# taz.de -- Berlusconi will Maulkorb fürs Internet: Wikipedia streikt
       
       > Italiens Regierung will jeder Person erlauben, Richtigstellungen im
       > Internet durchzusetzen. Egal wie richtig sie sind. Machen die
       > Seitenbetreiber nicht mit, drohen deftige Strafen.
       
 (IMG) Bild: Auf der italienischen Wikipedia-Seite gibt es nur noch den Brandbrief zu lesen.
       
       ROM taz | Egal ob "Berlusconi" oder "Ruby", egal ob "italienische
       Geschichte" oder "Leonardo Da Vinci" – seit Dienstag gibt der italienische
       Wikipedia-Ableger die immer gleiche Antwort: gar keine nämlich.
       "[1][Comunicato_4_ottobre_2011:It.wikipedia.org]" ist im Streik, in einem
       Streik, an dessen Ende allerdings sogar das endgültige Aus für die
       Online-Enzyklopädie stehen könnte.
       
       Das Aus käme spätestens dann, wenn ein dem italienischen Parlament
       vorliegender Gesetzentwurf tatsächlich verabschiedet werden sollte, der für
       jedes Webzine, jede Online-Veröffentlichung, jeden Blog zum Maulkorb werden
       könnte.
       
       Zum Beispiel der Eintrag "Berlusconi" in Wikipedia: Sollte Silvio sich an
       der Schilderung seiner werten Person stören, zum Beispiel an Bemerkungen
       über wilde Parties, dann hätte er in Zukunft das Recht auf
       "Richtigstellung". Wikipedia müsste dann seine Version veröffentlichen,
       dass es sich in Wirklichkeit bloß um "gepflegte Abendessen mit
       musikalischer Begleitung" gehandelt habe, ohne das Recht, die womöglich
       grundfalsche Richtigstellung auch nur mit einer Silbe zu kommentieren.
       
       ## Bis zu 12.000 Euro Strafe
       
       Es soll reichen, dass jemand irgendeinen Eintrag als "für die eigene
       Persönlichkeit verletzend" wahrnimmt, auch wenn die referierten Fakten von
       A bis Z stimmen. Und wird seine Richtigstellung nicht binnen 48 Stunden
       online gebracht, sind bis zu 12.000 Euro Strafe fällig.
       
       Gut versteckt hat die Berlusconi-Regierung den angestrebten
       Internet-Knebel. Vor allem nämlich dreht sich der Gesetzentwurf um die
       Abhörpraxis in Italien: Dramatisch will die Rechtsregierung das Abhören
       durch die Staatsanwälte ebenso einschränken wie die Möglichkeit,
       Abhörprotokolle in den Medien zu zitieren.
       
       Berlusconis private Ausschweifungen ebenso wie zahlreiche
       Korruptionsgeschichten rund um einige seiner Abgeordneten blieben so für
       immer unter der Decke. Entsprechend groß ist die Aufregung bei der
       Opposition, bei Fahndern und Journalisten.
       
       Die Tatsache, dass das Gesetz zugleich massiv in die Informations- und
       Meinungsfreiheit im Web hineingrätscht, wurde so jedoch in der öffentlichen
       Wahrnehmung gleichsam zur Randnotiz. Als vergangene Woche
       Internetaktivisten zum Protest-Sit-In vor dem Pantheon, nur einen Steinwurf
       vom Abgeordnetenhaus entfernt, aufriefen, kam bloß eine kleine Schar von
       etwa 100 Leuten zusammen.
       
       Jetzt aber schlägt Wikipedia Krach: "Eine unakzeptable Einschränkung der
       eigenen Freiheit und Unabhängigkeit" stehe da ins Haus, die dem
       "horizontalen", von den Nutzern gestalteten Instrument unweigerlich das Aus
       bescheren werde. "Wikipedia ist schon neutral, warum will man es
       neutralisieren?", fragt der Brandbrief auf der Startseite des italienischen
       Wikipedia ([2][Comunicato_4_ottobre_2011/de:dt. Version]) – und verzichtet,
       ganz neutral eben, auf die Antwort. Sie heißt Silvio Berlusconi.
       
       5 Oct 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://it.wikipedia.org/wiki/Wikipedia
 (DIR) [2] http://it.wikipedia.org/wiki/Wikipedia
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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