# taz.de -- Polizeiskandal in Dänemark: Schnüffeln, um zu denunzieren
       
       > Eineinhalb Jahre nach dem Klimagipfel in Kopenhagen wurden politische
       > Ansichten und Privatleben von DemonstrantInnen und deren Bekannten
       > durchleuchtet.
       
 (IMG) Bild: Nicht zimperlich: Dänische Polizisten im Einsatz gegen Demonstranten während des Klima-Gipfels im Dezember 2009 in Kopenhagen.
       
       STOCKHOLM taz | Die dänische Polizei kann eine schwere Niederlage, die sie
       beim juristischen Nachspiel um den Weltklimagipfel in Kopenhagen im
       Dezember 2009 erlitten hatte, offensichtlich nicht verwinden. Sie hat nun
       nachträglich TeilnehmerInnen legaler Demonstrationen und deren
       Bekanntenkreis durchleuchtet. Damit wollte sie Anhaltspunkte finden, um die
       friedlichen Absichten der Betroffenen in Frage zu stellen.
       
       Im Dezember 2010 hatte ein Gericht in Kopenhagen die aufgrund der
       speziellen "Lümmel-Gesetzgebung" erfolgten "vorbeugenden"
       Massenverhaftungen von rund 2.000 DemonstrantInnen für ungesetzlich
       erklärt. Damit hatte die Polizei angeblich drohende Ausschreitungen und
       Blockaden verhindern wollen. 178 der vorübergehend Festgenommenen, die
       stundenlang auf kaltem Asphalt sitzen mussten, hatten geklagt und recht
       bekommen. Denn durch diese Aktion sei gegen die Verfassung und gegen die
       Menschenrechte verstoßen worden, entschied das Gericht (vgl. taz v. 17. 12.
       2010). Der Staat wurde zu Schadensersatzzahlungen zwischen umgerechnet 700
       und 1.200 Euro verurteilt.
       
       Die Polizei legte Berufung ein. Zu Beginn des Berufungsverfahrens am Montag
       vor dem "Østre Landsret" in Kopenhagen wurden nun ihre zwischenzeitlichen
       Aktivitäten bekannt, mit denen sie offenbar ihre Position in der zweiten
       Gerichtsinstanz glaubt verbessern zu können.
       
       ## "Angriff auf die Demokratie"
       
       Alle 178 Personen - darunter 95 AusländerInnen -, denen Schadensersatz
       zugesprochen worden war, wurden nachträglich auf ihre "Gesinnung"
       durchleuchtet. Neben in- und ausländischen Polizei- und Behördenregistern
       kämmte man auch ihre Accounts bei Facebook und Twitter durch, um die
       Betroffenen womöglich in Misskredit bringen zu können.
       
       Zum Ergebnis dieser Schnüffelei heißt es über eine 28-jährige Studentin:
       Die "Friends"-Liste ihres Facebook-Accounts zeige, "dass sie mit Personen
       bekannt sei, die in Polizeiregistern als ,professionelle Demonstranten'
       geführt werden". Der Anwalt der Betroffenen, Christian Dahlager, spricht
       vom "Polizeiskandal des Jahrzehnts".
       
       Bei weiteren Festgenommenen hält die Polizei es für relevant, dass einer im
       Zusammenhang mit der Ausweisung eines Flüchtlings am Flughafen "gesichtet"
       worden sei. Bei einem anderen wird vermerkt, er habe "vom Bürgersteig aus
       in einen Hauseingang uriniert". Insgesamt legte die Polizei von 176 der 178
       Personen Dossiers an und hat neben den Betroffenen über 700 Menschen aus
       deren Bekanntenkreis unter die Lupe genommen.
       
       Der Demonstranten-Rechtsanwalt Knud Foldschack spricht von einem illegalen
       und ungeeigneten Versuch, TeilnehmerInnen an Klimademonstrationen
       nachträglich kriminalisieren zu wollen: "Jeder, der zu einer Demo geht,
       riskiert nun, dass sein Leben der letzten 5 Jahre durchleuchtet wird."
       Strafprozessprofessorin Eva Smith sieht einen "Angriff auf die Demokratie".
       Der neue sozialdemokratische Justizminister Morten Bødskov kündigte eine
       Untersuchung an.
       
       10 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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