# taz.de -- Streit in der russischen Regierung: "Mister Stabilität" fliegt raus
       
       > Der langjährige russische Finanzminister Alexei Kudrin muss zurücktreten
       > – nach öffentlicher Kritik an Noch-Präsident Dmitri Medwedjew.
       
 (IMG) Bild: Der entlassene Finanzminister Alexei Kudrin galt, anders als andere Kabinettsmitglieder, als Profi.
       
       Moskau taz | Es war kein schöner Anblick, den russischen Präsidenten so in
       Rage zu erleben. "Sie können sich mit wem auch immer beraten, auch mit dem
       Premier, noch aber bin ich Präsident und fälle solche Entscheidungen",
       grollte Dmitri Medwedjew. Adressat des Anwurfs war Finanzminister Alexei
       Kudrin. Soeben hatte der Kremlchef den Minister zum Rücktritt aufgefordert.
       Dieser bat indes kaltblütig um Bedenkzeit. Er wolle sich mit dem
       unmittelbaren Vorgesetzten Wladimir Putin konsultieren.
       
       Für den scheidenden Präsidenten war das dann doch zu viel. Vor laufender
       Kamera rang er um seine schwindende Autorität. Seit er am Wochenende auf
       dem Parteitag der Staatspartei "Vereinigtes Russland" kampflos den Thron
       räumte und Ziehvater Putin wieder als Kremlchef empfahl, nahm sein Image
       nicht nur unter Getreuen starken Schaden.
       
       Grund für die Entlassung des Finanzministers waren dessen Äußerungen auf
       einer Dienstreise nach Washington. Vor dem Hintergrund des anstehenden
       Macht- und Postenwechsels des Tandems Medwedjew/Putin hatte Kudrin
       verlauten lassen, dass er einer Regierung unter Premier Medwedjew nicht
       mehr zur Verfügung stünde.
       
       "Ich habe viele Meinungsverschiedenheiten mit Medwedjew hinsichtlich der
       Wirtschaftspolitik", sagte der Finanzminister. Das war nichts Neues. Er
       hatte vorher schon öffentlich vor den kostspieligen Plänen des Kreml
       gewarnt, der 2012 1,3 Prozent des BIPs und ab 2014 3 Prozent für Rüstung-
       und Verteidigung bereitstellen will.
       
       Der tatsächliche Grund der überstürzten Absage ist wohl eher in Moskaus
       byzantinischem Erbe zu suchen. Kudrin hatte sich Hoffnungen auf den Posten
       des Premiers gemacht. Angeblich hatte Putin dem langjährigen Duzfreund das
       Amt versprochen. Kudrin arbeitete mit Putin schon in Sankt Petersburg
       zusammen und diente ihm elf Jahre als Finanzminister.
       
       Im Vergleich zu den anderen Kabinettsmitgliedern gilt der 51-jährige
       Wirtschaftsliberale als Profi, der auch international anerkannt ist. Er ist
       Moskaus "Finanzgarant", der Russland sicher durch die Wirtschaftskrise
       steuerte und aus der finanzpolitischen Bananenrepublik vom Anfang 2000
       einen umworbenen Kreditor machte.
       
       ## Die Rechnung geht nicht auf
       
       "Mister Stabilität" schien unersetzbar. Kudrin hatte wohl auch deswegen
       nach dem Konflikt mit Medwedjew noch auf Putins Rückhalt gebaut.
       
       Damit hat sich der Finanzminister ausnahmsweise mal verrechnet. Putin
       stützt demonstrativ Medwedjew und das Tandem, um dem Legitimationsverlust
       der herrschenden Elite entgegenzuarbeiten. Im Interesse des Machterhalts
       ist er bereit, den Garanten der Finanzstabilität zu opfern.
       
       In weiten Teilen der Bevölkerung war der Minister wegen seiner strikten
       Ausgabenpolitik ohnehin nicht populär. Putin kann den Rücktritt vor den
       Dumawahlen im Dezember nun schon als einen Kurswechsel verkaufen und tiefer
       in das Staatssäckel greifen. Putin hat seine Leute im Griff, auch seine
       Opfer bekämpfen sich noch gegenseitig. Ganz Byzanz.
       
       27 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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