# taz.de -- Misshandlung im Botschafterhaushalt: Wenn Diplomaten Löhne prellen
       
       > Seit 50 Jahren schützt das Wiener Übereinkommen Diplomaten vor
       > gerichtlicher Verfolgung. Doch die Immunität schützt sie, auch wenn sie
       > Bedienstete misshandeln.
       
 (IMG) Bild: Polizisten vor der saudischen Botschaft: Der Staat schützt Diplomaten, doch darf dieser Schutz auf Kosten schwacher Gruppen durchgesetzt werden?
       
       BERLIN taz | Um die Sache sollte es am Mittwoch im Berliner
       Landesarbeitsgericht nicht gehen. Nicht darum, ob die indonesische
       Hausangestellte Dewi Ratnasari* monatelang im Privathaushalt eines
       saudischen Diplomaten ausgebeutet wurde. Richter Martin Dreßler hatte nur
       darüber zu entscheiden, ob sein Gericht zuständig ist. Oder ob die
       Immunität den Diplomaten auch in diesem Fall schützt.
       
       Achtzehn Monate soll Dewi Ratnasari [1][ohne Lohn und unter Misshandlungen]
       bei dem Kulturattaché der saudischen Botschaft gearbeitet haben. Inzwischen
       lebt sie wieder in Indonesien. Stellvertretend für sie klagen die Anwälte
       Jürgen Kühling und Klaus Bertelsmann und die Frauenrechtlerin Heide Pfarr
       auf 70.000 Euro Lohn und Schmerzensgeld. Das Deutsche Institut für
       Menschenrechte finanziert den Prozess.
       
       In erster Instanz fällte das Arbeitsgericht im Juni ein schnelles Urteil:
       Klageabweisung wegen Immunität. Laut dem Wiener Übereinkommen von 1961 sind
       Diplomaten im Einsatzland vor rechtlicher Verfolgung geschützt - beim
       Falschparken genauso wie bei Mord.
       
       Der Richter ließ zu Beginn der Verhandlung keinen Zweifel daran, dass er
       die Immunität als unangreifbares Gut respektiere. Schließlich schütze sie
       auch deutsche Diplomaten, die in wenig rechtssichere Staaten entsandt
       werden. Dass sich das Landesarbeitsgericht nicht über internationale
       Abkommen hinwegsetzen kann, war Anwalt Kühling klar. Ihm geht es um etwas
       anderes. "Die Immunität ist im Sinne des Gemeinwohls richtig", sagte er vor
       Gericht.
       
       Aber dass sie auf dem Rücken einzelner, schwacher Menschen ausgetragen
       werde, sei verfassungsrechtlich untragbar. "Dann muss der Staat eine
       Entschädigung leisten." Darüber könne nur das Verfassungsgericht
       entscheiden, an dem Kühling selbst bis 2001 Richter war. Rückenwind für
       diese Argumentation kommt aus Frankreich, wo Anfang 2011 das Oberste
       Gericht in einem ähnlichen Fall den Staat zu einer Ausgleichszahlung
       verpflichtete.
       
       Ratnasari könne doch in Saudi-Arabien ihre Rechte einklagen, hielt der
       Rechtsvertreter des Diplomaten dagegen, so sehe es das Wiener Übereinkommen
       schließlich vor. Dass genau dieser Weg laut einem Bericht von Human Rights
       Watch für ausländische Frauen faktisch unmöglich ist, wollte der Anwalt
       nicht gelten lassen.
       
       Ob der ausführlichen Ausführungen muss der Richter doch noch ins Grübeln
       geraten sein. Eine schnelle Entscheidung gab es am Mittwoch nicht. Ob er
       wie das Arbeitsgericht den Fall Ratnasari abweist und so die Anwälte zum
       Gang durch die Instanzen zwingt oder doch direkt dem
       Bundesverfassungsgericht vorlegt, will Dreßler am 9. November verkünden. (*
       Name geändert)
       
       12 Oct 2011
       
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