# taz.de -- Kommentar Semesterstart an den Unis: Lieber klagen als jammern
       
       > Es gibt zu wenige Studienplätze - ein gesellschaftlicher Missstand.
       > Bewerber klagen immer mehr. Mal wieder regeln Gerichte das Unvermögen der
       > Politik.
       
       Wie, kein Studienplatz für mich in Medizin? Was tut die Arzttochter, der
       Beamtensohn - nimmt sich einen Anwalt auf Mamis und Papis Rechnung und
       klagt sich ein. So einfach, so hinterfotzig kann man das sehen. So simpel
       ist es aber nicht. Dass die Zahl der BewerberInnen, die mit juristischem
       Beistand einen Studienplatz besetzen wollen, wächst, ist nicht allein dem
       verfestigten Anspruchsdenken verwöhnter Mittelschichtssprösslinge
       zuzuschreiben. Es verweist auf einen gesellschaftlichen Missstand, dem eine
       wachsende Zahl junger Leute auf individuelle Art und Weise begegnet.
       
       Einklagen gibt es, seitdem sich die Hochschulen in den 1970er Jahren fürs
       Volk öffneten und zu Massenuniversitäten mutierten. Die Politik hat es in
       40 Jahren nie geschafft, genügend Geld, also Studienplätze zu mobilisieren.
       Und mit den geburtenstarken Jahrgängen und den doppelten Abiturjahrgängen
       spitzt sich die Lage gerade wieder zu.
       
       Klar ist: Nicht für jeden Jugendtraum muss es den passenden Studienplatz
       geben. Und eine Hochschule sollte durchaus Einfluss darauf nehmen können,
       welche BewerberInnen sie für welche Fächer und zu welchen Kriterien
       auswählt. Doch die Prognosekraft eines Abiturdurchschnitts - welcher gerade
       für stark nachgefragte Studiengänge das bestimmende Auswahlkriterium ist -
       darf bezweifelt werden. Ist man ein guter Mediziner, wenn man in Deutsch
       eine 1 hat? Kaum. Widersinnig ist es auch, wenn die Gesellschaft nach
       Ingenieuren und LehrerInnen schreit, die Hochschulen aber tausende
       Interessenten abweisen, weil sonst der Lehrbetrieb zusammenbrechen würde.
       
       Dass die Abgewiesenen hier zur Selbsthilfe, sprich zum Anwalt greifen, ist
       ein Akt verzweifelter Vernunft. Auch linke Studierendenvertreter stellen
       sich nicht mehr reflexartig gegen die Klageindustrie, sondern arbeiten mit
       ihr zusammen. Wie so häufig in Deutschland, wird die Justiz zur regelnden
       Instanz, weil die Politik versagt. Auch das kann man beklagen.
       
       29 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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