# taz.de -- Rot-Schwarz ohne Beschäftigungssektor: Arbeitslose müssen zittern
       
       > Welche Rolle das Thema Soziales bei den Koalitionsverhandlungen spielen
       > wird, wird sich zeigen.
       
 (IMG) Bild: Noch werden 5.600 Stellen im ÖBS finanziert.
       
       Aus denkbar starker Position kann und wird die CDU ab morgen einem
       möglichen Koalitionsvertrag mit der SPD ihren Stempel aufdrücken. Auch wenn
       noch vieles im Ungewissen liegt - ein Opfer scheint naheliegend: der
       umstrittene öffentlich geförderte Beschäftigungssektor, kurz ÖBS. Das
       Prestigeprojekt der Linkspartei, bei dem Langzeitarbeitslose zum
       Mindestlohn in gemeinnützigen Projekten beschäftigt werden, war schon
       Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) ein Dorn im Auge. Zähneknirschend
       hatte er im Frühjahr einem Kompromiss mit weniger Stellen zugestimmt. Und
       die CDU hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie das Lieblingskind
       der Linkspartei gern ganz zu Grabe tragen würde.
       
       Zu teuer, zu uneffektiv: Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hatten die
       Berliner Christdemokraten gegen den ÖBS gepoltert. "Inzwischen ist doch
       sowieso nicht mehr viel davon übrig", sagte ihre arbeitsmarktpolitische
       Sprecherin Marion Kroll am Montag der taz. Aktuell werden nach Angaben der
       Sozialsenatsverwaltung noch rund 5.600 Stellen mit etwa 47 Millionen Euro
       Landesmitteln jährlich finanziert - Geld für Stadtteilmütter,
       Mobilitätshelfer, Integrationslotsen und den Off-Kulturbereich. Zu
       Spitzenzeiten des 2007 eingeführten ÖBS waren es 8.000 Stellen.
       
       ## Flott abschaffen geht nicht
       
       Doch egal, wie breitbeinig die CDU in die Verhandlungen gehen mag: Den ÖBS
       einfach abschaffen und die Gelder für andere Zwecke verwenden kann sie
       nicht. Auch wenn die Union sich das ins Wahlprogramm geschrieben hat. 2.300
       Stellen werden gerade erst eingerichtet; sie sind für drei Jahre bewilligt,
       heißt es aus der Sozialverwaltung. Aber um eine Verlängerung der übrigen
       Stellen wird sich auch die SPD, die in ihrem Wahlprogramm das Reizwort ÖBS
       gleich ganz vermieden hatte, kaum bemühen.
       
       Die CDU möchte stattdessen den vom Bund gewährten Beschäftigungszuschuss
       künftig direkt an Arbeitgeber auszahlen, die Langzeitarbeitslose
       beschäftigen. Für die schwer Vermittelbaren soll es
       Beschäftigungsmöglichkeiten in "gemeindenahen Dienstleistungen" geben, so
       Kroll. Was genau das sein soll, darüber wollte sie so kurz vor den
       Koalitionsverhandlungen nichts sagen. Und wer dann immer noch übrig bleibt
       und langfristig Hartz IV bezieht, der muss laut CDU-Wahlprogramm eben "zu
       Gegenleistungen herangezogen werden".
       
       ## Überraschende Ziele
       
       Nicht nur für den ÖBS hat die CDU Ideen. Im Sommer hatten sie gar ein
       Konzept zur "Neuausrichtung der sozialen Infrastruktur Berlins" vorgelegt.
       Weil da der Sprung an die Macht als unwahrscheinlich galt, waren gerade mal
       zwei Journalisten zur Präsentation erschienen. Die aber rieben sich
       verwundert die Augen: Emine Demirbüken-Wegner, familienpolitische
       Sprecherin, stellte für den Fall einer Regierungsbeteiligung eine Stärkung
       des Kindernetzwerks, den berlinweiten Ausbau der Kitas zu Familienzentren
       und einen Bildungssenator, der auch Familiensenator sei, in Aussicht.
       Gregor Hoffmann, sozialpolitischer Sprecher seiner Fraktion, mahnte
       Versorgungslücken, Unterfinanzierung und fehlende Kontrollen der sozialen
       Angebote an.
       
       Ob diese Ziele umgesetzt werden, ist jedoch fraglich: In die
       Koalitionsverhandlungen schicken die Christdemokraten jedenfalls keinen
       ihrer Sozial-, Familien- oder Arbeitsmarktpolitiker.
       
       11 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manuela Heim
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Wahlen in Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bei Rückerstattung der Steuer: Hartz-IV darf gekürzt werden
       
       Arbeitslosengeld-II-Bezieher müssen eine Kürzung hinnehmen, wenn sie vom
       Finanzamt einen Teil der gezahlten Einkommensteuer zurückerhalten. Das
       entschied das Bundesverfassungsgericht.
       
 (DIR) Scheidende Senatorinnen der Linkspartei: Düsterer Blick in die Zukunft
       
       Bericht der Senatorinnen für Soziales und Gesundheit benennt Herkunft,
       Geschlecht und Stadtteil als Indikatoren von Armut im Alter.