabstimmung über die erneute
       Aufstockung des Eurorettungsschirms von ihrem Kurs in der Finanzkrise
       überzeugen will die Kanzlerin auf sechs Regionalkonferenzen. Schon bei der
       ersten Regionalkonferenz am Montag hatte sich die CDU-Bundesvorsitzende
       Merkel im hessischen Alsfeld heftige Kritik an ihrem Kurs der
       Griechenland-Rettung anhören müssen.
       
       In Dortmund protestiert der Stahlhelm-Flügel der Union bereits vor der Tür:
       Auf den Flyern der "Aktion Linkstrend" ist zu lesen: Die "Aufgabe der
       Souveränität unseres Landes in Richtung Europa und der offenen
       Islamisierung unserer Heimat ist der falsche Kurs".
       
       Angela Merkel hingegen beschwört das christliche Menschenbild der Union,
       das die "Pflicht zur Solidarität" beinhalte, und kommt schnell zum Grund
       ihrer Visite, zur "internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise". Sie habe
       versprochen, dass Deutschland die Krise gestärkt überstehen werde, "und
       dieses Versprechen haben wir gehalten", ruft sie und verweist auf das
       Wirtschaftswachstum von über 3 Prozent in 2010. Grundlage für den deutschen
       Erfolg sei das vereinte Europa: "Deutschland wird nicht gut dastehen, wenn
       es der europäischen Union nicht gutgeht". Applaus bekommt sie dafür nicht.
       
       ## Unverzichtbare Gemeinschaftswährung
       
       Merkel warnt vor der Marginalisierung der Bundesrepublik durch die
       aufstrebenden Großmächte China und Indien, verspricht, das "Eigenleben der
       Märkte" zu stoppen, sagt zu, Europa durch harte Sparanstrengungen
       "zukunftsfest zu machen". Und überhaupt: Für die jetzige Krise sei nicht
       die CDU verantwortlich, sondern Rot-Grün, die der Aufnahme Griechenlands in
       den Euroklub zugestimmt und den Eurostabilitätspakt gebrochen hätten.
       Unverzichtbar sei die Gemeinschaftswährung dennoch.
       
       Die Basis überzeugt das nicht. Ein Christdemokrat klagt, er fühle sich von
       Merkels Modernisierungskurs nicht vertreten - schließlich sei er "deutscher
       Patriot" und "keine Frau", habe "keinen Migrationshintergrund" und sei auch
       "nicht homosexuell". Hubert Schroer aus Recklinghausen fragt verunsichert,
       welche Vision Merkels Europapolitik überhaupt verfolge.
       
       Merkel kämpft. "Einfach zu sagen, Griechenland repräsentiert nur 2,5
       Prozent der Wirtschaftsleistung der EU, die lassen wir mal pleitegehen -
       dafür stehe ich nicht zur Verfügung", warnt die Parteivorsitzende.
       Schließlich seien die Folgen "nicht absehbar". Doch der Tag war lang, die
       Kanzlerin verliert sich in einem länglichen Referat: "Natürlich müssen wir
       lernen, wie wir gegebenenfalls mit der Insolvenz oder der Umstrukturierung
       eines Landes im Währungsraum umgehen", sagt sie dann plötzlich und sorgt so
       für Unruhe unter den Journalisten. "Hat sie Insolvenz gesagt?", fragt
       einer. "Ist die unterzuckert?", ein anderer.
       
       Entsprechend verunsichert reagiert auch die Basis. Eine Christdemokratin
       aus Dortmund beklagt ihre Arbeitslosigkeit: Trotz 600 Bewerbungen sei sie
       auf Hartz IV angewiesen und gesteht bei voller Namensnennung, "manchmal an
       Selbstmord" zu denken. Immer wieder fordern die verbliebenen Parteifreunde
       einen sozialeren Kurs, die Einführung von Mindestlöhnen.
       
       Merkel rettet sich mit dem Hinweis auf die von "den Gewerkschaften"
       abgeschlossenen Tarifverträge - dass insbesondere die "christlichen
       Gewerkschaften" Billigstlöhnen zustimmen, sagt sie nicht. Ob und wie viel
       Deutschland für Europa zahlen müsse, wird die Kanzlerin noch gefragt. "Das
       weiß ich nicht", gibt sie zu. Die Christdemokraten wirken erstarrt.
       
       25 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kanzlerinnen-Talk bei Günther Jauch: Merkel erklärt die Krise
       
       Die Kanzlerin nutzt den Talk bei Günther Jauch, um für den Kurs der
       Regierung bei der Euro-Rettung zu werben. Rechtzeitig vor der nahenden
       Abstimmung.
       
 (DIR) Kommentar Regierung: Abschied von Schwarz-Gelb
       
       Merkel droht ein absurdes Dauerschauspiel: Selbst dann, wenn bei der
       Euro-Rettung in der kommenden Woche die Mehrheit noch mal steht.
       
 (DIR) Euro-Rettung: Schwarz-Gelb ohne Kredit
       
       Die Bundesregierung behauptet plötzlich, ihr sei eine eigene
       Bundestagsmehrheit bei den Euro-Stabilisierungsgesetzen doch einerlei. Die
       Opposition höhnt.